Was ist eine Berufung im Strafrecht?
Bei der Berufung (§ 312 ff. StPO) handelt es sich um ein Rechtsmittel im Strafverfahren gegen Urteile des Amtsgerichts, also gegen Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichts. Eine Berufung ist auch gegen Urteile im Jugendstrafrecht möglich. Sie kann sowohl vom Angeklagten als auch von der Staatsanwaltschaft und in einigen Fällen von der Nebenklage eingelegt werden.
Die Berufung hat zur Folge, dass das Strafverfahren neu vor dem Landgericht aufgerollt wird. Im Gegensatz zur Revision wird hier nicht nur die rechtliche Bewertung geprüft, sondern der gesamte Sachverhalt kann erneut vorgetragen werden. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere in den §§ 312 ff. StPO.
Während eine Revision vor allem rechtliche Fragen behandelt, eröffnet die Berufung die Möglichkeit, neue Beweise vorzulegen oder neue Zeugen zu benennen. Es findet eine neue Beweisaufnahme statt, sämtliche Zeugen werden erneut vernommen. Das Landgericht spricht am Ende der Berufungsverhandlung eine eigene Entscheidung, die in jede Richtung vom Urteil des Amtsgerichts abweichen kann. Daraus ergibt sich, dass die Berufung nicht nur Chancen, sondern auch Risiken birgt, die zusammen mit einem Anwalt abgewogen werden wollen.
Die wesentliche Wirkung des Rechtsmittels der Berufung ist die Hemmung der Rechtskraft. Dies bedeutet, dass eine vom Amtsgericht verhängte Geld- oder Freiheitsstrafe nicht vollstreckt werden kann. Allerdings muss die Berufung klar von der Revision unterschieden werden.
Für Angeklagte bedeutet die Berufung die Chance auf eine Neubewertung des Falls – eine zweite Gelegenheit, um Fehler oder Ungerechtigkeiten aus der ersten Verhandlung zu korrigieren. Doch wie funktioniert die Berufung genau, und welche Erfolgsaussichten bestehen?
Form und Frist der Berufung
Die Einlegung einer zulässigen Berufung ist an die Form- und Fristvorschriften des § 314 Strafprozessordnung (StPO) gebunden.
Form der Berufung
Das Rechtsmittel der Berufung muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden. Möglich ist daher, dass die Berufung per Brief, per Fax oder durch eine persönliche Vorsprache auf der Geschäftsstelle des Gerichts Berufung eingelegt wird.
Die Berufung muss an das Gericht, welches das Urteil verkündet hat, gerichtet sein – also das Amtsgericht, bei dem die Hauptverhandlung stattgefunden hat. Das Schreiben muss nicht zwingend mit dem Wort „Berufung“ betitelt werden. Ausreichend ist, dass klar wird, dass das Urteil des Gerichts angefochten werden soll. Im Zweifel wird das Gericht von einer gewollten Berufung ausgehen.
Damit eine Zuordnung zum Verfahren möglich ist, sollte auf der Berufungsschrift das Aktenzeichen sowie der Name des Angeklagten mitgeteilt werden. Eine Unterschrift ist nicht zwingend erforderlich, aber anzuraten. Eine Rechtsmitteleinlegung per Telefon ist nicht möglich.
Wird die Berufung über einen Rechtsanwalt eingelegt, ist dieser verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr (“besonderes elektronisches Anwaltspostfach”, beA) zu verwenden.
Muster einer Berufung
An das
Amtsgericht Musterstadt
In dem Verfahren
Max Mustermann
Az. 1 Ds 234 Js 5678/24lege ich gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung ein.
Unterschrift
Frist der Berufung
Die Berufung muss binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils eingelegt werden.
Für eine rechtzeitige Einlegung ist der Zugang bei Gericht entscheidend. Sofern die Berufung per Post eingelegt wird, sind die Postlaufzeiten zwingend zu beachten. Entscheidend ist der Eingang bei Gericht und nicht die Aufgabe bei der Post. Um den rechtzeitigen Zugang ggf. nachweisen zu können, empfiehlt sich die Einlegung per Fax, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder per Einwurf-Einschrieben.
Frist der Berufung verpasst? Was nun?
Wird die Frist der Berufung verpasst, wird das Urteil rechtskräftig.
Es kann dann nur noch – in engen Grenzen und engen Ausnahmefällen – die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden. In diesen Fällen müsste nachgewiesen werden, dass die Frist schuldlos versäumt worden ist. Binnen einer Woche nach Erkennen, dass die Frist versäumt wurde, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen. Der Antrag muss begründet werden. Gleichzeitig ist die versäumte Handlung, also die Einlegung der Berufung, nachzuholen. Aufgrund der schwerwiegenden Folgen, die ein falscher oder unzureichender Wiedereinsetzungsantrag zur Folge hat, sollte dieser nie ohne Unterstützung eines Strafverteidigers gestellt werden.
Mehr über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Ablauf des Berufungsverfahrens
Der Ablauf des Berufungsverfahrens folgt einem strengen, von der Strafprozessordnung (StPO) vorgegebenen Gang.
Abgabe an das Landgericht
Wurde die Berufung form- und fristgerecht eingelegt, werden die Akten an das zuständige Landgericht weitergereicht. Dort findet die Berufungshauptverhandlung statt.
Das Berufungsgericht – die „kleine Strafkammer am Landgericht“ – ist mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt.
Begründung der Berufung
Die Berufung selbst muss – im Unterschied zur Revision – nicht begründet werden.
Gleichwohl bietet sich eine Begründung häufig an, um dem Berufungsgericht mitzuteilen, gegen welche Punkte sich die Berufung richtet, und um auf rechtliche oder tatsächliche Probleme hinzuweisen. Dabei kann die Berufung auch auf einzelne Punkte beschränkt werden.
Berufungshauptverhandlung
Ein Wesensmerkmal der Berufung ist, dass das Landgericht nicht an die Feststellungen der ersten Instanz gebunden ist. Es wird daher in der Regel die Beweisaufnahme vollständig wiederholt. Dies bedeutet, dass in der Berufungshauptverhandlung noch einmal alle Zeugen vernommen, alle Fotos angeschaut, Sachverständige gehört und Urkunden verlesen werden.
Da es sich um eine neue Tatsacheninstanz handelt, besteht die Möglichkeit, dass neue Beweismittel (neue Zeugen, neue Schriftstücke etc.) in das Verfahren eingeführt werden können.
Für den Verurteilten besteht die Chance, dass im Berufungsverfahren die Argumentation des Amtsgerichts bekannt ist. Mit diesem Wissen kann daher entschieden werden, ob bspw. ein Sachverständigengutachten beantragt wird oder ob sich ein schweigender Angeklagter nun doch zur Sache einlässt. Ebenso können Zeugen gezielt(er) befragt werden oder neue Zeugen vorgeladen werden.
Das Gericht trifft nach der Hauptverhandlung eine eigene Entscheidung, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht von der Entscheidung des Amtsgerichts abweichen kann.
Rechtsmittel nach einer Berufung: Revision
Bei der Berufung handelt es sich zwar um eine neue Tatsacheninstanz, gleichzeitig aber um die letzte. Eine weitere Berufung ist nicht möglich. Somit ist die Antwort auf die Frage, wie oft man in Berufung gehen kann: Ein einziges Mal!
Berufungsurteile können nur noch mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden. Dies ist das letzte Rechtsmittel gegen ein Urteil.
Was ist der Unterschied zwischen Berufung und Revision?
Bei der Berufung handelt es sich um eine neue Tatsacheninstanz mit einer Hauptverhandlung vor Gericht. Es erfolgt eine neue Beweisaufnahme.
Dagegen prüft das Revisionsgericht bei einer Revision das strafrechtliche Urteil allein auf Rechtsfehler. Es findet keine erneute Beweisaufnahme statt. Die Ergebnisse zum Sachverhalt werden in der Revision nicht überprüft.
Risiken und Chancen der Berufung
Legt allein der Angeklagte gegen ein Urteil des Amtsgerichts Berufung ein, so gilt das Verschlechterungsverbot (sog. „reformatio in peius“, „Verböserungsverbot“). Dies bedeutet, dass das Urteil des Berufungsgerichts in diesen Fällen nicht schlechter ausfallen darf, als das Urteil der Vorinstanz. Das Landgericht ist in diesen Fällen also an den Strafausspruch des Amtsgerichts gebunden – egal wie “ungerecht” das Landgericht das Urteil hält. Zu beachten ist aber, dass das Verschlechterungsverbot nicht für Bewährungsauflagen gilt. Das Landgericht könnte daher zwar eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe nicht abhändern – das Berufungsgericht kann aber andere oder mehr Bewährugnsauflagen verhängen.
Das Verschlechterungsverbot gilt nur, wenn allein der Angeklagte in Berufung gegangen ist. Hat allerdings auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, gilt das Verschlechterungsverbot nicht. Das Berufungsgericht ist dann in der Entscheidungsfindung völlig frei. Es kann also auch zu Ungunsten des Angeklagten entscheiden – ein nicht zu unterschätzendes Risiko im Berufungsverfahren.
Beschränkung der Berufung
Die Berufung kann auf einzelne Beschwerdepunkte beschränkt werden – etwa auf einzelne Tatvorwürfe oder auf den Rechtsfolgenausspruch, also die ausgeurteilte Strafe. Sinngemäß kann die Berufung daher darauf beschränkt werden, dass nur die Verurteilung einzelner Taten oder dass nur die ausgesprochene Strafe angegriffen wird. Es ist auch möglich, die Berufung mit dem Ziel zu führen, dass eine vom Amtsgericht ausgesprochene Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die Beschränkung der Berufung kann etwa sinnvoll sein, wenn der vorgeworfene Sachverhalt grundsätzlich eingeräumt wird, aber die vom Amtsgericht ausgesprochene Strafe zu hoch erscheint.
Eine Berufungsbeschränkung sollte wohl überlegt und nicht ohne Rücksprache mit einem Rechtsanwalt erfolgen. Eine einmal erklärte Beschränkung kann nicht wieder zurückgenommen werden.
Dauer eines Berufungsverfahrens
Die Dauer eines Berufungsverfahrens ist natürlich immer vom jeweiligen Einzelfall abhängig – nicht zuletzt von der Auslastung des zuständigen Amtsgerichts. In der Regel dauert ein Berufungsverfahren aber zwischen sechs Monaten und einem Jahr.
Besonderheiten der Berufung im Jugendstrafrecht
Im Jugendstrafrecht gelten spezielle Regelungen für Rechtsmittel. Hintergrund ist, dass in einem Jugendstrafverfahren nicht die Bestrafung eines Delinquenten sondern dessen Erziehung steht. Das Jugendstrafrecht ist daher von einer besonderen Eilbedürftigkeit geprägt.
Selbstverständlich können auch verurteilte Jugendliche oder Heranwachsende gegen das Urteil ein Rechtsmittel einlegen. Es gilt aber die Beschränkung des § 55 JGG: Wird gegen ein Urteil im Jugendstrafverfahren wirksam Berufung eingelegt, dann kann das folgende Berufungsurteil nicht mehr mit der Revision angefochten werden (Im Erwachsenenstrafrecht ist das ohne Weiteres möglich). Ebenso kann ein Urteil, in dem “nur” Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel verhängt worden sind, nicht mit dem Ziel angefochten werden, dass andere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel verhängt werden soll.
Berufung: So kann ein Anwalt helfen
Sie wurden vom Amtsgericht verurteilt, und wollen die Entscheidung anfechten und in Berufung gehen?
Mit der Berufung wird das Verfahren vor dem Landgericht neu verhandelt. Das Rechtsmittel der Berufung bietet die Chance eines wesentlich günstigeren Verfahrensausgangs. Wir prüfen mit Ihnen gemeinsam die Chancen, Möglichkeiten und Risiken einer Berufung vor dem Landgericht. Kontaktieren Sie uns – Rufen Sie uns an, oder schreiben Sie uns eine Nachricht. Wir melden uns kurzfristig bei Ihnen!