KI im Rechtswesen: Revolution der Rechtspraxis

Die Integration von Künstlicher Intelligenz (kurz: KI) im Bereich des Rechtswesens hat das Potenzial, die Effizienz und die Genauigkeit juristische Prozesse zu verbessern. Dennoch sind mit dieser Entwicklung auch rechtliche Bedenken verbunden. Die Nutzung von KI-Systemen in der Rechtspraxis wirft Fragen zu Haftung, Datenschutz, Diskriminierung und Ethik auf, die sorgfältig berücksichtigt werden müssen, um eine…

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

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    Das sagt das Gesetz:

Was ist KI? 

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Entwicklung von Computersystemen befasst, die in der Lage sind, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern. KI-Systeme verwenden Algorithmen und Daten, um Muster zu erkennen, Entscheidungen zu treffen, Probleme zu lösen und menschenähnliches Denken und Lernen zu simulieren. 

Es gibt verschiedene Formen von KI, darunter: 

  1. Schwache KI oder Narrow AI: Das sind KI-Systeme, die auf spezifische Aufgaben oder Anwendungen beschränkt sind, wie maschinelles Übersetzen, Bilderkennung oder Chatbots. Sie sind auf ein begrenztes Aufgabenspektrum spezialisiert und können keine vielseitigen Aufgaben erfüllen. 
  2. Starke KI oder General AI: Das ist eine hypothetische Form von KI, die ein allgemeines Verständnis und die Fähigkeit hätte, eine breite Palette von Aufgaben zu erfüllen, ähnlich wie ein menschliches Gehirn. Starke KI existiert derzeit nicht und ist Gegenstand intensiver Forschung und Spekulation. 

KI-Systeme verwenden Techniken wie maschinelles Lernen, neuronale Netzwerke, natürliche Sprachverarbeitung und maschinelles Sehen, um Daten zu analysieren, Muster zu erkennen und Vorhersagen zu treffen. Sie werden in verschiedenen Bereichen eingesetzt, einschließlich Gesundheitswesen, Finanzwesen, Automobilindustrie, Robotik, Unterhaltung und mehr. 

Die Entwicklung von KI hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht und hat das Potenzial, unser tägliches Leben und die Arbeitswelt grundlegend zu verändern. Gleichzeitig werfen die Fortschritte in der KI auch ethische, rechtliche und soziale Fragen auf, die sorgfältig berücksichtigt werden müssen. 

Rechtliche Bedenken 

Im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz gibt es eine Vielzahl von rechtlichen Bedenken und Herausforderungen. Im Folgenden finden Sie einige solche rechtlichen Bedenken in Bezug auf KI: 

  1. Haftung: Die Frage der Haftung für Fehler oder Schäden, die durch KI-Systeme verursacht werden, ist komplex. Es ist oft unklar, ob die Verantwortung bei den Entwicklern, den Betreibern, den Nutzern oder sogar den KI-Systemen selbst liegt. 
  2. Datenschutz: Die Verwendung von KI kann die Sammlung und Analyse großer Mengen von personenbezogenen Daten erfordern. Die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen, wie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), ist von entscheidender Bedeutung. 
  3. Diskriminierung: KI-Systeme können unbewusste Vorurteile und Diskriminierung verstärken, insbesondere wenn sie auf historischen Daten trainiert werden, die bereits Vorurteile enthalten. Dies kann zu rechtlichen Problemen, insbesondere im Zusammenhang mit Diskriminierungsgesetzen, führen. 
  4. Transparenz und Erklärbarkeit: Die meisten KI-Algorithmen sind “Black Boxes”, was bedeutet, dass ihre Entscheidungsprozesse schwer nachvollziehbar sind. Dies kann rechtliche Herausforderungen bei der Erklärung von Entscheidungen und der Einhaltung von Transparenzanforderungen mit sich bringen. 
  5. Urheberrecht und geistiges Eigentum: Fragen zu Eigentumsrechten an von KI generierten Inhalten oder zur Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material in KI-Anwendungen können aufkommen. 
  6. Sicherheit und Cyberkriminalität: Die zunehmende Nutzung von KI in Sicherheitssystemen eröffnet neue Angriffsvektoren für Cyberkriminelle. Die rechtliche Verantwortung für Sicherheitsverletzungen ist oft unklar. 
  7. Ethik und soziale Verantwortung: Die Arbeit mit KI umfasst auch Fragen zur Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und den Auswirkungen auf Arbeitsplätze. 
  8. Regulierung und Compliance: Unternehmen müssen sicherstellen, dass bei der Verwendung von KI die geltenden Gesetze eingehalten werden. 
  9. Patente und Innovation: Die Anmeldung von Patenten im Bereich KI kann kompliziert sein, da die Grenzen zwischen erfinderischer Tätigkeit und bereits existierendem Wissen oft verschwommen sind. 

Diese rechtlichen Bedenken unterstreichen die Notwendigkeit, KI-Technologien und deren Anwendungen sorgfältig zu prüfen und in Einklang mit geltenden Gesetzen und ethischen Grundsätzen zu entwickeln und zu nutzen. 

KI im Rechtswesen: Revolution der Rechtspraxis

Rechtliche Regelungen 

Derzeit gibt es noch keine rechtliche Regelung im Umgang mit KI, allerdings gibt es bereits einen Vorschlag für eine Regelung durch die EU (Stand: Januar 2024). 

Der “EU AI Act” (Artificial Intelligence Act) ist ein Gesetzgebungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz in der Europäischen Union. Der Vorschlag wurde am 21. April 2021 von der Europäischen Kommission veröffentlicht und zielt darauf ab, klare und umfassende Regeln für die Entwicklung, den Einsatz und die Vermarktung von KI-Systemen in der EU festzulegen. 

Die wichtigsten Merkmale des EU AI Act sind: 

  1. Kategorisierung von KI-Systemen: Der Vorschlag unterteilt KI-Systeme in verschiedene Kategorien basierend auf ihrem Risikograd. Diese Kategorien reichen von “verbotenen KI-Praktiken” bis hin zu “niedrigem Risiko”. Hochriskante Anwendungen wie autonome Fahrzeuge oder medizinische Diagnosesysteme unterliegen dann strengeren Regulierungen. 
  2. Transparenz und Dokumentation: Der EU AI Act schreibt vor, dass KI-Systeme transparent und nachvollziehbar sein müssen. Anbieter von KI-Systemen müssen umfassende Dokumentationen bereitstellen, um die Funktionsweise und Entscheidungsprozesse ihrer Systeme offenzulegen. 
  3. Datenzugang und -nutzung: Der Vorschlag enthält Bestimmungen zur Gewährleistung des Zugangs und der Nutzung von Daten für die Entwicklung und das Training von KI-Systemen, wobei Datenschutz- und Wettbewerbsvorschriften berücksichtigt werden. 
  4. Haftung und Verantwortung: Der EU AI Act legt fest, dass Anbieter von Hochrisiko-KI-Systemen verpflichtet sind, angemessene Versicherungen abzuschließen und für Schäden oder Fehler, die durch ihre Systeme verursacht werden, haftbar gemacht werden können. 
  5. Konformitätsbewertung und -erklärung: Hersteller von Hochrisiko-KI-Systemen müssen überprüfen, ob das Produkt mit den in den EG-Richtlinien genannten Sicherheitsanforderungen übereinstimmt und eine Erklärung darüber ausstellen, bevor sie ihre Produkte auf den Markt bringen dürfen. 
  6. Unabhängige Aufsicht und Strafen: Die EU-Kommission und die nationalen Behörden sollen die Einhaltung des EU AI Act überwachen. Bei Verstößen sollen Geldbußen in Höhe von bis zu 30 Millionen Euro oder 6% des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens verhängt werden können. 

Der EU AI Act befindet sich derzeit im Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union und muss noch von den EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament genehmigt werden, bevor er in Kraft treten kann. Es ist Teil der Bemühungen der EU, einen rechtlichen Rahmen für den verantwortungsvollen und ethischen Einsatz von KI-Technologien zu schaffen und die Rechte und die Sicherheit der Bürger zu schützen. 

„Deepfake“ – Beispiel eines Problems durch KI 

Der Begriff „Deepfake” setzt sich aus den Wörtern “Deep Learning” und “Fake” zusammen und bezieht sich auf eine fortgeschrittene Form der Bildmanipulation und Audio-Synthese mithilfe von KI. Bei Deepfakes handelt es sich um gefälschte Medieninhalte, die so realistisch erscheinen, dass sie oft schwer von echten Inhalten zu unterscheiden sind. Typischerweise werden Deepfakes erstellt, indem leistungsstarke KI-Algorithmen, insbesondere neuronale Netzwerke, dazu verwendet werden, das Gesicht einer Person in ein Video oder ein Bild zu integrieren oder die Stimme einer Person in eine Audioaufnahme zu synthetisieren. 

KI im Rechtswesen: Revolution der Rechtspraxis

Hier sind einige wichtige Punkte zu Deepfakes: 

  1. Bildmanipulation: In Deepfake-Videos wird die Gesichts- und Körperform einer Person in einem bestehenden Video durch die Gesichtszüge und Bewegungen einer anderen Person ersetzt. Dies ermöglicht es, Personen in Videos auftreten zu lassen, in denen sie nie waren. 
  2. Audio-Synthese: Neben der Bildmanipulation können Deepfakes auch Audioaufnahmen erstellen, die die Stimme einer Person täuschend echt imitieren. Dies kann dazu führen, dass gefälschte Sprachaufnahmen erstellt werden, die jemanden Dinge sagen lassen, die sie nie gesagt haben. 
  3. Verwendungszwecke: Deepfakes werden oft aus Unterhaltungs- oder manipulativen Gründen erstellt. Sie wurden in der Vergangenheit in Filmen, Fernsehsendungen und sozialen Medien für Humor oder Täuschungszwecke verwendet. Allerdings haben Deepfakes auch das Potenzial für missbräuchliche Verwendung, wie das Erstellen gefälschter Nachrichten oder Erpressung. 
  4. Erkennung und Gegenmaßnahmen: Die schnelle Weiterentwicklung von Deepfake-Technologien hat dazu geführt, dass die Erkennung von Deepfakes immer schwieriger wird. Dennoch arbeiten Forscher und Unternehmen an Methoden zur Identifizierung von gefälschten Inhalten. Es gibt auch Bemühungen, Gesetze und Vorschriften zu erlassen, um den Missbrauch von Deepfakes einzudämmen. 
  5. Ethik und Datenschutz: Deepfakes werfen wichtige ethische Fragen auf, insbesondere in Bezug auf Privatsphäre und den Schutz vor Rufschädigung. Der Einsatz von Deepfakes ohne Zustimmung der betroffenen Personen kann schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben. 

Insgesamt sind Deepfakes ein Beispiel dafür, wie fortgeschrittene KI-Technologien sowohl kreative als auch potenziell problematische Anwendungen ermöglichen können. Die Entwicklung und Regulierung von Deepfake-Technologien sind Gegenstand anhaltender Debatten und Bemühungen. 

Sind Deepfakes strafbar? 

Kurz gesagt: Ja! Deepfakes können – je nach Einzelfall – gegen verschiedene geltende Gesetze verstoßen.

Hier sind einige wichtige Beispiele: 

  1. Verletzung des Rechts am eigenen Bild: In Deutschland ist das Recht am eigenen Bild im Kunsturhebergesetz (KUG) geregelt. Die Verwendung des Bildnisses (§ 22 KUG) einer Person ohne deren Einwilligung kann in vielen Fällen eine Verletzung dieses Rechts darstellen, insbesondere wenn die Verwendung dazu dient, die betroffene Person zu verleumden oder in eine unangemessene Situation zu bringen. 
  2. Persönlichkeitsrechtsverletzung: Die Schaffung oder Verbreitung von Deepfakes, die das Persönlichkeitsrecht einer Person verletzen, kann eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen, das im Grundgesetz (GG) verankert ist. Hier kann ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG oder eine Geldentschädigung gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG unter Umständen verlangt werden. 
  3. Urheberrechtliche Aspekte: Wenn Deepfakes urheberrechtlich geschütztes Material verwenden, wie zum Beispiel Bilder oder Audioaufnahmen, ohne die erforderlichen Rechte oder Lizenzen, kann dies eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Hier können sich Ansprüche aus §§ 14, 23, 97, 98 UrhG ergeben.  
  4. Strafrecht: Deepfakes können auch strafrechtlich sanktioniert werden. Insbesondere Ehrdelikte wie Beleidigungen (§§ 185 ff. StGB) werden oft verwirklicht. Auch der § 201a Abs. 2 StGB kann verwirklicht sein, wenn die Bildaufnahme geeignet ist, dem Ansehen der Person erheblich zu schaden. Auch ein Betrug gem. § 263 StGB kann unter Umständen vorliegen. Bei Deepfakes mit pornographischem Inhalt ist an die §§ 184b Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 4, 184c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 4 StGB zu denken. 

Es ist wichtig zu beachten, dass die rechtliche Beurteilung von Deepfakes von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann und von verschiedenen Faktoren abhängt, einschließlich des Kontexts, der Absicht und der Auswirkungen der Verwendung von Deepfakes. 

Häufige Fragen

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