Gerichtsaufbau

Welches Gericht ist zuständig? Welche Rechtsmittel gegen Strafurteile gibt es? Was sind Schöffen? Ein Strafverfahren wirft viele Fragen auf. Je nach Sachverhalt und vorgeworfenen Straftaten ergeben sich unterschiedliche Zuständigkeiten. Welcher allgemeine Gerichtsaufbau gilt und welche Gerichte erstinstanzlich sowie im Rechtsmittelverfahren zuständig sind, erfahren Sie im folgenden Beitrag. Wichtige Vorschriften ergeben sich dabei aus dem Gerichtsverfassungsgesetz…

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

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    Das sagt das Gesetz:

Gerichtsbarkeiten

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es fünf verschiedene Gerichtsbarkeiten. Die ordentliche Gerichtsbarkeit, die Arbeitsgerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Finanzgerichtsbarkeit und die Sozialgerichtsbarkeit.

Gerichtsaufbau

Strafverfahren zählen nach § 13 GVG zu der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Innerhalb dieser Gerichtsbarkeit ist das höchste Gericht der Bundesgerichtshof (BGH), darunter folgen – in abgestufter Weise – das Oberlandesgericht (OLG), das Landgericht (LG) und schließlich das Amtsgericht (AG).

Gerichtszuständigkeit

Welches Gericht und innerhalb dessen welcher Spruchkörper (rechtsprechendes Organ) in der ersten Instanz zuständig ist (sog. sachliche Zuständigkeit), richtet sich nach der vorgeworfenen Straftat. Unabhängig von der Instanz gilt, dass die Richter immer Berufsrichter sind; sie haben also eine juristische Ausbildung. Die Schöffen sind hingegen ehrenamtlich tätig und stammen aus der Bevölkerung, wobei sie unter anderem keine juristische Ausbildung haben dürfen. Außerdem haben sie bei der Beurteilung über die Strafe des Täters die gleiche Stimmwertigkeit wie die Richter. Deshalb werden Schöffen auch als „ehrenamtliche Richter“ bezeichnet.

Die folgenden Ausführungen gelten nicht für Jugendstrafsachen. Die Gerichtszuständigkeit einschließlich der zuständigen Spruchkörper sind durch das Jugendgerichtsgesetz (kurz: JGG) gesetzlich geregelt.

Gerichtsaufbau

Der Bundesgerichtshof ist erstinstanzlich bei Strafverfahren nicht zuständig. Er dient jedoch als Rechtsmittelinstanz (vgl. § 135 GVG).

Das Oberlandesgericht ist in der ersten Instanz zuständig, wenn dem Täter eines der aufgezählten Straftaten nach § 120 GVG vorgeworfen wird. Hierunter fällt unter anderem der Hochverrat (§§ 81 ff. StGB), der Landesverrat (§ 94 StGB), die Nichtanzeige von Straftaten (§ 138 StGB) und die Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.

Die Verhandlung erfolgt dann vor einem Strafsenat, der mit drei Richtern besetzt ist (vgl. § 122 GVG).

Das Landgericht ist erstinstanzlich zuständig, wenn dem Täter eines der aufgezählten Verbrechen nach § 74 GVG vorgeworfen wird. Hierunter fallen unter anderem Vergewaltigung (§ 177 StGB), Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB), Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c StGB) und Körperverletzung im Amt mit Todesfolge (§ 340 StGB).

Die Verhandlungen finden dann entweder vor dem Schwurgericht oder der Großen Strafkammer statt. Beide Gerichte sind mit drei Richtern und zwei Schöffen besetzt. In einfachen Fällen ist die große Strafkammer mit zwei Richtern und zwei Schöffen besetzt, vgl. § 76 Abs. 2 GVG. In bestimmten Fällen kann auch die Staatsschutzkammer (§ 74a GVG) oder die Wirtschaftsstrafkammer (§ 74c GVG) zuständig sein.

Das Amtsgericht ist erstinstanzlich zuständig, wenn weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht erstinstanzlich zuständig ist und bei denen keine höhere Strafe als eine Freiheitsstrafe von vier Jahren zu erwarten ist, vgl. §§ 24, 25 GVG. Mögliche Straftaten sind der Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), die Körperverletzung (§ 223 StGB), der Diebstahl (§ 242 StGB) und die Unterschlagung (§ 246 StGB),

Die Verhandlung erfolgt vor einem Strafrichter, wenn eine höhere Strafe als eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren nicht zu erwarten ist (vgl. § 25 GVG). Ansonsten ist das Schöffengericht zuständig, das aus einem Richter und zwei Schöffen besteht (vgl. § 29 Abs. 1 GVG). In besonderen Fällen kann auch ein erweitertes Schöffengericht, bestehend aus zwei Richtern und zwei Schöffen, zuständig sein (vgl. § 29 Abs. 2 GVG).

Gerichtsstand

Nachdem festgestellt wurde, welches Gericht sachlich zuständig ist, ist nun zu fragen, an welchem Ort das Verfahren stattfindet (sog. örtliche Zuständigkeit). Nach § 7 StPO ist grundsätzlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Straftat begangen wurde.

Ein Mord, der beispielsweise in Leipzig begangen wurde, wird erstinstanzlich vor dem Landgericht Leipzig verhandelt. Wird hingegen ein Diebstahl in Torgau verübt, so ist das Amtsgericht Torgau zuständig.

Rechtsmittelverfahren

Wird ein Urteil gesprochen, mit dem man nicht zufrieden ist, so kann dieses angefochten werden. Hierfür kann Berufung oder Revision eingelegt werden (sog. Rechtsmittel). Bei einer Berufung wird das Verfahren nochmals in tatsächlich und auch in rechtlicher Hinsicht überprüft. Hierfür erfolgt die Verhandlung „von vorne“. Bei einer Revision findet dagegen nur eine Überprüfung in rechtlicher Hinsicht statt. Hier wird geprüft, ob das Gesetz richtig ausgelegt und angewendet wurde. Ob eine Berufung bzw. Revision eingelegt werden kann, richtet sich nach der jeweiligen Instanz. Außerdem sind die Fristen zur Einlegung der Rechtsmittel zu beachten. Die Rechtsmittelfrist bei Berufungen und Revisionen beträgt eine Woche nach Verkündung des Urteils (vgl. §§ 314, 341 StPO).

Erfolgt ein Urteil in der ersten Instanz durch das Amtsgericht, so kann Berufung zum Landgericht eingelegt werden (vgl. § 312 StPO). Gegen das daraus folgende (zweitinstanzliche) Urteil des Landgerichts kann dann wiederrum Revision zum Oberlandesgericht eingelegt werden (vgl. § 333 StPO). Ist nur eine rechtliche Überprüfung gewollt, so kann die Berufung „umgangen“ werden, indem nach dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts sofort Sprungrevision zum Oberlandesgericht eingelegt wird (vgl. § 335 StPO).

Bei einem erstinstanzlichen Urteil durch das Landesgericht oder das Oberlandesgericht kann nur Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt werden (vgl. §§ 135, 139 GVG). Der jeweilige Senat des BGH besteht dann aus fünf Richtern.

Häufige Fragen

  • Was sind Schöffen?

    Schöffen sind ehrenamtliche Richter, ohne jegliche juristische Ausbildung. Gemeinsam mit den Berufsrichtern entscheiden sie über Schuld oder Unschuld des Angeklagten und legen gegebenenfalls das Strafmaß fest. Dabei haben die Schöffen das gleiche Stimmrecht und die gleiche Stimmwertigkeit wie die Berufsrichter.

  • Wie wird man Schöffe?

    Die Auswahl erfolgt in der Regel durch die Gemeinde- oder Stadträte in einem demokratischen Prozess. Die Auswahlkriterien und der genaue Ablauf können je nach Bundesland variieren, da die Organisation der Schöffenwahl Ländersache ist.
    Grundsätzlich kann sich jeder Bürger bei der Gemeinde bewerben, in der er wohnt. Anschließend erfolgt eine Wahl durch den zuständigen Wahlausschuss aus den Vorschlagelisten. Es ist wichtig, dass die Auswahl eine breite Palette von Bevölkerungsgruppen repräsentiert, um eine vielfältige Perspektive im Gerichtssaal sicherzustellen.
    Um als Schöffe gewählt zu werden, muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen – wie zum Beispiel die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, zwischen 25 und 70 Jahre alt sein und eine gewisse Zeit seinen Wohnsitz in der entsprechenden Gemeinde haben.

  • Warum gibt es Schöffen?

    Die Einbindung von Schöffen in das Justizsystem hat mehrere Gründe:

    1. Bürgerbeteiligung und Repräsentation:Schöffen sind ehrenamtliche Laienrichter, die aus der Bevölkerung stammen. Ihre Teilnahme am Gerichtsverfahren trägt dazu bei, dass unterschiedliche Perspektiven und Lebenserfahrungen in die Rechtsprechung einfließen.

    2. Vertrauen in die Justiz: Die Beteiligung von Bürgern am Gerichtsprozess kann das Vertrauen in das Justizsystem stärken. Die Vorstellung, dass nicht nur Berufsrichter, sondern auch normale Bürger an der Entscheidungsfindung beteiligt sind, kann die Legitimität von Urteilen erhöhen.

    3. Vielfalt der Erfahrung: Schöffen bringen ihre Alltagserfahrungen und Lebensweisheiten in den Gerichtssaal ein. Dies kann dazu beitragen, dass Urteile nicht nur auf rechtlichen Aspekten basieren, sondern auch menschliche und soziale Kontexte berücksichtigen.

    4. Entlastung der Justiz: Die Einbindung von Schöffen ermöglicht es, einen Teil der Verantwortung für die Rechtsprechung auf ehrenamtliche Bürger zu übertragen, was die Arbeitslast der Berufsrichter teilweise entlasten kann.

    Insgesamt tragen also Schöffen dazu bei, die Rechtsprechung menschlicher, zugänglicher und repräsentativer zu gestalten.

  • Was ist ein Schwurgericht?

    Das Schwurgericht ist in Deutschland eine Strafkammer, die für bestimmte, vom Gesetz aufgezählte Verbrechen, zuständig ist (§ 74 Abs. 2 GVG). Das sind beispielsweise Taten wie Mord und Totschlag. Es besteht aus Berufsrichtern und Schöffen, die gemeinsam über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten entscheiden.
    Der Prozess vor einem Schwurgericht ist in der Regel aufwendiger als andere Strafverfahren. Die Verhandlung kann komplex sein, da es oft um detaillierte forensische Beweise, Zeugenaussagen und Gutachten geht. Die Mitglieder des Schwurgerichts müssen die Beweise sorgfältig prüfen und dann ein Urteil fällen.

  • Was ist der Unterschied zwischen Schwurgericht und Schöffengericht?

    In beiden Fällen handelt es sich um Gerichte, in denen Schöffen an der Entscheidungsfindung gleichermaßen wie die Berufsrichter beteiligt sind. Nur die Anzahl der jeweiligen (Laien-)Richter kann variieren.
    Das Schwurgericht fungiert gemäß § 74 Abs. 2, Abs. 1 GVG als Gericht erster Instanz für alle Verbrechen, die nicht in die Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts fallen.
    Im Gegensatz dazu ist das Schöffengericht für Strafsachen zuständig, die als erste Instanz vor dem Amtsgericht verhandelt werden.

  • Was sind die “Kammern”?

    Die Bezeichnung “Kammern” im Zusammenhang mit Gerichten bezieht sich auf spezialisierte Abteilungen innerhalb eines Gerichts, die sich auf bestimmte Rechtsgebiete oder Arten von Fällen konzentrieren. Die Einrichtung von Kammern dient dazu, den Gerichtsbetrieb effizienter zu gestalten und Fachwissen in verschiedenen Rechtsbereichen zu fördern. Hier sind einige Beispiele:

    1. Zivilkammer: Zuständig für Zivilsachen, wie beispielsweise Streitigkeiten zwischen Privatpersonen, Unternehmen oder anderen juristischen Personen.

    2. Strafkammer: Verantwortlich für die Verhandlung von Strafsachen, insbesondere schweren Straftaten wie Mord oder Totschlag.

    3. Familiengericht: Bearbeitet Familienangelegenheiten, wie Scheidungen, Sorgerechtsstreitigkeiten oder Unterhaltsansprüche.

    4. Arbeitskammer: Zuständig für arbeitsrechtliche Angelegenheiten, einschließlich Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

    5. Handelskammer: Fokussiert auf handelsrechtliche Belange, wie Vertragsstreitigkeiten oder Unternehmenstransaktionen.

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