Fahrlässige Körperverletzung

Schnell kann im beruflichen bzw. sportlichen Bereich, bei Verkehrsunfällen sowie bei der Arzt- oder Produkthaftung eine fahrlässige Körperverletzung nach § 229 Strafgesetzbuch (StGB) verwirklicht werden. Welche Voraussetzungen hierfür vorliegen müssen und welches Strafmaß droht, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Fahrlässige Körperverletzung

Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit – sei es im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz oder im Alltag – kann schwerwiegende Folgen haben. Neben dem emotionalen Schock droht schnell auch strafrechtlicher Ärger. Fahrlässige Körperverletzung ist kein Kavaliersdelikt. Nach § 229 StGB kann ein solches Verhalten mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Besonders tückisch: Selbst ohne jede böse Absicht kann der Beschuldigte plötzlich ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten.

In diesem Beitrag erfahren Sie aus Sicht der Verteidigung, wann eine fahrlässige Körperverletzung vorliegt, wie sie sich von anderen Körperverletzungsdelikten unterscheidet, welche Strafen drohen und wie Sie sich effektiv verteidigen können.


Was ist fahrlässige Körperverletzung?

Eine Körperverletzung begeht nicht nur, wer absichtlich zuschlägt. Auch fahrlässiges Verhalten kann strafbar sein, wenn es zu einer Schädigung des Körpers oder der Gesundheit einer anderen Person führt.

Gesetzlicher Rahmen: § 229 StGB

„Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Der Gesetzgeber schützt mit dieser Norm die körperliche Unversehrtheit – und das nicht nur gegen vorsätzliche, sondern auch gegen sorgfaltspflichtwidrige Verhaltensweisen, die unbeabsichtigt zu Verletzungen führen.


Voraussetzungen der Strafbarkeit

Damit eine fahrlässige Körperverletzung vorliegt, müssen mehrere Elemente zusammenkommen:

Tathandlung

Die Körperverletzung muss in Form einer körperlichen Misshandlung oder Gesundheitsschädigung erfolgt sein (§ 223 StGB). Dies kann direkt oder mittelbar geschehen – durch einen Stoß, einen Fahrfehler, ein medizinisches Versehen oder durch Unterlassen einer gebotenen Handlung.

Fahrlässigkeit

Der Täter handelt fahrlässig, wenn er:

  • Objektiv gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt (z. B. gegen Verkehrs- oder Arbeitsschutzregeln),

  • und subjektiv in der Lage gewesen wäre, die Gefahr seines Verhaltens zu erkennen.

Es reicht nicht, dass „ein Fehler“ passiert ist. Entscheidend ist, ob die Schädigung vorhersehbar und vermeidbar war – und ob der Beschuldigte dies hätte erkennen können.

Kausalität

Zwischen der fahrlässigen Handlung und der Verletzung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Die Tat muss also die Gesundheitsschädigung zumindest mitverursacht haben.

Kein Vorsatz

Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn kein Vorsatz – also kein Wissen und Wollen der Verletzung – gegeben ist. Sobald der Täter die Verletzung billigend in Kauf nimmt, handelt er vorsätzlich – und es kommt § 223 StGB zur Anwendung.


Beispiele aus der Praxis

Verkehrsunfälle

Ein Autofahrer fährt bei Nässe mit überhöhter Geschwindigkeit, kommt ins Schleudern und verletzt einen Fußgänger – typische fahrlässige Körperverletzung. Verstöße gegen Verkehrsregeln führen besonders häufig zu solchen Vorwürfen.

Hundebiss

Ein Hundehalter lässt seinen Tierfreund ohne Leine laufen – obwohl eine Leinenpflicht besteht. Der Hund beißt ein Kind. Auch hier kann eine Pflichtverletzung vorliegen, die zur Strafbarkeit führt.

Medizinische Behandlungsfehler

Ein Arzt versäumt es, einen Patienten über Risiken aufzuklären, und es kommt zu Komplikationen. Wenn der Eingriff gegen ärztliche Sorgfaltsstandards verstößt, kann daraus eine strafbare fahrlässige Körperverletzung resultieren.

Arbeitsunfälle

Ein Bauleiter unterlässt Sicherheitsvorkehrungen. Ein Mitarbeiter stürzt. Wer gegen Sicherungs- und Überwachungspflichten verstößt, kann sich ebenfalls strafbar machen – sogar bei indirekter Beteiligung.

Fahrlässige Körperverletzung


Strafmaß und rechtliche Folgen

Freiheitsstrafe oder Geldstrafe

Der Strafrahmen beträgt bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Das Gericht berücksichtigt dabei:

  • Schwere und Art der Verletzung

  • Grad der Fahrlässigkeit

  • Vorstrafen oder einschlägige Verstöße

  • Verhalten nach der Tat (z. B. Entschuldigung, Schadenswiedergutmachung)

Einstellung des Verfahrens

Gerade bei Ersttätern oder geringfügigen Verletzungen kann das Verfahren nach § 153 oder § 153a StPO eingestellt werden – oft gegen eine Geldauflage. Ziel einer guten Verteidigung ist es häufig, genau das zu erreichen – ohne Eintrag im Führungszeugnis.

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Besonders im Straßenverkehr drohen zusätzlich:

Diese Nebenfolgen können sogar gravierender sein als die Strafe selbst – gerade für Berufskraftfahrer.


Strafantrag und öffentliches Interesse

Die fahrlässige Körperverletzung ist ein relatives Antragsdelikt (§ 230 StGB). Das heißt:

  • Der Verletzte muss einen Strafantrag stellen, sonst wird das Verfahren in der Regel nicht eröffnet.

  • Eine Ausnahme besteht, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vorliegt – etwa bei Verkehrsunfällen mit erheblicher Gefährdung.

Ein fehlender Strafantrag ist daher ein häufiger Verteidigungsansatz.


Abgrenzung zu anderen Delikten

Keine fahrlässige gefährliche oder schwere Körperverletzung

Die Delikte nach § 224 und § 226 StGB setzen Vorsatz voraus – Fahrlässigkeit reicht nicht aus.

Fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge?

Gibt es nicht. Stirbt das Opfer, kommt je nach Situation § 222 StGB (fahrlässige Tötung) oder § 227 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) in Betracht – beide sind deutlich schwerwiegender.


Verjährung

Die fahrlässige Körperverletzung verjährt nach drei Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB). Die Frist beginnt mit Beendigung der Tat und kann durch behördliche Maßnahmen unterbrochen werden.


Zivilrechtliche Konsequenzen

Neben der strafrechtlichen Sanktion drohen oft zivilrechtliche Forderungen:

  • Schmerzensgeld

  • Heilbehandlungskosten

  • Verdienstausfall

  • Haushaltsführungsschaden

Ein Strafurteil kann die zivilrechtliche Klage erleichtern, ist aber keine Voraussetzung.


Verteidigungsstrategien bei fahrlässiger Körperverletzung

Ein erfahrener Strafverteidiger wird zunächst die Sach- und Rechtslage prüfen:

  • Gab es wirklich einen Verstoß gegen eine Sorgfaltspflicht?

  • War die Verletzung kausal durch das Verhalten des Beschuldigten bedingt?

  • Lag Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit vor?

  • Gibt es entlastende Zeugen oder Gegengutachten?

Oft lassen sich durch gezielte Verteidigungsstrategien:

  • Verfahren verhindern

  • Einstellungen erreichen

  • Nebenfolgen abwenden (z. B. Führerschein)

  • Einträge im Führungszeugnis vermeiden


Präventionsmaßnahmen

Wer seine Sorgfaltspflichten kennt, schützt sich nicht nur selbst, sondern auch andere – und vermeidet strafrechtliche Konsequenzen. Achten Sie insbesondere auf:

  • Verkehrsregeln und Sicherheitsvorschriften

  • Aufklärung und Kommunikation im medizinischen Bereich

  • Verhaltensregeln im Umgang mit Tieren

  • Verantwortung als Aufsichts-, Bau- oder Betriebsleiter

Fahrlässige Körperverletzung


Internationale Perspektive

In anderen Ländern – etwa Österreich oder der Schweiz – sind vergleichbare Regelungen zur fahrlässigen Körperverletzung im Strafrecht verankert. Unterschiede bestehen allerdings im Detail, insbesondere beim Strafmaß oder bei der Einordnung in das Deliktsystem.


Aktuelle Rechtsprechung

Die Gerichte zeigen regelmäßig: Auch scheinbar harmlose Fahrlässigkeit kann strafrechtlich relevant sein. Beispiele:

  • Ein Paketbote stürzt auf einer ungesicherten Treppe – Bauherr wird verurteilt.

  • Eine Ärztin überliest ein Warnsignal im EKG – Patient erleidet Schlaganfall.

  • Ein Radfahrer überholt rechts – Fußgänger wird verletzt.

Diese Fälle zeigen: Fahrlässigkeit wird vom Strafrecht nicht verharmlost.


FAQs zur fahrlässigen Körperverletzung

Was ist der Unterschied zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit?
Einfache Fahrlässigkeit ist eine alltägliche Unachtsamkeit. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die gebotene Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt wurde.

Wird die Tat ins Führungszeugnis eingetragen?
Nur bei Verurteilungen über 90 Tagessätze oder Freiheitsstrafen über drei Monate.

Kann das Verfahren eingestellt werden?
Ja – insbesondere bei Ersttätern oder geringfügigen Verletzungen. Eine Einstellung nach § 153 oder § 153a StPO ist oft möglich.

Muss immer ein Strafantrag gestellt werden?
In der Regel ja. Nur bei besonderem öffentlichen Interesse ermittelt die Staatsanwaltschaft von Amts wegen.

Wie lange dauert ein Ermittlungsverfahren?
Das ist unterschiedlich – je nach Sachlage, Beweislage und Verfahrensstrategie. Zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten ist alles möglich.


Fazit: Frühzeitig handeln – klug verteidigen

Wenn Ihnen der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung gemacht wird, sollten Sie nicht zögern, sondern sofort handeln. Machen Sie keine Angaben ohne anwaltlichen Beistand – auch nicht „nur zur Aufklärung“. Ein spezialisierter Strafverteidiger kann schon im Ermittlungsverfahren entscheidend eingreifen, Verfahren abwenden oder entscheidend steuern.

Die Devise lautet: Je früher die Verteidigung beginnt, desto besser sind Ihre Chancen.

 

 

 

 

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