Aussage gegen Aussage

In juristischen Verfahren kommt es häufig vor, dass sich Zeugenaussagen ohne eindeutige Beweise gegenüberstehen. Dieses Dilemma, bei dem die Glaubwürdigkeit der Beteiligten im Mittelpunkt steht, ist ein zentrales prozessuales Thema. Erfahren Sie mehr über die Konstellation „Aussage gegen Aussage“ in rechtlichen Prozessen.

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

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    Das sagt das Gesetz:

Was ist eine „Aussage gegen Aussage“? 

„Aussage gegen Aussage“ ist ein juristischer Ausdruck, der eine Situation beschreibt, in der es keine weiteren Beweise oder Zeugen gibt, außer den widersprüchlichen Aussagen der beteiligten Parteien. Diese Konstellation tritt häufig in Rechtsfällen auf, bei denen es um strittige Ereignisse oder Vorwürfe geht, bei denen keine unabhängigen Beweise vorliegen. In solchen Fällen kann es für die Gerichte schwierig sein, die Wahrheit zu ermitteln und eine gerechte Entscheidung zu treffen, da es nur auf den Glauben an die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der beteiligten Parteien ankommt. Die Beweislast und die sorgfältige Überprüfung der Aussagen sind in solchen Situationen von entscheidender Bedeutung, um eine faire Beurteilung zu gewährleisten. 

Kriterien zur Bewertung der Glaubwürdigkeit 

Die Bewertung der Glaubwürdigkeit bei “Aussage gegen Aussage” ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Gerichte und andere Entscheidungsträger. Da es in solchen Fällen keine weiteren Beweise oder unabhängige Zeugen gibt, muss die Glaubwürdigkeit der beteiligten Parteien anhand verschiedener Faktoren beurteilt werden. Hier sind einige der wichtigsten Kriterien, die bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit berücksichtigt werden: 

  • Kohärenz und Konsistenz: Die Glaubwürdigkeit der Aussagen wird gestärkt, wenn sie sie logisch zusammenpassen und keine widersprüchlichen Informationen enthalten. 
  • Detailgenauigkeit: Aussagen, die viele konkrete Details und spezifische Ereignisse enthalten, können als glaubwürdiger angesehen werden als vage oder allgemeine Aussagen. 
  • Unmittelbarkeit: Je näher die Aussage zum Zeitpunkt der Tat erfolgt, desto eher wird sie als glaubwürdig erachtet, da sie weniger anfällig für Verfälschungen oder Einflüsse von außen ist. 
  • Verhalten und Reaktionen: Das Verhalten und die Reaktionen der Beteiligten vor und nach dem Ereignis können auch zur Bewertung der Glaubwürdigkeit beitragen. 
  • Vorherige Aussagen: Wenn eine Person widersprüchliche Aussagen zu demselben Vorfall gemacht hat, kann dies ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigen. 
  • Motive und Interessen: Es ist wichtig zu berücksichtigen, ob die beteiligten Parteien ein persönliches Interesse an einem bestimmten Ausgang des Falles haben könnten, dass ihre Aussagen beeinflussen könnte. 
  • Plausibilität: Die Wahrscheinlichkeit und Plausibilität der behaupteten Ereignisse spielen ebenfalls eine Rolle bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Bewertung der Glaubwürdigkeit ein komplexer Prozess ist und von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann. Das Gericht muss eine sorgfältige und umfassende Analyse aller relevanten Faktoren durchführen, um eine faire Beurteilung zu gewährleisten. 

Rechtliche Verankerung 

Eine rechtliche Verankerung lässt sich in dem offen formulierten § 261 StPO finden.  

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Eine solche Überzeugung liegt dabei nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs vor, wenn: „ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht mehr aufkommen” (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 261, Rn. 2). 

Aussage gegen Aussage

Gibt es eine Unschuldsvermutung? 

Kurz gesagt: Ja! Die Unschuldsvermutung („in dubio pro reo“) gilt auch in Fällen von “Aussage gegen Aussage”. Sie ist ein grundlegendes rechtsstaatliches Prinzip, das besagt, dass eine Person als unschuldig gilt, solange ihre Schuld nicht durch ein ordentliches Gerichtsurteil festgestellt wurde. Dies bedeutet, dass eine Person nicht als schuldig betrachtet werden darf, solange nicht alle Beweise präsentiert und sorgfältig geprüft wurden und ein rechtskräftiges Urteil gefällt wurde. 

In Fällen von “Aussage gegen Aussage”, in denen es keine weiteren Beweise oder Zeugen gibt, gilt grundsätzlich auch die Unschuldsvermutung. Das Gericht muss die Aussagen und Beweise sorgfältig prüfen und auf der Grundlage des verfügbaren Materials eine faire und gerechte Entscheidung treffen. 

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Unschuldsvermutung nicht dazu dient, die Verurteilung zu verhindern. Vielmehr handelt es sich um eine Grundlage des fairen Strafverfahrens, die sicherstellen soll, dass niemand fälschlicherweise für eine Straftat verurteilt wird. 

Welche Rechtsfolgen drohen? 

Auch bei der Konstellation „Aussage gegen Aussage“ besteht die Möglichkeit einer Verurteilung. Ebenso kann das Verfahren aufgrund mangelnden Tatverdachts eingestellt werden. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass Sie durch einen erfahrenen Strafverteidiger vertreten werden, um eine solche Verurteilung zu verhindern. 

Typische Beispiele 

  • Sexualstraftaten: In Fällen von sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung oder sexuellen Übergriffen, bei denen es keine weiteren Zeugen oder Aufzeichnungen gibt, kann es zu “Aussage gegen Aussage” kommen, wenn das mutmaßliche Opfer und der Beschuldigte widersprüchliche Aussagen machen. 
  • Körperverletzung: Bei Auseinandersetzungen oder tätlichen Angriffen ohne Zeugen oder Videoaufnahmen kann es schwierig sein, die Wahrheit zu ermitteln, wenn beide Parteien unterschiedliche Versionen des Tathergangs darlegen. 
  • Diebstahl: Besonders in Fällen von Taschendiebstahls ohne klare Beweise können die Behauptungen des mutmaßlichen Opfers und des Verdächtigen im Widerspruch zueinander stehen. 
  • Betrug: Bei Betrugsfällen, bei denen es keine schriftlichen Beweise oder Zeugen gibt, kann es zu einer Situation von “Aussage gegen Aussage” kommen, wenn der Geschädigte und der mutmaßliche Betrüger widersprüchliche Behauptungen aufstellen. 
  • Bedrohungen: Bei Fällen von Bedrohungen oder Stalking, bei denen keine anderen Zeugen anwesend sind, kann es zu einer Konfrontation von widersprüchlichen Aussagen der beteiligten Parteien kommen.

In solchen Fällen ist es für die Gerichte eine besondere Herausforderung, die Wahrheit zu ermitteln und eine gerechte Entscheidung zu treffen. Die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Aussagen und die Überprüfung aller verfügbaren Beweise sind entscheidend, um eine faire Beurteilung zu gewährleisten. 

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