Freiheitsstrafe
Die schwerwiegendste Strafe, die das deutsche Strafrecht kennt, ist die Freiheitsstrafe. Doch was bedeutet das eigentlich? Wie lange kann die Freiheitsstrafe gehen? Und wann ist eine Aussetzung auf Bewährung möglich? Auf diese Fragen finden Sie im folgenden Beitrag die Antworten.

Die Freiheitsstrafe gilt als das härteste staatliche Mittel zur Sanktionierung strafrechtlicher Verfehlungen. Sie greift tief in das Persönlichkeitsrecht des Verurteilten ein und bringt erhebliche Konsequenzen sowohl rechtlicher als auch sozialer Art mit sich. Aufgrund dieser Tragweite steht sie im Zentrum zahlreicher juristischer Diskussionen, insbesondere in Bezug auf ihre Verhältnismäßigkeit, die verfassungsrechtliche Legitimation und die dogmatische Einordnung im Sanktionensystem des Strafrechts.
Juristische Definition und gesetzliche Verankerung
Die Freiheitsstrafe ist in den §§ 38 bis 58a StGB gesetzlich geregelt. Nach § 38 Abs. 1 StGB unterscheidet man zwischen:
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Zeitiger Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 2 StGB): Mindestmaß ein Monat, Höchstmaß fünfzehn Jahre.
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Lebenslanger Freiheitsstrafe: Kein festes Höchstmaß, potenziell bis zum Lebensende.
Der Vollzug erfolgt in Justizvollzugsanstalten (JVAs) der Länder gemäß dem jeweiligen Landesstrafvollzugsgesetz. Die Freiheitsstrafe stellt im Unterschied zu anderen Sanktionen – etwa der Geldstrafe – einen körperlichen Zwang zum Freiheitsentzug dar und ist Ausdruck des staatlichen Strafanspruchs bei besonders gravierenden Rechtsverstößen.
Abgrenzung zu anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen
Aus rechtsdogmatischer Sicht ist die Freiheitsstrafe strikt abzugrenzen von:
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Untersuchungshaft (§§ 112 ff. StPO): Dient der Verfahrenssicherung, kein Schuldspruch erforderlich.
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Sicherungsverwahrung (§§ 66 ff. StGB): Präventivmaßnahme nach verbüßter Freiheitsstrafe, zur Abwehr weiterer erheblicher Straftaten.
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Jugendarrest (§§ 13 ff. JGG): Erzieherische Maßnahme im Jugendstrafrecht.
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Ordnungshaft (§ 890 ZPO): Zwangsmittel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Titel.
Alle diese Maßnahmen verfolgen andere Zielsetzungen und unterliegen anderen rechtlichen Grundlagen als die Freiheitsstrafe.
Arten der Freiheitsstrafe im juristischen Kontext
Zeitige Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 2 StGB)
Die zeitige Freiheitsstrafe ist die in der Praxis häufigste Form. Sie wird für Vergehen und Verbrechen verhängt, wobei die Spanne zwischen einem Monat und 15 Jahren liegt. Besonders relevant sind hier:
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Strafrahmenbestimmung: Das Gesetz nennt Mindest- und Höchststrafen für einzelne Delikte.
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Strafzumessung nach §§ 46 ff. StGB: Die konkrete Strafe wird anhand schuldangemessener Kriterien festgelegt.
Lebenslange Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 1 StGB)
Bei Verbrechen mit besonderem Unrechtsgehalt – etwa Mord nach § 211 StGB – sieht das Gesetz zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe vor. Rechtlich handelt es sich um eine unbestimmte Sanktion, die nach § 57a StGB frühestens nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden kann, sofern keine besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde.
Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB)
Diese tritt ein, wenn eine rechtskräftig verhängte Geldstrafe nicht gezahlt wird. Ein Tagessatz entspricht dabei einem Tag Freiheitsentzug. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Druckmittel, keine originäre Strafsanktion – ihre Verhältnismäßigkeit ist regelmäßig zu prüfen.
Strafzumessung und Ermessensspielräume
Die konkrete Festlegung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Rahmens erfolgt gemäß § 46 StGB nach dem Grundsatz der Schuldangemessenheit. Relevante strafzumessungsrelevante Gesichtspunkte sind:
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Tatbezogene Merkmale: Beweggründe, Tatausführung, Folgen.
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Täterbezogene Merkmale: Vorleben, Motive, soziale Lage, Nachtatverhalten.
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Reue und Schadenswiedergutmachung
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Milderungstatbestände (§ 49 StGB) und besondere Strafrahmen
Eine zentrale Rolle spielt auch die Strafzwecklehre: Neben der Sühne stehen Prävention und Resozialisierung im Vordergrund. Die richterliche Strafzumessung ist nur eingeschränkt überprüfbar – vor allem bei offensichtlicher Ermessensüberschreitung (§ 337 StPO – Revision).
Die Freiheitsstrafe auf Bewährung (§§ 56 ff. StGB)
Die Bewährungsregelung erlaubt es, die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zur Bewährung auszusetzen. Diese Option stellt keinen Strafverzicht dar, sondern eine Form der kontrollierten Nachsicht mit pädagogischem Ziel.
Voraussetzungen nach § 56 StGB
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Freiheitsstrafe ≤ 2 Jahre
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Positive Sozialprognose: Die Gesamtwürdigung von Tat und Täter lässt erwarten, dass keine weiteren Straftaten begangen werden.
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Bei Strafen zwischen 6 Monaten und 2 Jahren: Zusätzliche besondere Umstände erforderlich (§ 56 Abs. 2 StGB)
Auflagen und Weisungen (§§ 56a–56c StGB)
Das Gericht kann u.a. anordnen:
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Schadenswiedergutmachung
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Gemeinnützige Arbeit
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Geldzahlung an gemeinnützige Einrichtungen
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Therapie, Alkoholentzug, Anti-Gewalt-Training
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Bewährungshelfer als Kontrolle und Unterstützung
Dauer der Bewährungszeit (§ 56a StGB)
Zwischen zwei und fünf Jahren – Verlängerung möglich bei Verstößen. Ein Verstoß gegen Auflagen kann zum Widerruf nach § 56f StGB führen, was die Vollstreckung der ursprünglich ausgesetzten Strafe bedeutet.
Der Widerruf der Bewährung (§ 56f StGB)
Ein Widerruf kommt insbesondere dann in Betracht, wenn:
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Neue Straftaten begangen werden
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Weisungen grob verletzt werden
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Der Verurteilte sich der Kontrolle entzieht
Das Gericht hat hier ein Ermessen; nicht jeder Verstoß führt automatisch zum Widerruf. Im Strafverteidigungskontext ist es oft Ziel, durch Stellungnahmen oder Auflagenmodifikation einen Widerruf zu vermeiden.
Strafaussetzung des Strafrests (§ 57 StGB)
Bei Strafen über zwei Jahre ist eine Bewährung zunächst ausgeschlossen. Der verbleibende Strafrest kann jedoch nach Verbüßung von zwei Dritteln (Regelfall) oder der Hälfte (Ausnahme, § 57 Abs. 2 StGB) zur Bewährung ausgesetzt werden. Voraussetzungen:
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Einwilligung des Verurteilten
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Keine Restschuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB
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Keine Wiederholungsgefahr
Diese Regelung hat enorme praktische Bedeutung für Verteidiger in Fällen langer Freiheitsstrafen – sie bietet eine Exit-Strategie vor vollständiger Verbüßung.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe und die Rolle des Strafvollzugsrechts
Der Vollzug erfolgt auf Grundlage der Landesstrafvollzugsgesetze (z. B. SächsStVollzG). Wesentliche Aspekte sind:
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Einweisung, Vollzugsplan, Betreuung
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Vollzugsformen: geschlossener, offener, gelockerter Vollzug
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Vollzugslockerungen (§§ 11 ff. StVollzG): Ausgang, Freigang, Hafturlaub
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Resozialisierungsmaßnahmen: Arbeit, Schulungen, soziale Betreuung
Zentrales Ziel des Vollzugs ist nach § 2 StVollzG die Befähigung zu einem straffreien Leben in Freiheit. Verfassungsrechtlich verankert ist dies in Art. 2 GG i.V.m. Art. 1 GG.
Besonderheiten bei der lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 57a StGB)
Eine Haftentlassung ist frühestens nach 15 Jahren möglich – vorausgesetzt:
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Keine besondere Schwere der Schuld
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Keine Gefahr für die Allgemeinheit
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Zustimmung der Staatsanwaltschaft
Verweigert wird die Aussetzung bei persistierender Gefährlichkeit – ggf. kann dann Sicherungsverwahrung folgen. Die Rechtsprechung (BVerfG, BGH) fordert jedoch regelmäßig die Perspektive einer Entlassung als Ausdruck der Menschenwürde (BVerfGE 45, 187).
Fazit: Die Freiheitsstrafe als juristisches Instrument mit Sprengkraft
Die Freiheitsstrafe ist keine bloße Sanktion – sie ist ein Instrument staatlicher Autorität, das in das Grundrecht auf Freiheit der Person eingreift. Ihre Anwendung erfordert daher präzise gesetzliche Grundlagen, umfassende richterliche Prüfung und professionelle Verteidigung. Jeder Fall verdient eine differenzierte Betrachtung – denn jede Strafe betrifft einen Menschen mit Geschichte, Perspektive und Zukunft.
FAQs zur Freiheitsstrafe
1. Welche rechtliche Grundlage regelt die Freiheitsstrafe?
Die Freiheitsstrafe ist in §§ 38–58a StGB geregelt. Ihr Vollzug richtet sich nach den jeweiligen Landesvollzugsgesetzen.
2. Wann ist eine Strafaussetzung zur Bewährung möglich?
Grundsätzlich bei Strafen bis zu zwei Jahren (§ 56 StGB), unter bestimmten Umständen auch später (§ 57 StGB).
3. Kann die lebenslange Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden?
Ja, nach § 57a StGB ist dies frühestens nach 15 Jahren möglich, wenn keine besondere Schwere der Schuld vorliegt.
4. Was ist bei einem Bewährungsverstoß zu erwarten?
Es kann zum Widerruf kommen (§ 56f StGB), was bedeutet, dass die Strafe vollstreckt wird.
5. Kann eine Geldstrafe immer in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden?
Nein, nur bei Nichtzahlung tritt die Ersatzfreiheitsstrafe in Kraft (§ 43 StGB). Diese kann ggf. durch gemeinnützige Arbeit abgewendet werden.