Falschaussage
Schnell kann insbesondere das Lügen vor Gericht zu einer strafbaren Falschaussage führen. Welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen und welche Strafen drohen, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Die Pflicht zur Wahrheit ist ein zentrales Element jedes gerichtlichen Verfahrens. Ohne glaubwürdige und wahrheitsgemäße Aussagen wäre die Durchsetzung des Rechtsstaates kaum möglich. Wer vor Gericht oder einer zur eidlichen Vernehmung befugten Stelle bewusst falsch aussagt, gefährdet nicht nur das Verfahren, sondern riskiert auch eine empfindliche Strafe. Die uneidliche Falschaussage ist im deutschen Strafrecht in § 153 StGB geregelt und wird als Verbrechen eingestuft.
Die Bedeutung der Wahrheitspflicht im Strafverfahren
Gerechte Urteile setzen objektive Grundlagen voraus. Aussagen von Zeugen und Sachverständigen spielen hierbei oft eine zentrale Rolle. Eine vorsätzliche Falschaussage kann ganze Verfahren verfälschen, Unschuldige hinter Gitter bringen oder Schuldige freisprechen. Deshalb stellt das Gesetz diese Tat unter hohe Strafe.
Abgrenzung zu anderen Aussagedelikten: Meineid, falsche Verdächtigung & Co.
Nicht jede unwahre Aussage ist automatisch eine Falschaussage im Sinne des § 153 StGB. Das Strafgesetzbuch kennt weitere Delikte, die im Zusammenhang mit unwahren Aussagen stehen:
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Meineid (§ 154 StGB): Hier wird eine falsche Aussage unter Eid abgegeben – ein schwerwiegenderes Delikt mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
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Falsche eidesstattliche Versicherung (§ 156 StGB): Eine schriftlich an Eides statt abgegebene, objektiv falsche Erklärung – z. B. vor dem Familiengericht.
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Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB): Jemand wird wissentlich und zu Unrecht einer Straftat bezichtigt – unabhängig davon, ob dies mündlich oder schriftlich geschieht.
Tatbestand der uneidlichen Falschaussage
Wer kann eine Falschaussage begehen?
Nur Zeugen und Sachverständige kommen als Täter in Betracht. Ein Beschuldigter im Strafprozess darf lügen, um sich zu verteidigen. Diese Ungleichbehandlung ist durch das Aussageverweigerungsrecht und den Grundsatz des nemo tenetur (niemand muss sich selbst belasten) gerechtfertigt.
Was zählt als „Aussage“?
Als Aussage gilt jede mündliche, dem Verfahren dienende Tatsachenschilderung vor einer zuständigen Stelle. Werturteile oder bloße Meinungsäußerungen gelten nicht als Aussage. Es genügt eine mündliche Äußerung – schriftliche Eingaben wie Briefe oder Protokollnotizen sind nicht umfasst.
Wann ist eine Aussage „falsch“?
Eine Aussage ist falsch, wenn sie nicht mit der objektiven Realität übereinstimmt. Umstritten ist, ob auch sogenannte „Halbwahrheiten“ oder das gezielte Weglassen wesentlicher Informationen darunterfallen – die herrschende Meinung bejaht dies.
Beispiel: Ein Zeuge sagt aus, er habe nichts Auffälliges bemerkt, verschweigt aber bewusst, dass er gesehen hat, wie der Angeklagte aus einem Fenster stieg. Diese gezielte Auslassung kann eine Falschaussage darstellen.
Vorsatz oder bloßer Irrtum?
Strafbar ist nur derjenige, der vorsätzlich falsch aussagt. Wer sich irrt, falsch erinnert oder etwas verwechselt, handelt nicht strafbar – solange er subjektiv davon überzeugt ist, die Wahrheit zu sagen. Der sogenannte Irrtum über Tatsachen (§ 16 StGB) schließt eine Strafbarkeit aus.
Tatort der Lüge: Wo ist eine Falschaussage strafbar?
Gericht und zuständige Stellen
Die Falschaussage muss vor einem Gericht oder einer vergleichbaren Stelle erfolgen, die zur eidlichen Vernehmung befugt ist. Dazu gehören unter anderem:
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Strafgerichte
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Zivilgerichte
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Notare (z. B. in Testamentseröffnungen)
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Parlamentarische Untersuchungsausschüsse
Nicht zuständig sind hingegen:
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Polizeibeamte
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Staatsanwälte
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Private Ermittler
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Schiedsgerichte
Falschaussage bei der Polizei – straflos?
Auch wenn Aussagen bei der Polizei nicht unter § 153 StGB fallen, sind Lügen dort nicht folgenlos. Wer bewusst falsche Verdächtigungen äußert oder das Vortäuschen einer Straftat begeht, kann sich strafbar machen – insbesondere nach § 145d oder § 164 StGB.
Vorsatz und Strafbarkeit
Der subjektive Tatbestand
Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist, dass der Täter die Falschheit der Aussage kennt und diese willentlich äußert. Auch Eventualvorsatz – also das billigende Inkaufnehmen der Unwahrheit – genügt. Fahrlässigkeit reicht hingegen nicht aus.
Erinnerungslücken als Schutzschild?
Wenn der Zeuge erklärt, er könne sich nicht erinnern, ist dies keine strafbare Falschaussage – solange die Erklärung ernst gemeint ist. Wird eine solche Schutzbehauptung allerdings vorgeschoben, kann im Einzelfall sogar eine Strafbarkeit wegen Aussageverweigerung (§ 70 StPO) drohen.
Prozessuale Aspekte
Offizialdelikt
Die uneidliche Falschaussage wird von Amts wegen verfolgt. Sobald Staatsanwaltschaft oder Gericht Kenntnis von einer möglichen Falschaussage erlangen, besteht Ermittlungspflicht.
Versuch der Falschaussage
Der Versuch ist straflos – die Tat muss vollendet sein. Maßgeblich ist, dass der Zeuge in der Vernehmung keine weiteren Angaben mehr machen möchte und die falsche Aussage im Protokoll festgehalten ist.
Strafen und strafmildernde Umstände
Strafrahmen
Die Mindeststrafe liegt bei drei Monaten Freiheitsstrafe, die Höchststrafe bei fünf Jahren. Eine Geldstrafe ist ausgeschlossen – es handelt sich um ein Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB.
Strafmilderung – das sagt das Gesetz
Das StGB sieht zwei konkrete Milderungsgründe vor:
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§ 157 StGB: Bei Aussagen zum Schutz von Angehörigen oder zur Selbstverteidigung kann das Gericht die Strafe mindern.
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§ 158 StGB: Wird die Falschaussage rechtzeitig berichtigt, kann ganz von Strafe abgesehen werden.
Besondere Fälle
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Jugendliche: Zeugen unter 18 Jahren sind eidesunmündig – das Gericht kann die Strafe erheblich mindern (§ 60 StPO).
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Psychische Ausnahmesituationen: In besonderen psychischen Belastungslagen kann die Schuldfähigkeit gemindert sein – mit entsprechender Auswirkung auf das Strafmaß.
Falschaussage im Zivilprozess
Auch im Zivilverfahren gelten die Regeln des § 153 StGB – allerdings wird seltener ein Eid verlangt. Besonders häufig sind hier aber falsche eidesstattliche Versicherungen (§ 156 StGB), etwa im Rahmen von Unterlassungsverfügungen oder eiligen Anträgen im Familienrecht.
Verleitung und Anstiftung zur Falschaussage
§ 160 StGB – Verleitung zur Falschaussage
Wer einen Zeugen durch List, Druck oder Manipulation dazu bringt, falsch auszusagen, macht sich ebenfalls strafbar. Auch indirekte Einflussnahme – etwa durch wirtschaftliche Versprechungen – kann hierunter fallen.
Anstiftung und Beihilfe (§§ 26, 27 StGB)
Der Hintermann kann sich strafbar machen, wenn er den Zeugen bewusst zur Tat motiviert. Auch ein Anwalt, der seinem Mandanten zur Lüge rät, könnte sich in Einzelfällen der Anstiftung schuldig machen – mit schwerwiegenden berufsrechtlichen Konsequenzen.
Verteidigungsstrategien bei Falschaussage
Was tun bei Anzeige?
Sobald ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, sollte unverzüglich ein Strafverteidiger hinzugezogen werden. Dieser prüft:
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Ob die Aussage tatsächlich objektiv falsch war
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Ob ein Irrtum oder Erinnerungslücke vorliegt
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Ob Strafmilderung oder Berichtigung möglich ist
Frühzeitige Berichtigung als Verteidigungsinstrument
Wer noch vor Beendigung der Vernehmung seine Aussage richtigstellt, hat gute Chancen auf Straffreiheit. Auch nachträglich kann eine Berichtigung zur Strafmilderung führen – je früher, desto besser.
Aussageverweigerungsrecht nutzen
Wenn sich Zeugen durch ihre Aussage selbst belasten könnten, dürfen sie die Aussage verweigern. Dieses Recht gilt auch, wenn nahestehende Personen betroffen sind. Eine fehlerhafte Beratung an dieser Stelle kann gravierende Konsequenzen nach sich ziehen.
Fallbeispiele aus der Praxis
Fall 1:
Ein Zeuge belastet den Angeklagten in einem Körperverletzungsverfahren schwer. Später wird durch Videoaufnahmen belegt, dass der Zeuge gar nicht am Tatort war. Die Falschaussage führte zu einer mehrjährigen Haftstrafe – der Zeuge wird selbst zu einem Jahr und neun Monaten verurteilt.
Fall 2:
Ein Sachverständiger gibt im Bauprozess ein parteiisches Gutachten ab, das objektiv falsch ist. Die Täuschung fliegt auf, nachdem ein Gegengutachten erhebliche Mängel aufzeigt. Der Sachverständige wird zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt und verliert seine Zulassung.
Prävention und Verhaltenstipps
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Vorbereitung ist alles: Machen Sie sich Notizen vor Ihrer Vernehmung. Unsicherheit ist keine Schande – Spekulation hingegen gefährlich.
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Sagen Sie klar, wenn Sie etwas nicht wissen: „Ich erinnere mich nicht“ ist besser als eine vage Vermutung.
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Beratung durch Strafverteidiger: Wer unsicher ist, sollte sich im Zweifel rechtlich begleiten lassen – insbesondere in Strafverfahren.
Zusammenfassung
Die uneidliche Falschaussage nach § 153 StGB ist kein Kavaliersdelikt. Schon ein kurzer Moment der Unüberlegtheit kann weitreichende Konsequenzen haben – für das Verfahren, die betroffenen Personen und den Täter selbst. Wer als Zeuge oder Sachverständiger in einem Straf- oder Zivilverfahren aussagt, sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein. Vorsicht, Klarheit und gegebenenfalls rechtliche Unterstützung sind der beste Schutz vor ungewollten Folgen.
FAQ – Häufige Fragen zur Falschaussage
Ist ein Irrtum strafbar?
Nein. Nur wer vorsätzlich falsch aussagt, macht sich strafbar. Ein Irrtum ist straflos.
Was passiert, wenn die Falschaussage den Prozess beeinflusst?
Je größer der Einfluss auf das Verfahren, desto härter fällt die Strafe aus – im Extremfall droht eine Freiheitsstrafe von mehreren Jahren.
Kann auch Schweigen eine Falschaussage sein?
Schweigen selbst ist keine Aussage. Aber: Wer bewusst relevante Tatsachen verschweigt und vorgibt, die Aussage sei vollständig, kann sich strafbar machen.
Wie lässt sich eine falsche Aussage korrigieren?
Am besten sofort bei der Vernehmung. Auch nachträgliche Berichtigungen (§ 158 StGB) können zu Strafmilderung führen.
Darf ich die Aussage verweigern?
Ja – wenn Sie sich oder Angehörige belasten würden. Dieses Recht sollte mit einem Anwalt geklärt werden.