Wenn der Angeklagte nicht zur Hauptverhandlung kommt …

Die Abwesenheit des Angeklagten bei einer Hauptverhandlung stellt ein signifikantes rechtliches Dilemma dar, das direkte Auswirkungen auf den Verlauf des Verfahrens hat. Sie zwingt das Gericht, schwierige Entscheidungen zu treffen, die zwischen dem Respekt für die Rechte des Angeklagten und der Notwendigkeit einer effizienten Rechtspflege abwägen. Je nach Rechtsordnung und den spezifischen Umständen des Falles…

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

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    Das sagt das Gesetz:

Kein Angeklagter, keine Verhandlung

Vor dem Verhandlungssaal des Amtsgericht Leipzig findet sich eine Traube von Menschen ein – darunter Zeugen, Polizeibeamte und auch einen Angeklagten erkenne ich wieder.

Und doch: Es fehlt eine wichtige Person: mein Mandant ist – nicht ganz überraschend – nicht da. Besonders brisant: Der Mandant hat die Angewohnheit auch zu anderen Verhandlung – sagen wir es positiv – nur sporadisch zu erscheinen.

Einige Angeklagte handeln dabei nach dem Motto:

„Wenn ich nicht zur Verhandlung komme, kann man mich auch nicht verurteilten.“

Und so falsch liegen sie damit gar nicht

Grundsätzlich kann eine gerichtliche Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nicht stattfinden. In § 230 StPO heißt es hierzu:

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

Lediglich in den Ausnahmefällen des § 231 Abs. 2 StPO ist eine Verhandlung ohne den Angeklagten möglich.

(1) 1Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. 2Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

Bei unentschuldigtem Ausbleiben droht Haft

Und doch kann sich ein Angeklagter nicht durch bloßes Nicht-Erscheinen „seinem“ Strafverfahren entziehen. Das Gericht kann das Erscheinen des Angeklagten zwangsweise mit dem Vorführungsbefehl oder einem Haftbefehl herbeiführen.

Idealfall: Ausreichende Entschuldigung

Natürlich kann auch das Gericht nichts Unmögliches verlangen. Ist der Angeklagte nachweisbar krank, ist er entschuldigt, und hat einen Anspruch darauf, dass der Termin verschoben wird. Ausreichend ist, dass der Angeklagte entschuldigt ist und nicht, dass die Verhinderung noch vor der Verhandlung nachgewiesen ist.

Der häufigste Fall sind Erkrankungen oder Verletzungen. Diese müssen aber ärztlich bestätigt werden und nachgewiesen werden können. Der Arzt muss auch bestätigen, dass der Betroffene verhandlungsunfähig ist – eine einfache Erkältung reicht daher nicht.

Ebenso reicht ein Auslandsaufenthalt oder ein Urlaub nicht aus, insbesondere dann nicht, wenn die Buchung nach der Ladung erfolgt ist.

Sitzungsstrafbefehl

Sieht das Gericht und die Staatsanwaltschaft einen Sachverhalt als erwiesen kann, und geht der Richter entsprechend davon aus, dass es einer Hauptverhandlung nicht bedarf, kann ein sogenannte Sitzungsstrafbefehl erlassen werden.

Bei einem Sitzungsstrafbefehl handelt es sich um einen “normalen” Strafbefehl, also um ein Urteil im schriftlichen Verfahren.

Im Sitzungsstrafbefehl wird eine Strafe festgesetzt. Dies wird in der Regel eine Geldstrafe sein. Beabsichtigt das Gericht, eine Freiheitsstrafe (mit Bewährung) festzusetzen, muss hierfür ein Verteidiger beigeordnet werden.

Gegen den Sitzungsstrafbefehl kann binnen zwei Wochen nach dessen Zustellung Einspruch eingelegt werden.

Wenn der Angeklagte nicht zur Hauptverhandlung kommt ...

Vorführungsbefehl

Bei einem Vorführungsbefehl setzt das Gericht zunächst einen Fortsetzungstermin fest und ordnet zugleich die polizeiliche Vorführung des Angeklagten an.

Der Angeklagte wird dann zum nächsten Termin von der Polizei abgeholt und zu Gericht gebracht. Das bedeutet, dass die Polizei kurz vor der Verhandlung die zuletzt bekannte Wohnanschrift des Angeklagten aufsucht, und versuchen wird, den Angeklagten mitzunehmen. Gelingt das, wird der Angeklagte in den Zellentrakt des Gerichts verbracht, wo er auf seine Verhandlung wartet.

Wohnt der Angeklagten nicht allzu weit weg, kann auch noch am Verhandlungstag versucht werden, diesen herbei zu schaffen.

Scheitert die Vorführung wird im Folgetermin ein Haftbefehl erlassen.

(Die Möglichkeit eines Sitzungsstrafbefehls (s.o.) besteht natürlich ebenso fort).

Sitzungshaftbefehl

Bei einem unentschuldigten Fernbleiben von der Hauptverhandlung ist auch der Erlass eines (Sitzungs-)Haftbefehls möglich. Dabei handelt es sich technisch um eine Unterform der Untersuchungshaft.

Das Gericht ordnet also die Verhaftung des Angeklagten an.

Sobald die Polizei auf den Angeklagten trifft, wird dieser umgehend zum Gericht gebracht, wo ihm der Haftbefehl verkündet wird. Anschließend wird er in eine JVA verbracht. Dort muss er bis zum nächsten Termin verbleiben.

Bis zum nächsten Termin können – je nach Auslastung (und Laune) des Gerichts – einige Zeit verstreichen. In dem Folgetermin wird dann auch über den Haftbefehl entschieden. Wie keine vollstreckbare Freiheitsstrafe verhängt, wird auch der Haftbefehl wieder aufgehoben.

Sie sind als Angeklagter nicht zum Hauptverhandlungstermin erschienen?

Wenn Sie selbst als Angeklagter nicht zum Verhandlungstermin erschienen sind, sollten Sie sich umgehend um anwaltlichen Beistand kümmern.

Wie oben ausgeführt, droht Ihnen, dass Sie von der Polizei abgeholt und schlimmstenfalls in ein Gefängnis verbracht werden – bis ein neuer Hauptverhandlungstermin feststeht, können mitunter Wochen vergehen. In dieser Situation ist es erforderlich, dass Sie kompetente Unterstützung erhalten.

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