Erpressung
Wird ein Mensch zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gezwungen, so kann sich der Täter wegen einer Erpressung nach § 253 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar machen. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, wie sich die „einfache“ von der räuberischen Erpressung abgrenzt und welche Strafen drohen, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Was versteht man unter Erpressung nach § 253 StGB?
Die strafrechtliche Erpressung gehört zu den sogenannten Vermögensdelikten, ist jedoch weit mehr als ein Angriff auf das Eigentum. Sie ist ein komplexes Zusammenspiel aus Drohung, psychischer Gewalt und wirtschaftlicher Schädigung. Laut § 253 StGB macht sich strafbar, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wodurch ein Vermögensnachteil entsteht – mit dem Ziel, sich oder einem Dritten rechtswidrig zu bereichern.
Diese Definition umfasst also gleich mehrere Schutzgüter: Neben dem Vermögen sind auch die persönliche Freiheit und die Entscheidungsautonomie des Betroffenen betroffen. Daher wird Erpressung sowohl als Vermögens- als auch als Selbstbestimmungsdelikt eingestuft.
Ein typisches Beispiel aus der Praxis: Ein ehemaliger Partner droht mit der Veröffentlichung intimer Fotos, wenn die andere Person kein Geld überweist. Hier handelt es sich um digitale Erpressung mit eindeutigem Bereicherungswillen.
Tatbestandsmerkmale der Erpressung
Das Tatobjekt: Wer kann Opfer einer Erpressung sein?
Erpressung setzt voraus, dass sich die Tat gegen eine natürliche Person richtet – also gegen einen Menschen mit freiem Willen. Das Opfer muss fähig sein, eine Handlung vorzunehmen, zu dulden oder zu unterlassen, und dabei in der Lage sein, einen wirtschaftlichen Schaden herbeizuführen.
Juristisch interessant wird es im Dreieck: Was, wenn das Opfer der Drohung gar keinen wirtschaftlichen Verlust erleidet, sondern eine dritte Person? Dies ist der Fall bei der sogenannten Dreieckserpressung – beispielsweise, wenn ein Angestellter gezwungen wird, Gelder aus der Kasse seines Arbeitgebers zu entnehmen.
Tathandlung: Nötigung durch Gewalt oder Drohung
Zentraler Punkt ist das „Nötigen“, das entweder durch Gewalt oder durch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel erfolgen muss:
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Gewalt: Jede körperliche Kraftentfaltung, die auf das Opfer einwirkt, um dessen Willensbildung zu beeinflussen. Dies kann die Zerstörung von Gegenständen, das Anfassen oder Schubsen bis hin zu Schlägen umfassen.
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Drohung: Die Ankündigung eines zukünftigen Nachteils, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss zu haben vorgibt. Wichtig: Die Drohung muss ernst gemeint und geeignet sein, das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinflussen.
Praxisbeispiel: Der Täter droht, ein privates Video an den Arbeitgeber des Opfers zu senden, sollte kein Geld gezahlt werden. Dies ist ein klassischer Fall digitaler Erpressung.
Der Nötigungserfolg: Handeln, Dulden oder Unterlassen
Die Nötigung muss auch erfolgreich sein: Das Opfer muss sich tatsächlich dazu veranlasst fühlen, etwas zu tun, zu dulden oder zu unterlassen, was es ohne die Nötigung nicht getan hätte. Nur dann liegt ein tatbestandlicher „Erfolg“ vor.
Vermögensschaden als zwingende Voraussetzung
Ein weiterer Kernpunkt: Es muss ein Vermögensnachteil eintreten – objektiv messbar. Subjektives Gefühl der Schädigung reicht nicht. Der Schaden kann durch:
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Geldabflüsse (Zahlung von Erpressungsgeld)
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Vertragsabschlüsse zu ungünstigen Bedingungen
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oder durch Entwertung von Vermögenspositionen entstehen.
Wichtig: Auch der Versuch der Schädigung genügt, wenn bereits ein tatsächliches Handeln des Täters vorliegt.
Subjektive Tatseite: Vorsatz und Bereicherungsabsicht
Der Eventualvorsatz
Es genügt, wenn der Täter die Tatmerkmale für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt. Dies ist in der Praxis häufig Streitpunkt, wenn etwa behauptet wird, es habe sich nur um einen „Scherz“ oder eine „emotionale Reaktion“ gehandelt.
Bereicherungsabsicht
Ein unverzichtbares Merkmal ist die rechtswidrige Bereicherungsabsicht. Diese liegt nicht vor, wenn der Täter lediglich einen tatsächlichen Anspruch (z. B. Lohnforderung) durchsetzen will – sofern dies mit legalen Mitteln geschieht. Wird aber beispielsweise mit einer Anzeige gedroht, um eine Forderung durchzusetzen, kann dies dennoch als Erpressung gewertet werden, wenn das Mittel nicht zum Zweck passt.
Die Verwerflichkeitsklausel des § 253 Abs. 2 StGB
Die sogenannte Verwerflichkeitsklausel ist ein weiteres Kriterium: Selbst wenn Gewalt oder Drohung vorliegen, ist die Tat nur dann strafbar, wenn diese Mittel im konkreten Fall als verwerflich gelten.
Verwerflichkeit des Mittels
Das Mittel ist verwerflich, wenn es selbst eine strafbare Handlung darstellt – etwa die Androhung einer Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Rufschädigung.
Verwerflichkeit des Zwecks
Auch der angestrebte Zweck kann verwerflich sein – zum Beispiel, wenn der Täter vom Opfer verlangt, einen Diebstahl zu begehen oder gegen eigene Überzeugungen zu handeln.
Zweck-Mittel-Relation
Selbst scheinbar „legitime“ Zwecke oder Mittel können im Zusammenspiel verwerflich sein – etwa wenn ein Gläubiger mit der Anzeige eines Bagatelldelikts droht, um einen überzogenen Geldbetrag einzufordern.
Versuch der Erpressung: Strafbarkeit beginnt früh
Schon der Versuch der Erpressung ist nach § 253 Abs. 3 StGB strafbar. Dabei genügt bereits das unmittelbare Ansetzen zur Tat – also die Überschreitung der Schwelle vom bloßen Plan zur Umsetzung.
Beispiel: Ein Täter schreibt eine Nachricht mit einer Drohung, schickt sie aber noch nicht ab – dies kann bereits als Versuch gewertet werden, wenn alle weiteren Bedingungen erfüllt sind.
Für die Verteidigung gilt: Hier besteht großes Potenzial, durch geschickte Argumentation eine Strafbarkeit zu vermeiden – etwa durch Abgrenzung zur bloßen Vorbereitungshandlung.
Räuberische Erpressung nach § 255 StGB
Die räuberische Erpressung stellt eine Qualifikationstat dar: Sie liegt dann vor, wenn der Täter bei der Erpressung Gewalt gegen eine Person ausübt oder mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht.
Wichtig ist der Unterschied zur „einfachen“ Erpressung: Während bei dieser die psychische Beeinflussung im Vordergrund steht, rückt bei der räuberischen Erpressung die physische Bedrohung in den Fokus.
Strafe: Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, keine Geldstrafe möglich.
Verteidigungsstrategie: In vielen Fällen wird vorschnell von räuberischer Erpressung ausgegangen, obwohl nur eine einfache Drohung vorlag. Hier kann eine präzise juristische Analyse den Unterschied machen.
Besonders schwerer Fall der Erpressung (§ 253 Abs. 4 StGB)
Ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn der Täter:
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gewerbsmäßig handelt,
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eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug verwendet,
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als Mitglied einer Bande agiert oder
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das Opfer in eine besonders erniedrigende Lage bringt.
Im Fokus steht meist die Gewerbsmäßigkeit – etwa bei Serienerpressungen über Messenger-Dienste oder im Rahmen organisierter digitaler Kriminalität.
Praxisproblem: Die Staatsanwaltschaft unterstellt oft voreilig Gewerbsmäßigkeit bei mehr als einem Vorfall. Hier muss genau geprüft werden, ob wirklich eine Wiederholungsabsicht mit Gewinnorientierung bestand.
Strafverfolgung: Offizialdelikt – keine Anzeige nötig
Erpressung ist ein Offizialdelikt. Das bedeutet: Die Strafverfolgungsbehörden müssen tätig werden, sobald sie Kenntnis von der Tat erlangen – unabhängig davon, ob das Opfer einen Antrag stellt oder nicht.
Für Beschuldigte bedeutet das: Selbst wenn sich das Opfer umentscheidet oder „zurückziehen“ will, läuft das Verfahren weiter – und kann nur durch eine fundierte Verteidigung gestoppt oder beeinflusst werden.
Verteidigungsstrategien im Erpressungsverfahren
Ein erfahrener Strafverteidiger hat verschiedene Ansatzpunkte:
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Fehlender Vorsatz: War dem Beschuldigten bewusst, dass er sich strafbar macht?
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Keine Verwerflichkeit: Wurde ein legitimes Anliegen lediglich missverständlich oder emotional vorgetragen?
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Kein Vermögensschaden: Ist der behauptete Schaden objektiv messbar?
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Aussage gegen Aussage: Gibt es objektive Beweise oder beruht alles auf einer subjektiven Darstellung?
Tipp: In vielen Fällen lohnt sich frühzeitige anwaltliche Beratung – idealerweise noch vor der ersten polizeilichen Vernehmung.
Besondere Fallgruppen aus der Praxis
Dreieckserpressung
Ein Klassiker: Das Opfer der Drohung ist nicht identisch mit der wirtschaftlich geschädigten Person. Etwa wenn ein Mitarbeiter unter Druck gesetzt wird, Gelder seines Unternehmens abzuführen. Voraussetzung ist ein Näheverhältnis zwischen Opfer und Geschädigtem.
Sexuelle oder digitale Erpressung („Sexortion“)
In Zeiten sozialer Medien und Dating-Apps häufen sich Fälle, in denen intime Bilder oder Chats zur Erpressung verwendet werden. Täter drohen mit Veröffentlichung, wenn das Opfer nicht zahlt. Solche Fälle sind schwer zu beweisen – gleichzeitig steigt die Zahl von Falschbeschuldigungen.
Emotionale Erpressung
Nicht jede Form der Beeinflussung ist strafbar: Wenn etwa ein Elternteil mit dem Entzug des Kontakts zu den Kindern droht, um eine Trennung zu verhindern, liegt nicht zwangsläufig Erpressung vor – vor allem nicht, wenn kein wirtschaftlicher Vorteil im Raum steht.
Hier kann allenfalls eine Nötigung nach § 240 StGB vorliegen – aber selbst diese ist nicht immer strafbar, wenn keine Verwerflichkeit vorliegt.
Häufige Fehler im Ermittlungsverfahren
Die Ermittlungsbehörden unterliegen häufig folgenden Irrtümern:
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Gleichsetzung von „emotionalem Druck“ mit strafbarer Drohung
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Überschätzung der Beweiskraft digitaler Kommunikation ohne Kontext
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Annahme eines Vermögensschadens ohne konkrete Berechnung
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voreilige Bewertung als räuberische oder gewerbsmäßige Erpressung
Ein kompetenter Verteidiger kann hier entscheidend eingreifen – durch Stellungnahmen, Beweisanträge oder Gutachten.
Fazit: Strafverteidigung bei Erpressung – jetzt handeln
Erpressungsvorwürfe sind schwerwiegend – aber nicht jede Anschuldigung hält einer juristischen Überprüfung stand. Oft stehen Aussage gegen Aussage, die Beweislage ist dünn oder das subjektive Tatmerkmal fehlt.
Je früher ein Strafverteidiger eingeschaltet wird, desto größer sind die Chancen auf eine Einstellung oder mildere Strafe. Schweigen Sie gegenüber den Ermittlungsbehörden und lassen Sie Ihre Rechte professionell vertreten – Ihr Ruf, Ihre Freiheit und Ihre Existenz können davon abhängen.
FAQ zur Erpressung nach § 253 StGB
Was ist der Unterschied zwischen Erpressung und Nötigung?
Erpressung erfordert einen Vermögensschaden und eine Bereicherungsabsicht. Nötigung hingegen kann auch ohne wirtschaftliche Komponente strafbar sein.
Wann liegt eine räuberische Erpressung vor?
Wenn der Täter bei der Erpressung körperliche Gewalt gegen eine Person ausübt oder mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben droht.
Ist emotionale Erpressung strafbar?
In der Regel nicht, sofern kein Vermögensnachteil entsteht. Juristisch könnte allenfalls eine Nötigung nach § 240 StGB infrage kommen.
Wie kann man sich gegen den Vorwurf der Erpressung verteidigen?
Durch Bestreiten der Verwerflichkeit, Widerlegung des Vorsatzes oder Infragestellen des Vermögensschadens – am besten mit Unterstützung eines spezialisierten Strafverteidigers.
Welche Strafe droht bei einer Verurteilung wegen Erpressung?
Bei einfacher Erpressung: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Bei besonders schwerem Fall oder räuberischer Erpressung: mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe.