Diebstahl

Eines der häufigsten Strafdelikte in Deutschland ist der Diebstahl. Jedoch kann dessen Durchführung und das Diebesgut sehr facettenreich sein und so vor dem Gesetz unterschiedlich bewertet werden. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Voraussetzungen für den Strafbestands des Diebstahls erfüllt sein müssen, welche Strafen drohen und welche weiteren Straftaten mit Diebstahl in Verbindung stehen können.

Diebstahl

Der Diebstahl gehört zu den „Klassikern“ des Strafrechts. In der Praxis begegnet er uns tagtäglich: Ob der Griff in die Supermarktkasse, das heimliche Mitnehmen eines Werkzeugs vom Arbeitsplatz oder spektakuläre Kunstentwendungen – das Spektrum ist breit. Doch in rechtlicher Hinsicht offenbart der scheinbar einfache § 242 StGB eine beachtliche Komplexität. Für Verteidiger eröffnet sich dadurch ein weites Feld an Angriffspunkten – gerade in Bezug auf Tatbestandsauslegung, Beweisprobleme oder Irrtumsfragen.


Die rechtliche Grundlage – § 242 StGB im Wortlaut

§ 242 Abs. 1 StGB lautet:

„Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Der Tatbestand gliedert sich klassisch in objektive und subjektive Elemente, wobei insbesondere bei der Auslegung des Begriffs „Wegnahme“ und der „Zueignungsabsicht“ erheblicher Interpretationsspielraum besteht. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat zahlreiche Klarstellungen geliefert, die im Rahmen der Verteidigung genutzt werden können.


Tatbestandsmerkmale im Detail

1. Fremde bewegliche Sache

Sache:
Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand im Sinne des § 90 BGB. Auch Tiere gelten gem. § 90a BGB als Sachen, soweit nicht besondere Tierschutzvorschriften greifen. Nicht umfasst sind Forderungen, digitale Inhalte (aber: USB-Stick als Datenträger!) oder Energie.

Beweglich:
Das Objekt muss tatsächlich beweglich sein oder durch eine Handlung beweglich gemacht werden können (z. B. Schraubenlösen eines Autoradios).

Fremd:
Fremd ist die Sache, wenn sie zumindest teilweise im Eigentum eines Dritten steht. Problematisch sind hier Fälle von Miteigentum, herrenlosen Gegenständen oder Eigentumsverzicht. Klassisch ist die Konstellation des „Containerns“, bei der Gerichte regelmäßig Fremdheit bejahen, da eine Eigentumsaufgabe nicht klar nachweisbar ist (BGH, Urt. v. 02.10.2020 – 2 StR 240/20).

2. Wegnahme

Die Wegnahme ist definiert als „Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams gegen den Willen des Berechtigten“. Hier kommt es auf die tatsächliche Sachherrschaft an, die sozial anerkannt und von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen wird.

Gewahrsamsbruch:
Erfolgt gegen den Willen des bisherigen Inhabers. Hier können stille Duldungen oder Irrtümer relevant sein – etwa, wenn jemand versehentlich die falsche Jacke an sich nimmt.

Neuer Gewahrsam:
Ist dann begründet, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft so erlangt hat, dass der bisherige Inhaber ohne erhebliche Hindernisse nicht mehr darauf zugreifen kann (BGHSt 16, 271).

Diebstahl

3. Zueignungsabsicht

Die Zueignung verlangt zwei Elemente:

  • Aneignungsabsicht: Der Täter will die Sache wenigstens vorübergehend nutzen.

  • Enteignungsvorsatz: Der Eigentümer soll dauerhaft ausgeschlossen werden.

Maßgeblich ist die innere Willensrichtung, sodass gerade in frühen Ermittlungsstadien Erklärungen des Beschuldigten mit Vorsicht zu behandeln sind. Verteidiger sollten hier gezielt auf einen fehlenden Enteignungsvorsatz abstellen, insbesondere bei Rückgabewillen oder Irrtümern.

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4. Rechtswidrigkeit der Zueignung

Die Zueignung ist nur dann rechtswidrig, wenn der Täter keinen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf die Sache hat. Dies bietet Verteidigungspotential, etwa bei zivilrechtlich streitigen Besitzverhältnissen oder Scheinverträgen.

5. Subjektiver Tatbestand

Neben Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Merkmale ist die Zueignungsabsicht ein besonderes subjektives Element, das konkret nachgewiesen werden muss. Zweifel an dieser inneren Haltung gehen zu Lasten der Strafverfolgung.


Versuch und Vollendung

Der versuchte Diebstahl ist gemäß § 242 Abs. 2 i.V.m. § 22 StGB strafbar. Die Strafbarkeit beginnt mit dem „unmittelbaren Ansetzen“. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn der Täter in den Herrschaftsbereich der Sache eindringt oder bereits nach dieser greift (z. B. Griff in eine Tasche).

Hier ergeben sich Verteidigungsansätze in der Differenzierung zwischen Vorbereitungshandlungen und Versuchsbeginn – häufig ein entscheidender Punkt bei polizeilichen Kontrollen oder Videoüberwachungen.


Abgrenzungen zu verwandten Delikten

Diebstahl vs. Betrug (§ 263 StGB)

Der Betrug erfordert eine Täuschung und freiwillige Vermögensverfügung durch das Opfer. Beim Diebstahl hingegen erfolgt die Wegnahme gegen dessen Willen. Typisch ist die Abgrenzung bei Selbstbedienungskassen oder Täuschung an Scannerkassen.

Diebstahl vs. Unterschlagung (§ 246 StGB)

Die Unterschlagung liegt vor, wenn der Täter die Sache bereits rechtmäßig besitzt und sich dann gegen das Eigentum des Berechtigten wendet. Ein klassisches Beispiel: der Mitarbeiter, der einen Dienstwagen privat weiterverwendet. Verteidiger können bei Zweifeln an der Besitzlage gezielt auf § 246 verweisen, um einen minderschweren Tatbestand durchzusetzen.

Diebstahl vs. Raub (§ 249 StGB)

Der Unterschied liegt in der Anwendung von Gewalt oder Drohung beim Raub. Auch hier sind Details entscheidend: Wird die Gewalt erst nach der Wegnahme angewendet, um die Beute zu sichern, liegt möglicherweise ein räuberischer Diebstahl (§ 252 StGB) vor.


Qualifikationstatbestände – §§ 243, 244, 244a StGB

Schwerer Diebstahl (§ 243 StGB)

Hierzu zählen besonders verwerfliche Umstände, wie Einbruchdiebstahl, Diebstahl von Kulturgütern oder unter Verwendung von Werkzeugen. Die Strafandrohung liegt bei Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren.

Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl (§ 244 StGB)

Diese Qualifikationen erfordern entweder das Mitführen einer Waffe oder ein organisiertes Zusammenwirken mehrerer Täter. Die Rechtsprechung legt das „Mitführen“ sehr weit aus – bereits ein Messer im Rucksack kann genügen.

Besonders schwerer Bandendiebstahl (§ 244a StGB)

Eine besonders scharfe Strafandrohung gilt bei bandenmäßiger Begehung mit Waffen oder Einbruch. Die Verteidigung muss hier differenziert vorgehen: War der Beschuldigte wirklich Teil einer Bande oder lediglich Mitläufer?


Strafverfolgungsvoraussetzungen bei §§ 247, 248a StGB

In Fällen geringwertiger Sachen oder familiärer Beziehungen ist oft ein Strafantrag notwendig. Eine Verteidigungsstrategie kann daher auch sein, auf das Fehlen dieses Antrags oder das mangelnde öffentliche Interesse hinzuweisen.


Verteidigungsstrategien bei Diebstahlvorwürfen

Aussageverweigerung und Akteneinsicht

Grundregel: Keine Aussage ohne vorherige Akteneinsicht durch den Verteidiger. Frühzeitige Aussagen können fatale Auswirkungen haben, insbesondere wenn die Beweislage unklar ist.

Prüfung der Tatbestandsmerkmale

Ein erfahrener Strafverteidiger prüft systematisch, ob:

  • Die Sache tatsächlich „fremd“ war.

  • Eine Wegnahme im juristischen Sinn vorliegt.

  • Eine Zueignungsabsicht konkret nachgewiesen werden kann.

Oft ergeben sich hier Einfallstore zur Entkräftung des Vorwurfs.

Diebstahl

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Beweisprobleme und alternative Erklärungen

Das Strafverfahren lebt von Beweisen – fehlen Überwachungsvideos, Zeugen oder werden Indizien überinterpretiert, ist der Freispruch häufig das Ziel. Verteidiger können auf Erinnerungslücken, Alltagsverwechslungen oder Irrtümer abstellen.

Diversion und Einstellungsmöglichkeiten

Bei Ersttätern und geringem Schaden kann § 153a StPO greifen. Auch eine außergerichtliche Einigung mit dem Geschädigten – z. B. Wiedergutmachung – kann das Verfahren verkürzen oder zur Einstellung führen.


Fazit

Der Diebstahl nach § 242 StGB ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Für Beschuldigte bedeutet dies nicht nur eine potenzielle strafrechtliche Verurteilung – oft hängen auch arbeitsrechtliche, zivilrechtliche oder reputative Konsequenzen daran. Umso wichtiger ist es, frühzeitig die Initiative zu ergreifen, zu schweigen, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und die Verteidigung strategisch zu führen. Denn: Kein Vorwurf ist so alltäglich – und doch so angreifbar – wie der des Diebstahls.


FAQs

1. Kann ein Diebstahl auch im Familienkreis angezeigt werden?
Ja, allerdings ist gemäß § 247 StGB in solchen Fällen ein Strafantrag notwendig, etwa bei Diebstahl unter Ehegatten oder gegen nahe Verwandte.

2. Was bedeutet „geringwertige Sache“?
Gegenstände bis etwa 50 Euro werden als geringwertig angesehen. Dies wirkt sich auf das Strafmaß aus – oft genügt hier ein Strafantrag des Geschädigten.

3. Ist eine Aussage bei der Polizei verpflichtend?
Nein. Beschuldigte sind nicht verpflichtet, zur Sache auszusagen. Schweigen ist ein fundamentales Verteidigungsrecht.

4. Welche Rolle spielen Überwachungskameras?
Kameras liefern oft zentrale Beweise. Allerdings muss die Auswertung rechtmäßig erfolgt sein. Datenschutzverstöße können zur Unverwertbarkeit führen.

5. Welche Verteidigungsstrategie ist bei Tatverdacht empfehlenswert?
Schweigen, Akteneinsicht beantragen, Beweise analysieren – und dann gezielt entscheiden, ob der Tatbestand überhaupt erfüllt ist oder es Ansatzpunkte für eine Einstellung oder Diversion gibt.