Sexuelle Nötigung

Der sexuelle Übergriff, die sexuelle Nötigung und die Vergewaltigung sind im 13. Abschnitt des StGB unter „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ geregelt. Die Taten sind allesamt in § 177 StGB normiert. Wie sich diese Strafbestände voneinander abgrenzen, welche Voraussetzungen sie erfordern und welche Strafen drohen können, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 16.12.2024

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Sexuelle Nötigung ist ein komplexes und emotional stark aufgeladenes Thema, das sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich große Bedeutung hat. Im deutschen Strafgesetzbuch (§ 177 StGB) sind die verschiedenen Formen von Übergriffen gegen die sexuelle Selbstbestimmung geregelt, darunter der sexuelle Übergriff, die sexuelle Nötigung und die Vergewaltigung. Mit der Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 2016 wurde der Grundsatz „Nein heißt Nein“ eingeführt, der die sexuelle Selbstbestimmung in den Mittelpunkt stellt.In diesem Artikel beleuchten wir die rechtlichen Grundlagen, die Unterschiede zwischen den einzelnen Delikten, die möglichen Strafen sowie wichtige Aspekte der Verteidigung in solchen Verfahren.


Sexuelle Nötigung: Ein Überblick

 

Definition nach § 177 StGB

 

Sexuelle Nötigung liegt vor, wenn eine Person durch Gewalt, Drohungen oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage zu sexuellen Handlungen gezwungen wird. Dieser Straftatbestand schützt die sexuelle Selbstbestimmung und ist eine Qualifikation des Grunddelikts „sexueller Übergriff“.

Wichtige Merkmale sind:

  1. Eine sexuelle Handlung: Jede Handlung mit eindeutig sexuellem Bezug.
  2. Zwangselemente: Der Täter wendet Gewalt an, droht oder nutzt eine schutzlose Lage aus.
  3. Fehlende Einwilligung: Das Opfer signalisiert durch Worte oder Verhalten, dass es die Handlung nicht will.

Die sexuelle Nötigung unterscheidet sich in ihrer Schwere von verwandten Delikten wie dem sexuellen Übergriff und der Vergewaltigung. Der Strafrahmen für sexuelle Nötigung reicht von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe.


Was ist ein sexueller Übergriff?

 

Mit der Reform des Sexualstrafrechts 2016 wurde der sexuelle Übergriff (§ 177 Abs. 1–4 StGB) als Grundtatbestand eingeführt. Er legt fest, dass jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen des Opfers strafbar ist, auch ohne den Einsatz von Gewalt.

 

Voraussetzungen eines sexuellen Übergriffs

 

  1. Sexuelle Handlung: Körperliche Berührungen mit Bezug zur Sexualität. Beispiele sind:
    • Küssen
    • Berühren der Brust, des Penis oder der Scheide
    • Geschlechtsverkehr (oral, vaginal, anal)
  2. Erkennbarer, entgegenstehender Wille: Das Opfer zeigt deutlich, dass es die Handlung nicht will. Dies kann verbal („Hör auf!“, „Nein!“) oder nonverbal (Wegstoßen, Weinen) geschehen.
  3. Ausnutzung besonderer Umstände: Der Täter nutzt Situationen wie Bewusstlosigkeit, Schlaf oder die Einnahme von K.O.-Tropfen aus.

Strafen für sexuellen Übergriff

 

Die Freiheitsstrafe für einen sexuellen Übergriff beträgt sechs Monate bis fünf Jahre. Geldstrafen sind ausgeschlossen.

 


Unterschied zwischen sexuellem Übergriff und sexueller Nötigung

 

Der wesentliche Unterschied liegt im Einsatz von Nötigungsmitteln:

  • Sexueller Übergriff: Keine Gewalt oder Drohungen nötig; die Missachtung des Willens des Opfers genügt.
  • Sexuelle Nötigung: Der Täter setzt Gewalt ein, droht oder nutzt eine schutzlose Lage aus.

Beispiel:

  • Sexueller Übergriff: Eine Person küsst eine andere gegen deren Willen.
  • Sexuelle Nötigung: Der Täter hält das Opfer fest, um es zum Küssen zu zwingen.

Was ist eine Vergewaltigung?

 

Die Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 StGB) ist eine besonders schwere Form der sexuellen Nötigung und liegt vor, wenn der Täter in den Körper des Opfers eindringt.

 

Merkmale einer Vergewaltigung

 

  1. Eindringen in den Körper: Dies kann vaginal, anal oder oral erfolgen. Es reicht bereits der Kontakt des Penis mit dem Scheidenvorhof. Auch das Eindringen mit Fingern oder Gegenständen fällt unter diesen Tatbestand.
  2. Besonders erniedrigende sexuelle Handlungen: Handlungen, die das Opfer massiv demütigen, gelten ebenfalls als Vergewaltigung.
  3. Zwangselemente: Gewalt, Drohungen oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage sind Voraussetzung.

Strafrahmen für Vergewaltigung

 

Die Vergewaltigung wird mit Freiheitsstrafen zwischen zwei und fünfzehn Jahren geahndet. Besonders schwere Fälle (§ 177 Abs. 7–8 StGB) sehen höhere Mindeststrafen von drei bis fünf Jahren vor.


Sexuelle Nötigung in besonderen Kontexten

 

Sexuelle Nötigung innerhalb der Ehe

 

Bis 1997 war sexuelle Gewalt in der Ehe nicht strafbar. Heute ist klar geregelt, dass auch Ehepartner das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung haben. Die besonderen Herausforderungen in solchen Fällen liegen in der Beweisführung, da meist Aussage gegen Aussage steht.

 

Sexuelle Nötigung am Arbeitsplatz

 

Am Arbeitsplatz entsteht häufig ein Machtgefälle, das Täter ausnutzen können. Typische Szenarien umfassen Drohungen wie den Verlust des Arbeitsplatzes oder die Verweigerung von Beförderungen. Die Strafbarkeit ergibt sich, wenn Zwangselemente vorliegen.

 

Sexuelle Nötigung und Minderjährige

 

Besondere Vorschriften gelten, wenn das Opfer minderjährig ist. Für Kinder unter 14 Jahren ist jede sexuelle Handlung strafbar, unabhängig vom Willen des Opfers. Bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren kommt es auf die spezifischen Umstände und das Machtgefälle an.


Beweissicherung und Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen

 

Beweismittel

 

In Fällen sexueller Nötigung stützen sich Gerichte auf:

  • Aussagen des Opfers
  • Medizinische Gutachten (z. B. Verletzungen)
  • Digitale Beweismittel (Chats, Videos)
  • Zeugenaussagen

 

Aussagepsychologische Gutachten

 

In Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen werden oft Gutachten hinzugezogen, um die Glaubwürdigkeit der Schilderungen zu prüfen. Diese sind entscheidend für den Ausgang des Verfahrens.


Strafverschärfende Umstände

 

In besonders schweren Fällen erhöhen sich die Strafen. Beispiele sind:

  • Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen
  • Schwere Misshandlungen des Opfers
  • Gemeinschaftliches Handeln mehrerer Täter

Falsche Beschuldigungen: Was tun?

 

Falsche Anschuldigungen sexueller Nötigung kommen vor und können gravierende Folgen für den Beschuldigten haben. Ein professioneller Anwalt hilft, die Verteidigung aufzubauen und entlastende Beweise zu sichern.

 

Wichtige Schritte bei falschen Vorwürfen

 

  1. Keine Aussagen ohne Anwalt.
  2. Beweismittel wie Nachrichten oder Videos sichern.
  3. Kontakte zum Ankläger vermeiden, um Missverständnisse zu vermeiden.

Das Sexualstrafrecht im Wandel: ‘Nein heißt Nein’

 

Die Reform des Sexualstrafrechts 2016 markiert einen Paradigmenwechsel. Der Grundsatz „Nein heißt Nein“ legt fest, dass jede sexuelle Handlung ohne Einwilligung strafbar ist. Vorher war häufig der Nachweis von Gewalt oder Zwang nötig.


Fazit

 

Sexuelle Nötigung, Übergriffe und Vergewaltigungen gehören zu den schwerwiegendsten Vorwürfen im Strafrecht. Für Beschuldigte ist es entscheidend, ihre Rechte frühzeitig zu wahren und eine erfahrene Verteidigung zu engagieren. Der Ausgang eines Verfahrens hängt oft von der Beweislage, der Glaubwürdigkeit der Aussagen und der Verteidigungsstrategie ab.


Häufig gestellte Fragen (FAQs)

 

1. Was ist der Unterschied zwischen sexueller Nötigung und Vergewaltigung?
Vergewaltigung erfordert ein Eindringen in den Körper, sexuelle Nötigung hingegen nicht.

2. Ist sexuelle Nötigung in der Ehe strafbar?
Ja, seit 1997 ist auch sexuelle Gewalt in der Ehe strafbar.

3. Wie lange ist sexuelle Nötigung strafbar?
Die Verjährungsfrist beträgt in der Regel zehn Jahre.

4. Was tun bei falschen Vorwürfen?
Frühzeitig Beweise sichern und anwaltliche Unterstützung suchen.

5. Welche Strafe droht bei einem sexuellen Übergriff?
Die Freiheitsstrafe beträgt sechs Monate bis fünf Jahre.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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