Erziehungsmaßregeln
Die „leichteste“ Form der strafrechtlichen Sanktionierung im Jugendstrafrecht bilden die
Erziehungsmaßregeln. Mit den Erziehungsmaßregeln sollen Erziehungsmängel des Jugendlichen beseitigt und zugleich weitere Straftaten vermieden werden. Diese sind
- die Erteilung von Weisungen sowie
- die Anordnung, Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen
Am häufigsten werden Weisungen erteilt. Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Insbesondere können dem Jugendlichen oder Heranwachsenden folgende Weisungen auferlegt werden (§ 10 JGG).
- Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
- bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
- eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
- Arbeitsleistungen zu erbringen (sog. „Sozialstunden“)
- sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
- an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
- sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
- den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen
- an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.
Besonders häufig werden Arbeitsstunden oder soziale Trainingskurse angeordnet. Die oben genannten Weisungen sind jedoch nicht abschließend. Der Richter kann auch andere Weisungen erteilen.
Zuchtmittel
Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn eine Jugendstrafe (noch) nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat und Erziehungsmaßregeln hierfür nicht mehr ausreichen. Zuchtmittel (§ 13-16 JGG) sind:
- die Verwarnung,
- die Erteilung von Auflagen,
- der Jugendarrest und
- Verwarnung
Verwarnung
Durch die Verwarnung – die mildeste Form der möglichen Zuchtmittel – soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden. Es handelt sich um eine förmliche Zurechtweisung des Jugendlichen, z. B. in Form einer eindringlichen Ansprache durch den Richter im Rahmen einer Hauptverhandlung.
Auflagen
Der Richter kann dem Jugendlichen folgende Auflagen erteilen:
- nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
- sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen,
- Arbeitsleistungen zu erbringen,
- einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.
Erfüllt der Jugendliche die Auflagen nicht, droht Jugendarrest.
Jugendarrest
Der Jugendarrest ist das härteste Zuchtmittel. Es handelt sich dabei um eine kurzzeitige Freiheitsentziehung in Form des Freizeitarrests, Kurzarrests oder Dauerrests.
Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen. Der Kurzarrest dauert zwei bis vier Tage. Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen.
Jugendstrafe
Die Jugendstrafe (§ 17 JGG) ist die härteste Form der Eingriffsmöglichkeiten auf den straffälligen Jugendlichen (oder Heranwachsenden) und ist ein Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt. Die Jugendstrafe entspricht faktisch der Freiheitsstrafe im Erwachsenenstrafrecht. Sie kommt nur nach Straftaten in Betracht, wenn Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel nicht mehr ausreichen.
Der Richter verhängt die Jugendstrafe, wenn bei dem Jugendlichen „schädliche Neigungen“ vorliegen oder wenn wegen der „Schwere der Schuld“ die Verhängung der Jugendstrafe erforderlich ist.
„Schädliche Neigungen“ sind bei einem Täter gegeben, wenn sich erhebliche Erziehungsmängel zeigen und die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht. Die „Schwere der Schuld“ wird vor allem bei schwerwiegenden Delikten wie Tötungsdelikten, schweren Fällen des Raubes oder schweren Sexualstraftaten festgestellt.
Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate.
Gegenüber Jugendlichen (14 bis 18 Jahre) beträgt das Höchstmaß der Jugendstrafe 5 Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, worauf im Erwachsenenstrafrecht eine Strafe von mehr als 10 Jahren vorgesehen ist, so ist das Höchstmaß auf 10 Jahre heraufgesetzt (§ 18 JGG).
Gegenüber Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre) beträgt das Höchstmaß 10 Jahre. Handelt es sich bei der abzuurteilenden Tat um Mord, ist das Höchstmaß der Jugendstrafe auf 15 Jahre erhöht.
Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht. Eine Jugendstrafe bis zu zwei Jahren kann noch zur Bewährung ausgesetzt werden.
Tabelle: Altersstufen im (Jugend-) Strafrecht und im Zivilrecht
Strafrechtliche Haftung |
Zivilrechtliche Haftung | |
Kleinkinder
0 – 6 Jahre |
Strafunmündigkeit (§ 19 StGB) |
Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB)
Deliktsunfähigkeit |
Kinder
7 – 13 Jahre |
Strafunmündigkeit (§ 19 StGB) |
beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 2, 106 BGB) beschränkte Deliktsfähigkeit |
Jugendliche
14 – 17 Jahre |
bedingte Strafmündigkeit (§ 19 StGB, § 1 Abs. 2 JGG) |
beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 2, 106 BGB) beschränkte Deliktsfähigkeit |
Heranwachsende
18 – 20 Jahre |
volle Strafmündigkeit (§ 19 StGB, § 1 Abs. 2 JGG) aber: Sonderregeln |
volle Geschäftsfähigkeit (§§ 2, 106 BGB)
volle Deliktsfähigkeit |
Erwachsene
ab 21 Jahren |
volle Strafmündigkeit (§ 19 StGB, § 1 Abs. 2 JGG) aber: verminderte oder |
volle Geschäftsfähigkeit (§§ 2, 106 BGB) volle Deliktsfähigkeit |
Keine Strafbarkeit / Haftung
Bedingte Strafbarkeit / Haftung
Volle Strafbarkeit / Haftung
StGB = Strafgesetzbuch
JGG = Jugendgerichtsgesetz
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch