Sexuelle Belästigung

Ob im Club, auf dem Heimweg oder gar am Arbeitsplatz – in vielen Situation kommt es zu sexueller Belästigung. Diese ist gem. § 184i StGB seit 2016 strafbar. Was genau darunter zu verstehen ist, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welche Strafen drohen können, erfahren Sie im folgenden Beitrag. 

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 10.12.2024

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Sexuelle Belästigung ist ein sensibles und vielschichtiges Thema, das sowohl juristische als auch gesellschaftliche Dimensionen berührt. Der § 184i StGB, eingeführt im Rahmen der Strafrechtsreform 2016, schließt eine Lücke im Strafrecht und definiert klare Grenzen für unerwünschte sexuelle Handlungen. In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf die Definition, rechtliche Konsequenzen, Präventionsmöglichkeiten und Verteidigungsstrategien bei Vorwürfen sexueller Belästigung.


Was ist sexuelle Belästigung?

 

Definition und rechtlicher Rahmen

 

Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn eine Person das Opfer gegen dessen Willen vorsätzlich körperlich berührt und dadurch eine sexuell herabwürdigende Situation schafft. Der § 184i StGB dient dazu, Verhaltensweisen zu bestrafen, die die Schwelle zu schwereren Sexualdelikten wie der sexuellen Nötigung (§ 177 StGB) nicht überschreiten.

 

Unterschied zwischen sexueller Belästigung und Nötigung

 

Der zentrale Unterschied zur sexuellen Nötigung liegt in der Anwendung von Gewalt oder Drohung. Während § 177 StGB einen Zwang erfordert, reicht bei sexueller Belästigung bereits eine unerwünschte, sexuell bestimmte Berührung aus.


Wann ist eine sexuelle Belästigung strafbar?

 

Tatbestandsmerkmale

 

  • Tatsubjekt: Täter oder Opfer kann jede Person sein.
  • Tathandlung: Erforderlich ist eine körperliche Berührung sexueller Natur, die das Opfer belästigt.
    • Beispiele für strafbare Handlungen:
      • Berühren von Brust oder Gesäß
      • Griff zwischen die Beine
      • Küsse auf den Hals oder Mund
      • Antanzen mit sexueller Intention
    • Nicht strafbar: Verbale Übergriffe oder Gesten fallen nicht unter § 184i StGB. Sie können jedoch den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) erfüllen.
  • Subjektive Wahrnehmung des Opfers: Das Opfer muss sich durch die Handlung nicht unerheblich in seiner Würde beeinträchtigt fühlen.

 

Besonderheiten der Strafbarkeit

 

Der Straftatbestand der sexuellen Belästigung ist ein sogenanntes relatives Antragsdelikt. Das bedeutet, dass in der Regel ein Strafantrag des Opfers erforderlich ist. Die Staatsanwaltschaft kann jedoch auch ohne Antrag ermitteln, wenn ein besonderes öffentliches Interesse besteht.

 

Versuch der sexuellen Belästigung

 

Ein Versuch ist nicht strafbar, da § 184i StGB dies nicht vorsieht.


Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

 

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist weit verbreitet. Die Fallgestaltungen reichen von vermeintlich harmlosen Kommentaren bis zu direkten Berührungen.

 

Typische Szenarien

 

  • Unangemessene Bemerkungen über das Aussehen oder die Kleidung
  • „Zufällige“ Berührungen in der Nähe von sensiblen Körperregionen
  • Anzügliche Nachrichten oder Fotos per E-Mail oder Messenger

 

Handlungsmöglichkeiten für Betroffene

 

  • Dokumentation: Notieren Sie Datum, Uhrzeit, Ort und genaue Beschreibung des Vorfalls.
  • Meldung: Informieren Sie die Personalabteilung, den Betriebsrat oder die Antidiskriminierungsstelle.
  • Rechtsweg: Erstatten Sie Anzeige und beantragen Sie ein arbeitsrechtliches Verfahren gegen den Täter.

 

Rechtliche und arbeitsrechtliche Konsequenzen

 

  • Strafrechtlich droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.
  • Arbeitsrechtlich können eine Abmahnung oder fristlose Kündigung folgen.

 


Sexuelle Belästigung in der Pflege und im Bildungssektor

 

Pflege

 

Im Pflegebereich können sowohl Pfleger als auch Patienten Täter oder Opfer sein. Oft führen enge körperliche Kontakte und Abhängigkeiten zu problematischen Situationen.

 

Bildungssektor

 

Lehrer und Dozenten stehen in einer Machtposition, die sie ausnutzen können. Besonders problematisch ist dies bei minderjährigen Schülerinnen und Schülern. Hier greift häufig der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener (§ 174 StGB).


Sexuelle Belästigung an öffentlichen Orten

 

Oktoberfest und Karneval

 

Großveranstaltungen bieten oft eine Umgebung, in der Täter anonym agieren können. Alkohol und die gelöste Stimmung begünstigen Übergriffe.

Freibad und Sauna

 

Diese Orte sind durch die Nähe der Menschen und den lockeren Umgang mit Kleidung besonders anfällig für Belästigungen. Klare Regeln und Überwachung können helfen, Übergriffe zu vermeiden.


Kommunikation und sexuelle Belästigung

 

Verbal

 

Anzügliche Bemerkungen oder obszöne Gesten sind nicht automatisch strafbar. Entscheidend ist, ob die Äußerungen objektiv geeignet sind, die Würde des Opfers zu verletzen.

 

Digitale Belästigung

 

Sexuelle Belästigung tritt vermehrt in Chats oder sozialen Netzwerken auf. Beispiele sind unerwünschte Nachrichten oder das Versenden anzüglicher Bilder.


Besondere Situationen: Minderjährige und die „10-Sekunden-Regel“

 

Schutz von Minderjährigen

 

Minderjährige genießen besonderen gesetzlichen Schutz. Jede sexuelle Belästigung gegenüber Kindern oder Jugendlichen wird strenger bestraft.

 

Mythos „10-Sekunden-Regel“

 

Der Glaube, dass Berührungen unter 10 Sekunden nicht strafbar seien, ist falsch. Jede unerwünschte Berührung kann strafrechtliche Konsequenzen haben.


Rechtliche Konsequenzen und Verjährung

 

Strafen für Täter

 

Sexuelle Belästigung wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet. Bei besonders schweren Fällen droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren (§ 184i Abs. 2 StGB).

 

Verjährung

 

Die Verjährungsfrist beträgt in der Regel drei Jahre, kann jedoch unter bestimmten Umständen verlängert werden.


Aussage gegen Aussage: Wie Gerichte solche Fälle bewerten

 

Beweislage

 

In vielen Fällen steht Aussage gegen Aussage. Gerichte prüfen daher:

  • Glaubwürdigkeit der Beteiligten
  • Widersprüche in den Aussagen
  • Vorhandene Beweise wie Chats oder Videoaufnahmen

Prominente Fälle von sexueller Belästigung

 

Apored

 

Der Fall des YouTubers Apored zeigt, wie schnell Vorwürfe im digitalen Raum öffentlich werden können.

 

Thomas Gottschalk

 

Solche Fälle lösen oft hitzige gesellschaftliche Diskussionen aus und werfen Fragen nach den Grenzen sexueller Belästigung auf.


Prävention und Aufklärung

 

Prävention in Unternehmen

 

Regelmäßige Schulungen, klare Verhaltenskodizes und anonyme Beschwerdeverfahren sind effektive Maßnahmen zur Prävention.

 

Aufklärungskampagnen

 

Initiativen wie #MeToo haben die Sensibilität für das Thema gesteigert und wichtige gesellschaftliche Diskussionen angestoßen.


Verteidigungsstrategien bei Vorwürfen sexueller Belästigung

 

Rechtliche Unterstützung

 

Ein erfahrener Strafverteidiger hilft, Vorwürfe zu entkräften und Beweise zugunsten des Beschuldigten zu sichern.

 

Mögliche Strategien

 

  • Anfechten der Glaubwürdigkeit des Opfers
  • Präsentation von Alibis und Gegenbeweisen
  • Aufzeigen von Widersprüchen in den Aussagen der Gegenseite

 


Schlusswort

 

Sexuelle Belästigung ist ein vielschichtiges Thema, das alle Beteiligten betrifft. Während Betroffene Unterstützung und rechtlichen Schutz benötigen, ist es für Beschuldigte entscheidend, ihre Rechte zu kennen und sich kompetent beraten zu lassen. Prävention und Aufklärung bleiben die zentralen Ansätze, um sexuelle Belästigung nachhaltig zu bekämpfen.


FAQs

 

Was ist der Unterschied zwischen sexueller Belästigung und Nötigung?
Sexuelle Nötigung umfasst Gewalt oder Drohung, während Belästigung ohne physische Gewalt erfolgen kann.

Welche Strafe droht bei sexueller Belästigung?
Es drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren, in schweren Fällen bis zu fünf Jahren.

Wie kann ich mich gegen falsche Anschuldigungen verteidigen?
Ein Anwalt kann Beweise sichern und die Glaubwürdigkeit der Gegenseite anfechten.

Wann verjährt sexuelle Belästigung?
Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, kann aber in Ausnahmefällen verlängert werden.

Was tun, wenn ich am Arbeitsplatz belästigt werde?
Dokumentiere den Vorfall, wende dich an den Arbeitgeber und ziehe rechtliche Schritte in Betracht.

 

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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