Bigamie nach § 172 StGB
Wer gleichzeitig mit mehreren Personen verheiratet ist, begeht in Deutschland eine Straftat – die sogenannte Bigamie. Das Verbot der Doppelehe gilt unabhängig davon, ob die Ehen im Inland oder im Ausland geschlossen wurden. Auch wer in Deutschland lebt und im Ausland eine zweite Ehe eingeht, macht sich strafbar. Der Gesetzgeber sieht darin eine Verletzung des staatlichen Eheverständnisses und schützt damit die rechtliche Ordnung der Ehe als Institution.
In diesem Beitrag erfahren Sie, was unter Bigamie zu verstehen ist, welche Strafen drohen und wann es Ausnahmen oder rechtliche Grauzonen geben kann.
Was ist Bigamie?
Der Straftatbestand der Bigamie ist in § 172 des Strafgesetzbuches geregelt. Danach macht sich strafbar, wer:
• verheiratet ist und eine weitere Ehe schließt,
• oder weiß, dass der andere Partner bereits verheiratet ist und dennoch mit ihm eine Ehe eingeht.
Es spielt keine Rolle, ob die zweite Ehe im Ausland oder unter anderem Namen geschlossen wurde. Auch religiöse oder inoffizielle Zeremonien können unter bestimmten Umständen strafrechtlich relevant sein – insbesondere, wenn sie als „Ehe“ im rechtlichen Sinn verstanden und gelebt werden.
Beispiel aus der Praxis
Ein Mann ist seit Jahren in Deutschland verheiratet. Während eines längeren Aufenthalts in seinem Herkunftsland heiratet er eine zweite Frau – ohne sich zuvor scheiden zu lassen. Nach der Rückkehr wird dies bekannt und es kommt zur Anzeige. Das Gericht verhängt eine Geldstrafe wegen Bigamie.
Was ist mit ausländischen Doppelehen?
In einigen Ländern ist die Mehrehe erlaubt oder gesellschaftlich akzeptiert. Wer jedoch in Deutschland lebt und dort dem deutschen Recht unterliegt, darf keine zweite Ehe schließen – auch wenn das im Herkunftsland erlaubt ist. Selbst wenn die zweite Ehe im Ausland rechtswirksam geschlossen wurde, ist sie in Deutschland nicht anerkannt und kann zur Strafverfolgung führen.
Wichtig ist dabei: Es reicht nicht, dass die zweite Ehe nur „geplant“ ist – strafbar ist die tatsächliche Eheschließung. Auch formlose Beziehungen oder Verlobungen sind nicht betroffen.
Welche Strafe droht bei Bigamie?
Bigamie wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In der Praxis wird bei Ersttätern meist eine Geldstrafe verhängt – insbesondere, wenn keine weiteren Straftaten vorliegen. Eine Freiheitsstrafe kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Doppelehe über längere Zeit bewusst geheim gehalten oder mit anderen Täuschungen verbunden war.
Unterschied zur Scheinehe
Während es bei der Bigamie um das Verbot mehrerer gleichzeitiger Ehen geht, betrifft die Scheinehe eine Ehe, die nur zum Schein – etwa zur Umgehung des Aufenthaltsrechts – geschlossen wurde. Auch dies kann strafbar sein, fällt aber unter andere Vorschriften (z. B. § 95 AufenthG). Beide Formen verletzen das staatlich geschützte Eheverständnis, verfolgen aber unterschiedliche Zielrichtungen.
Gibt es Ausnahmen?
Eine Bigamie liegt nicht vor, wenn die erste Ehe nachweislich aufgelöst wurde – etwa durch Scheidung oder Tod des Partners. Problematisch wird es, wenn die Scheidung im Ausland erfolgte und in Deutschland noch nicht anerkannt wurde. In solchen Fällen empfiehlt sich dringend eine rechtliche Prüfung, bevor eine neue Ehe geschlossen wird.
Verteidigungsmöglichkeiten bei Bigamievorwürfen
Wer wegen Bigamie angezeigt wird, sollte nicht vorschnell eine Aussage machen. Ein Verteidiger prüft insbesondere:
• ob tatsächlich eine zweite Ehe im rechtlichen Sinne vorliegt,
• ob dem Beschuldigten die erste Ehe noch bewusst war,
• ob ein Verbotsirrtum vorliegt (z. B. wegen ausländischer Rechtsauffassung),
• und ob eine Einstellung des Verfahrens möglich ist.
In vielen Fällen ist der Tatnachweis nicht eindeutig – etwa, wenn religiöse Rituale oder traditionelle Feiern keine rechtsverbindliche Wirkung entfalten. Auch kulturelle Missverständnisse oder fehlende Kenntnis der deutschen Rechtslage können strafmildernd wirken.
Anzeige erhalten?
Ein Vorwurf wegen Bigamie kann nicht nur strafrechtliche, sondern auch ausländerrechtliche oder familienrechtliche Folgen haben. Besonders bei Personen mit Migrationshintergrund oder ausländischen Heiratsurkunden ist eine genaue rechtliche Prüfung entscheidend. Wer beschuldigt wird, sollte frühzeitig rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen – bevor eine Aussage erfolgt oder weitere Schritte unüberlegt eingeleitet werden.
Häufige Fragen zur Bigamie nach § 172 StGB
Ist die zweite Ehe automatisch ungültig?
Ja – sie ist in Deutschland unwirksam, wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits eine andere Ehe bestand.
Was passiert, wenn man nichts von der ersten Ehe wusste?
Dann liegt kein Vorsatz vor – eine Strafe ist in der Regel ausgeschlossen. Das gilt z. B. bei Personen, die unter falschem Namen heiraten oder Informationen verschweigen.
Gilt Bigamie auch für gleichgeschlechtliche Ehen?
Ja – das Gesetz unterscheidet nicht nach der Form der Ehe. Auch mehrere gleichgeschlechtliche Ehen sind strafbar.
Was ist mit religiösen oder traditionellen Zweitehen?
Auch solche Verbindungen können strafbar sein, wenn sie als Ehe im rechtlichen Sinn geführt und anerkannt werden – auch ohne Standesamt.
Kann die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden?
Ja – insbesondere bei Ersttätern und wenn keine weiteren Straftaten vorliegen. Häufig erfolgt auch eine Geldstrafe.