Sexuelle Nötigung: Ein Überblick
Definition nach § 177 StGB
Sexuelle Nötigung liegt vor, wenn eine Person durch Gewalt, Drohungen oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage zu sexuellen Handlungen gezwungen wird. Dieser Straftatbestand schützt die sexuelle Selbstbestimmung und ist eine Qualifikation des Grunddelikts „sexueller Übergriff“.
Wichtige Merkmale sind:
- Eine sexuelle Handlung: Jede Handlung mit eindeutig sexuellem Bezug.
- Zwangselemente: Der Täter wendet Gewalt an, droht oder nutzt eine schutzlose Lage aus.
- Fehlende Einwilligung: Das Opfer signalisiert durch Worte oder Verhalten, dass es die Handlung nicht will.
Die sexuelle Nötigung unterscheidet sich in ihrer Schwere von verwandten Delikten wie dem sexuellen Übergriff und der Vergewaltigung. Der Strafrahmen für sexuelle Nötigung reicht von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe.
Was ist ein sexueller Übergriff?
Mit der Reform des Sexualstrafrechts 2016 wurde der sexuelle Übergriff (§ 177 Abs. 1–4 StGB) als Grundtatbestand eingeführt. Er legt fest, dass jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen des Opfers strafbar ist, auch ohne den Einsatz von Gewalt.
Voraussetzungen eines sexuellen Übergriffs
- Sexuelle Handlung: Körperliche Berührungen mit Bezug zur Sexualität. Beispiele sind:
- Küssen
- Berühren der Brust, des Penis oder der Scheide
- Geschlechtsverkehr (oral, vaginal, anal)
- Erkennbarer, entgegenstehender Wille: Das Opfer zeigt deutlich, dass es die Handlung nicht will. Dies kann verbal („Hör auf!“, „Nein!“) oder nonverbal (Wegstoßen, Weinen) geschehen.
- Ausnutzung besonderer Umstände: Der Täter nutzt Situationen wie Bewusstlosigkeit, Schlaf oder die Einnahme von K.O.-Tropfen aus.
Strafen für sexuellen Übergriff
Die Freiheitsstrafe für einen sexuellen Übergriff beträgt sechs Monate bis fünf Jahre. Geldstrafen sind ausgeschlossen.
Unterschied zwischen sexuellem Übergriff und sexueller Nötigung
Der wesentliche Unterschied liegt im Einsatz von Nötigungsmitteln:
- Sexueller Übergriff: Keine Gewalt oder Drohungen nötig; die Missachtung des Willens des Opfers genügt.
- Sexuelle Nötigung: Der Täter setzt Gewalt ein, droht oder nutzt eine schutzlose Lage aus.
Beispiel:
- Sexueller Übergriff: Eine Person küsst eine andere gegen deren Willen.
- Sexuelle Nötigung: Der Täter hält das Opfer fest, um es zum Küssen zu zwingen.
Was ist eine Vergewaltigung?
Die Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 StGB) ist eine besonders schwere Form der sexuellen Nötigung und liegt vor, wenn der Täter in den Körper des Opfers eindringt.
Merkmale einer Vergewaltigung
- Eindringen in den Körper: Dies kann vaginal, anal oder oral erfolgen. Es reicht bereits der Kontakt des Penis mit dem Scheidenvorhof. Auch das Eindringen mit Fingern oder Gegenständen fällt unter diesen Tatbestand.
- Besonders erniedrigende sexuelle Handlungen: Handlungen, die das Opfer massiv demütigen, gelten ebenfalls als Vergewaltigung.
- Zwangselemente: Gewalt, Drohungen oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage sind Voraussetzung.
Strafrahmen für Vergewaltigung
Die Vergewaltigung wird mit Freiheitsstrafen zwischen zwei und fünfzehn Jahren geahndet. Besonders schwere Fälle (§ 177 Abs. 7–8 StGB) sehen höhere Mindeststrafen von drei bis fünf Jahren vor.
Sexuelle Nötigung in besonderen Kontexten
Sexuelle Nötigung innerhalb der Ehe
Bis 1997 war sexuelle Gewalt in der Ehe nicht strafbar. Heute ist klar geregelt, dass auch Ehepartner das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung haben. Die besonderen Herausforderungen in solchen Fällen liegen in der Beweisführung, da meist Aussage gegen Aussage steht.
Sexuelle Nötigung am Arbeitsplatz
Am Arbeitsplatz entsteht häufig ein Machtgefälle, das Täter ausnutzen können. Typische Szenarien umfassen Drohungen wie den Verlust des Arbeitsplatzes oder die Verweigerung von Beförderungen. Die Strafbarkeit ergibt sich, wenn Zwangselemente vorliegen.
Sexuelle Nötigung und Minderjährige
Besondere Vorschriften gelten, wenn das Opfer minderjährig ist. Für Kinder unter 14 Jahren ist jede sexuelle Handlung strafbar, unabhängig vom Willen des Opfers. Bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren kommt es auf die spezifischen Umstände und das Machtgefälle an.
Beweissicherung und Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen
Beweismittel
In Fällen sexueller Nötigung stützen sich Gerichte auf:
- Aussagen des Opfers
- Medizinische Gutachten (z. B. Verletzungen)
- Digitale Beweismittel (Chats, Videos)
- Zeugenaussagen
Aussagepsychologische Gutachten
In Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen werden oft Gutachten hinzugezogen, um die Glaubwürdigkeit der Schilderungen zu prüfen. Diese sind entscheidend für den Ausgang des Verfahrens.
Strafverschärfende Umstände
In besonders schweren Fällen erhöhen sich die Strafen. Beispiele sind:
- Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen
- Schwere Misshandlungen des Opfers
- Gemeinschaftliches Handeln mehrerer Täter
Falsche Beschuldigungen: Was tun?
Falsche Anschuldigungen sexueller Nötigung kommen vor und können gravierende Folgen für den Beschuldigten haben. Ein professioneller Anwalt hilft, die Verteidigung aufzubauen und entlastende Beweise zu sichern.
Wichtige Schritte bei falschen Vorwürfen
- Keine Aussagen ohne Anwalt.
- Beweismittel wie Nachrichten oder Videos sichern.
- Kontakte zum Ankläger vermeiden, um Missverständnisse zu vermeiden.
Das Sexualstrafrecht im Wandel: ‘Nein heißt Nein’
Fazit
Sexuelle Nötigung, Übergriffe und Vergewaltigungen gehören zu den schwerwiegendsten Vorwürfen im Strafrecht. Für Beschuldigte ist es entscheidend, ihre Rechte frühzeitig zu wahren und eine erfahrene Verteidigung zu engagieren. Der Ausgang eines Verfahrens hängt oft von der Beweislage, der Glaubwürdigkeit der Aussagen und der Verteidigungsstrategie ab.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
1. Was ist der Unterschied zwischen sexueller Nötigung und Vergewaltigung?
Vergewaltigung erfordert ein Eindringen in den Körper, sexuelle Nötigung hingegen nicht.
2. Ist sexuelle Nötigung in der Ehe strafbar?
Ja, seit 1997 ist auch sexuelle Gewalt in der Ehe strafbar.
3. Wie lange ist sexuelle Nötigung strafbar?
Die Verjährungsfrist beträgt in der Regel zehn Jahre.
4. Was tun bei falschen Vorwürfen?
Frühzeitig Beweise sichern und anwaltliche Unterstützung suchen.
5. Welche Strafe droht bei einem sexuellen Übergriff?
Die Freiheitsstrafe beträgt sechs Monate bis fünf Jahre.