Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck verurteilte am 30.01.2019 zwei junge Frauen wegen „Containerns“. Die beiden sollen weggeworfene Lebensmittel aus einem Müllcontainer eines Supermarktes entwendet haben. Der Müllcontainer war verschlossen.
Was ist „Containern“?
Unter dem „Containern“ (auch bekannt als „Mülltauchen“, „Dumpster Diving“ oder schlicht „Lebensmittel retten“) versteht man die Mitnahme weggeworfener Lebensmittel aus Müllcontainern, zumeist auf dem Gelände von Supermärkten. Akteure sind dabei nicht nur Bedürftige, sondern überwiegend Personen, die sich gegen die Verschwendung von Lebensmitteln einsetzen.
Allein in Deutschland werden jährlich mehrere Millionen Tonnen noch genießbarer Lebensmittel weggeworfen. Insbesondere im Einzelhandel landet einiges auf dem Müll, was zwar noch genießbar, aber kaum mehr an den Kunden gebracht werden kann. In der Regel also Lebensmittel mit Druckstellen, Überschüsse oder Lebensmittel, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben.
Wie behandeln die Gerichte das Thema?
Das Thema ist ideologisch aufgeladen. Auf der einen Seite steht die Verschwendung von Lebensmitteln. Auf der anderen Seite geltendes Recht. Denn juristisch ist die Sache recht eindeutig. Wer auf das Gelände eines Lebensmitteldiscounters eindringt und weggeworfene Lebensmittel mitnimmt, begeht Diebstahl und Hausfriedensbruch. Wer containert, macht sich in der Regel strafbar.
Wird ein Müllcontainer zudem noch besonders gesichert (etwa durch ein Schloss) befindet man sich im Bereich des besonders schweren Diebstahls (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu 10 Jahren).
Zwar werden die darauf folgenden Strafverfahren regelmäßig wegen geringer Schuld oder mangels öffentlichen Interesses ohne großes Aufsehen eingestellt. Allerdings geht es – wie im aktuellen Fall – nicht immer so glimpflich für die „Lebensmittelretter“ aus.
Amtsgericht Fürstenfeldbruck: Verwarnung unter Strafvorbehalt
In dem Fall der beiden jungen Frauen erlies das Amtsgericht Fürstenfeldbruck zunächst Strafbefehle. Dagegen legten beide Einspruch ein, sodass die Sache vor dem Amtsgericht verhandelt wurde. Das Gericht machte deutlich, dass es zu keinem Urteil kommen sollte. Die Staatsanwaltschaft sperrte sich jedoch gegen sämtliche Bemühungen, eine Einstellung zu erreichen, und bejahte weiter das „öffentliche Interesse an der Strafverfolgung“.
Dem Gericht blieb nichts anderes übrig, als ein Urteil zu fällen, und verwarnte die beiden Studentinnen. Die festgesetzte Strafe von 225 € (15 Tagessätze zu je 15 €) blieb vorbehalten.
Ein Grundsatzurteil steht weiterhin aus.
Ist die Mitnahme von „Müll“ ein Diebstahl?
Für viele Menschen ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb die Mitnahme von weggeworfenen Sachen einen Diebstahl darstellen soll. Schließlich hat sich der Eigentümer der Sache ja offensichtlich entledigt und will diese nicht mehr haben.
Ein Jurist verfolgt eine ganz andere Lesart. Dabei ist der objektive Tatbestand eines Diebstahls nach §§ 242, 243 StGB dann erfüllt, wenn es sich um die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache handelt. Unter einer Wegnahme verstehen die Juristen den „Bruch fremden und die Begründung von neuem, nicht notwendigerweise tätereigenem, Gewahrsams an einer Sache“.
Fremd ist die Sache, soweit diese nicht im alleinigen Eigentum des Täters steht. Auch (Lebensmittel-)Müll bleibt solange im Eigentum eines Supermarktes, bis dieser abgeholt wird.
Ausnahme: Herrenlose Sachen
Im Zusammenhang mit der Wegnahme weggeworfener Sachen wird die Frage diskutiert, ob der Müll nicht „herrenlos“ geworden ist. Denn herrenlose Sachen stehen in niemandes Eigentum und können folglich nicht (strafbar) weggenommen werden, mithin keinen Diebstahl begründen.
Die Herrenlosigkeit kann z.B. durch die Aufgabe des Eigentums eintreten. Ob eine solche Eigentumsaufgabe vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Selbst das Abstellen von Sperrmüll auf der Straße soll nach der Rechtsprechung – noch keine Eigentumsaufgabe darstellen.
Ob eine Eigentumsaufgabe beim Wegwerfen von Lebensmitteln vorliegt, ist dabei auch im Zusammenhang mit der Strafbarkeit des „Containerns“ diskutiert worden. Soweit Lebensmittel in öffentlich zugänglichen Mülltonnen – etwa zur Entsorgung von Bio- oder Restmüll – landen, wird man einen Entledigungswillen des Eigentümers annehmen können.
Weitaus öfter – wie auch bei dem aktuellen Urteil – geht es jedoch um das Eindringen in Müllcontainern von Supermärkten, die sich in der Regel auf einem nicht zugänglichen Betriebsgelände befinden und zumeist zusätzlich verschlossen sind. In diesen Fällen wird eine Aufgabe des Eigentums gerade nicht angenommen. Denn dem Eigentümer ist es in diesen Fällen offensichtlich nicht egal, was mit den Abfällen passiert. Insbesondere in den Fällen, in denen der Supermark für eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung verantwortlich ist, und ggf. hierfür haftet, wird eine Eigentumsaufgabe nicht angenommen.
Quo vadis? – Die Politik ist am Zug
Neben Einzelfragen zeigt die Diskussion in der gesellschaftlichen und rechtswissenschaftlichen Diskussion eines: Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist und bleibt Containern grundsätzlich weiterhin strafbar. Abhilfe kann damit nur der Gesetzgeber schaffen.
Zuletzt gab es einen entsprechenden Antrag der Partei „Die Linken“ im Juni 2017 zur Entkriminalisierung von Lebensmittelrettern beim Containern. Der Antrag wurde im deutschen Bundestag jedoch abgelehnt.