Nachstellung

Das Gefühl von Macht und Kontrolle über eine andere Person kann viele verschiedene Ausmaße annehmen und hin zum sogenannten strafbaren Stalking gem. § 238 Strafgesetzbuch (StGB) führen. Im folgenden Beitrag erfahren Sie, welche Voraussetzung erüllt sein müssen, um den Strafbestand geltend machen zu können und welche Strafen drohen können.

Jetzt Anfrage stellen

Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 16.12.2024

Themen auf dieser Seite

Die Nachstellung, oft synonym mit Stalking verwendet, hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem relevanten strafrechtlichen Thema entwickelt. Dies ist nicht nur auf die wachsende Sensibilisierung der Gesellschaft, sondern auch auf die Zunahme digitaler Kommunikationswege zurückzuführen, die neue Formen der Belästigung ermöglichen. Durch die Einführung des § 238 StGB wurde ein Rahmen geschaffen, der Betroffene schützt und gleichzeitig sicherstellt, dass Beschuldigte eine faire juristische Behandlung erfahren.

Die Tat kann das Opfer psychisch, emotional und körperlich stark belasten und sogar zu langfristigen Einschränkungen führen, beispielsweise durch soziale Isolation oder Angstzustände. Für die Beschuldigten können die Konsequenzen ebenso weitreichend sein, von strafrechtlichen Folgen bis hin zu beruflichen und sozialen Nachteilen.

Was ist „Nachstellung“?

Die Nachstellung ist eine Form der Verfolgung oder Belästigung, die das Ziel hat, das Opfer in seinem Alltag erheblich zu beeinträchtigen. Juristisch gesehen beschreibt sie Handlungen, die wiederholt und unbefugt erfolgen, sowie die persönliche Freiheit und Lebensgestaltung des Opfers stark beeinträchtigen.

Die Definition nach § 238 StGB unterscheidet sich von bloßen Belästigungen oder unfreundlichen Verhaltensweisen dadurch, dass es um beharrliches und wiederholtes Nachstellen geht, das sich konkret auf den Lebensalltag des Opfers auswirkt. Die Nachstellung wird daher als schwerwiegender Angriff auf die Privatsphäre und das Sicherheitsgefühl angesehen.

Tatbestand der Nachstellung: Wann ist sie strafbar?

Nachstellung ist strafbar, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Unbefugtes Nachstellen: Alle Handlungen, die gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Opfers gerichtet sind.
  • Beharrlichkeit: Die Taten müssen wiederholt und mit einer gewissen Hartnäckigkeit durchgeführt werden.
  • Erhebliche Beeinträchtigung der Lebensgestaltung: Die Nachstellung muss das Opfer zwingen, seinen Alltag zu ändern, etwa durch einen Umzug, Arbeitsplatzwechsel oder Änderung der Kommunikationsgewohnheiten.

Darüber hinaus ist Nachstellung ein Vorsatzdelikt, das bedeutet, der Täter muss mit Absicht oder zumindest mit Eventualvorsatz gehandelt haben. Fahrlässige Handlungen fallen nicht unter den Tatbestand.

Detaillierte Analyse der Tathandlungen gemäß § 238 StGB

Die Tatbestandsmerkmale des § 238 StGB decken ein breites Spektrum möglicher Handlungsweisen ab. Zu den häufigsten zählen:

  • Aufsuchen der räumlichen Nähe: Der Täter verfolgt das Opfer zu Hause, am Arbeitsplatz oder an anderen Orten.
  • Unerwünschte Kontaktaufnahme: Anrufe, E-Mails, Textnachrichten oder das Versenden von Geschenken ohne Zustimmung des Opfers.
  • Datenmissbrauch: Unbefugter Zugang zu E-Mails, Social-Media-Konten oder anderen sensiblen Daten des Opfers.
  • Drohungen: Androhung von Gewalt, Schadenszufügung oder andere Einschüchterungsversuche.
  • Rufschädigung: Verbreitung von falschen Informationen, intimen Details oder sensiblen Daten über das Opfer in der Öffentlichkeit.

Unterschiede zwischen Nachstellung und Stalking

Nachstellung ist der juristische Begriff, der im Strafrecht verankert ist, während Stalking eine umgangssprachliche Beschreibung von Verhaltensweisen darstellt, die oft der Nachstellung entsprechen. Juristisch betrachtet ist Stalking die Verhaltensweise, Nachstellung jedoch der Straftatbestand.

Beispiele für Nachstellung: Praxisnahe Szenarien

Die Bandbreite der Nachstellung reicht von offensichtlichen Handlungen wie dem Auflauern vor der Wohnung bis hin zu subtileren Formen wie der Überwachung sozialer Medien. Beispiele umfassen:

  • Wiederholtes Erscheinen am Arbeitsplatz oder vor der Wohnung.
  • Verfolgen des Opfers in der Öffentlichkeit.
  • Verbreiten von Gerüchten oder diffamierenden Inhalten.
  • Kontaktaufnahme über Freunde oder Verwandte des Opfers.

Nachstellung am Arbeitsplatz

Eine besonders sensible Form der Nachstellung findet am Arbeitsplatz statt. Täter können Kollegen, Vorgesetzte oder Personen aus dem privaten Umfeld sein, die in das berufliche Leben eingreifen. Arbeitgeber sollten bei entsprechenden Vorfällen sofort handeln, um die betroffenen Mitarbeiter zu schützen, beispielsweise durch interne Maßnahmen oder die Einschaltung von Sicherheitsdiensten.

Nachstellung mit Todesfolge: Die Erfolgsqualifikation nach § 238 Abs. 3 StGB

In besonders schweren Fällen kann Nachstellung zur Todesfolge führen, etwa durch Suizid aufgrund der psychischen Belastung. Nach § 238 Abs. 3 StGB drohen hierfür Freiheitsstrafen von einem bis zu zehn Jahren. Die psychischen Auswirkungen auf Opfer und deren Umfeld machen diesen Aspekt besonders tragisch.

Rolle von Anwälten in Nachstellungsverfahren

Die rechtliche Begleitung durch einen erfahrenen Anwalt ist sowohl für Beschuldigte als auch für Betroffene essenziell.

  • Für Beschuldigte: Ein Anwalt kann dabei helfen, unberechtigte Anschuldigungen abzuwehren, entlastende Beweise vorzulegen und eine angemessene Verteidigungsstrategie zu entwickeln.
  • Für Betroffene: Anwälte können Betroffene bei der Erwirkung von Schutzmaßnahmen unterstützen, etwa einstweiligen Verfügungen oder Strafanträgen, und die Kommunikation mit Behörden übernehmen.

Präventions- und Schutzmaßnahmen

Betroffene sollten unerwünschte Kontakte dokumentieren und umgehend die Polizei informieren. Technische Maßnahmen, wie das Blockieren von Telefonnummern, die Einschränkung von Social-Media-Zugängen oder der Einsatz von Sicherheitssoftware, können ebenfalls helfen. Arbeitgeber können Mitarbeiter durch Schulungen für das Thema sensibilisieren und klare Meldewege für Vorfälle schaffen.

Fazit

Nachstellung ist eine Straftat mit schwerwiegenden Folgen für alle Beteiligten. Der gesetzliche Rahmen schützt die Betroffenen, bietet jedoch auch für Beschuldigte die Möglichkeit, sich gegen falsche Anschuldigungen zu verteidigen. Prävention, rechtliche Beratung und Sensibilisierung der Gesellschaft sind essenziell, um Nachstellung frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.


FAQs

Was ist Nachstellung gemäß § 238 StGB?
Nachstellung beschreibt das wiederholte Eindringen in den Lebensbereich einer Person, wodurch deren Alltag erheblich beeinträchtigt wird.

Welche Strafen drohen bei Nachstellung?
Je nach Schwere der Tat drohen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren, in schweren Fällen bis zu zehn Jahren.

Wie unterscheidet sich Nachstellung von Stalking?
Stalking beschreibt das Verhalten, Nachstellung ist der juristische Begriff für den strafrechtlichen Tatbestand.

Welche Schutzmaßnahmen gibt es gegen Nachstellung?
Betroffene können Strafanzeige stellen, technische Maßnahmen ergreifen und bei akuter Gefahr eine einstweilige Verfügung erwirken.

Wann wird Nachstellung zur Erfolgsqualifikation?
Wenn durch die Nachstellung der Tod des Opfers oder einer nahestehenden Person verursacht wird, etwa durch Suizid.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

Wir helfen Ihnen

Senden Sie uns eine Nachricht

Zögern Sie nicht, mit uns Kontakt aufzunehmen - ob per Telefon, per E-Mail oder über unser Kontaktformular. Senden Sie uns eine unverbindliche Nachricht. Ihre Daten unterliegen der anwaltlichen Schweigepflicht. Es gelten die Hinweise zum Datenschutz.

Weitere interessante Beiträge

Erfahren Sie aus unserem Strafrechts-ABC Wissenswertes über das Strafrecht und das Strafverfahren.

Jugendliche: Ab wann ist Sex erlaubt?

Wenn Jugendliche und junge Erwachsene ihre Sexualität entdecken, machen sie sich in der Regel keine Gedanken darum, ob das, was…
Weiterlesen

Altersgrenzen im Sexualstrafrecht

Im Sexualstrafrecht kommt es hinsichtlich der Frage, ob überhaupt eine strafbare Handlung vorliegt, maßgeblich auf das Alter der jeweils handelnden…
Weiterlesen

Sexting: Ist das Verschicken von Nacktbildern strafbar?

Es ist unter Jugendlichen mittlerweile gang und gäbe, sich gegenseitig Fotos über WhatsApp, Snapchat oder Instagram zuzusenden, auf denen man…
Weiterlesen

Wir helfen Ihnen!

Senden Sie uns eine Nachricht. Wir antworten Ihnen kurzfristig. Ihre Daten unterliegen der anwaltlichen Schweigepflicht. Es gelten die Hinweise zum Datenschutz.