Die Irrtümer im Strafrecht

Jeder Mensch kann sich irren. Aber was passiert, wenn man sich in einer Situation irrt, bei der eine Straftat verwirklicht wird? Welche Irrtümer das Gesetz kennt und wie sie sich auf die Strafbarkeit einer Tat auswirken, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

Themen auf dieser Seite

    Das sagt das Gesetz:

Was ist ein „Irrtum“? 

(Rechts-)Irrtümer beziehen sich auf eine Situation, in der eine Person (Täter) aufgrund einer falschen Annahme über die Rechtslage bzw. über die Situation selbst irrt und daraufhin handelt. 

Welche Arten von Irrtümern gibt es? 

Das Strafrecht unterscheidet viele verschiedene Irrtümer. Sie können auf verschiedenen Ursachen beruhen, darunter die Unkenntnis des Täters über die Rechtslage oder die falsche Auslegung einer bestimmten Situation. Außerdem sind die Rechtsfolgen, also die Konsequenzen der jeweiligen Irrtümer unterschiedlich. 

Die Irrtümer im Strafrecht

Tatbestandsirrtum, § 16 StGB 

Ein Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 StGB ist ein Irrtum über Umstände, die den gesetzlichen Tatbestand betreffen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Täter denkt, dass das Opfer schon tot sei, obwohl es nur bewusstlos ist. Der Täter irrt also über Umstände, die das Opfer betreffen. Liegt ein solcher Irrtum vor, so handelt der Täter ohne Vorsatz. Dann kann der Täter wegen der Tat nur noch aus Fahrlässigkeit bestraft werden, wenn eine fahrlässige Begehung durch das Gesetz als strafbar angesehen wird. 

Irrtum über den Kausalverlauf 

Ein Irrtum über den Kausalverlauf im Sinne des § 16 StGB liegt vor, wenn sich der Täter über die Art und Weise der Durchführung seiner Tat irrt. Dabei muss die Abweichung seiner Vorstellung von der Realität erheblich sein. Ein Irrtum über den Kausalverlauf der Tat liegt beispielsweise vor, wenn der Täter denkt, dass er sein Opfer durch einen Schlag mit einer Waffe tötet, aber das Opfer dann vorher durch einen (versehentlich) ausgelösten Schuss während des Schlagens tötet. Nur bei einer wesentlichen Kausalabweichung ist ein Irrtum beachtlich und der Vorsatz entfällt. Im besagten Beispiel wäre die Abweichung des Tötungsablaufs – also der Irrtum – unbeachtlich, weil es nicht ungewöhnlich ist, dass sich ein Schuss aus einer geladenen Waffe löst. 

Error in persona vel objecto 

Ein “error in persona vel objecto” (sog. “Objektverwechselung“) beschreibt eine Situation, in der der Täter das Zielobjekt anvisiert und trifft, aber eigentlich ein anderes Objekt treffen wollte. Das anvisierte und getroffene Objekt ist also nicht das eigentlich Gewollte. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Täter das Opfer A erschießen will, denkt dass die Person B der A wäre, und gezielt und gewollt auf das Opfer B schießt, obwohl er Person A treffen wollte. Ob ein solcher Irrtum des Täters beachtlich ist, richtet sich danach, ob die „Objekte“ gleichwertig sind. Wird wie hier das Leben des A mit dem Leben des B verwechselt, so ist der Irrtum unbeachtlich. Der Täter macht sich hinsichtlich der Tötung des B strafbar, obwohl er eigentlich den A töten wollte. 

Aberratio ictus 

Der „aberratio ictus“ (sog. „Fehlgehen der Tat“) beschreibt die Situation, in der der Täter das Opfer anvisiert, aber ein anderes versehentlich trifft. Das anvisierte und gewollte Objekt ist also nicht das Getroffene. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Täter das Opfer A erschießen will, aber doch (versehentlich) das Opfer B trifft. Dabei gilt, dass der Täter hinsichtlich des Gewollten vorsätzlich und hinsichtlich des Getroffenen fahrlässig gehandelt hat. 

Verbotsirrtum, § 17 StGB 

Der Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB ist ein Irrtum des Täters über das Verbot einer Tat. Der Täter kennt dabei eine Verbots- oder Gebotsnorm nicht. Nur bei Unvermeidbarkeit dieses Irrtums handelt der Täter ohne Schuld, sodass die Tat nicht strafbar wäre. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Täter denkt, dass das Töten einer anderen Person erlaubt wäre. Da dieser Irrtum jedoch vermeidbar wäre, indem der Täter beispielsweise rechtlichen Rat einholt, ist der Irrtum unbeachtlich; die Tat ist also strafbar. 

Entschuldigungsirrtum 

Der Entschuldigungsirrtum ist ein Irrtum des Täters über einen anerkannten Entschuldigungsgrund. Der Täter nimmt einen Entschuldigungsgrund an, den die Rechtsordnung nicht kennt. Er glaubt also, er handele richtig bzw. rechtmäßig. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Täter denkt, er dürfe ein Mensch töten, um sein Eigentum zu schützen. Ein solcher Irrtum ist unbeachtlich. Der Täter macht sich strafbar. 

Erlaubnisirrtum 

Der Erlaubnisirrtum ist ein Irrtum des Täters über einen anerkannten Rechtfertigungsgrund. Der Täter nimmt einen Rechtfertigungsgrund an, den die Rechtsordnung nicht kennt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Täter denkt, er handelt aus Notwehr, obwohl hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Nur bei Unvermeidbarkeit handelt der Täter ohne Schuld. 

Die Irrtümer im Strafrecht

Erlaubnistatbestandsirrtum

Der Erlaubnistatbestandsirrtum ist ein Irrtum des Täters über einen Umstand der Tat. Wenn dieser Umstand tatsächlich vorliegen würde, so müssten die Voraussetzungen eines anerkannten Rechtsfertigungsgrundes erfüllt sein. Nach den Vorstellungen des Täters müsste also ein tatsächlicher Rechtfertigungsgrund beispielsweise nach § 32 StGB (Notwehr) oder § 34 StGB (Notstand) vorliegen. Liegt ein solcher Irrtum vor, dann handelt der Täter ohne Schuld.

Entschuldigungstatbestandsirrtum

Der Entschuldigungstatbestandsirrtum ist ein Irrtum des Täters über einen Umstand der Tat. Wenn dieser Umstand tatsächlich vorliegen würde, so müssten die Voraussetzungen eines anerkannten Entschuldigungsgrundes erfüllt sein. Nach den Vorstellungen des Täters müsste also ein tatsächlicher Entschuldigungsgrund beispielsweise nach § 35 StGB (entschuldigender Notstand) vorliegen. Liegt ein solcher Irrtum vor, dann handelt der Täter bei Unvermeidbarkeit ohne Schuld. 

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