Fahrlässige Körperverletzung

Schnell kann im beruflichen bzw. sportlichen Bereich, bei Verkehrsunfällen sowie bei der Arzt- oder Produkthaftung eine fahrlässige Körperverletzung nach § 229 Strafgesetzbuch (StGB) verwirklicht werden. Welche Voraussetzungen hierfür vorliegen müssen und welches Strafmaß droht, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 08.12.2024

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Eine Körperverletzung kann nicht nur vorsätzlich, sondern auch fahrlässig begangen werden. Diese Begehungsform ist nach § 229 StGB strafbar. Eine fahrlässige Körperverletzung liegt vor, wenn der Täter eine Verletzung des Opfers herbeiführt, indem er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Die Besonderheit liegt darin, dass keine bewusste Schädigungsabsicht vorliegt. Dennoch können Handlungen, die aus Nachlässigkeit, Unachtsamkeit oder mangelnder Voraussicht begangen werden, erhebliche Konsequenzen haben.

Wann ist die „fahrlässige Körperverletzung“ strafbar?

Der Straftatbestand schützt die körperliche Unversehrtheit und das Wohlbefinden des Opfers. Nach § 229 StGB sind folgende Voraussetzungen erforderlich:

1. Tathandlung

Die Verletzungshandlung muss zu einer körperlichen Misshandlung oder Gesundheitsschädigung führen (§ 223 StGB). Dies kann ein physischer Eingriff wie ein Stoß oder Schlag sein oder ein indirekter Vorgang, beispielsweise durch ein unvorsichtiges Verhalten im Straßenverkehr.

2. Fahrlässigkeit

Fahrlässigkeit ist der zentrale Unterschied zur vorsätzlichen Körperverletzung. Der Täter handelt nicht absichtlich, lässt jedoch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht. Dies umfasst:

  • Objektive Fahrlässigkeit: Verstoß gegen geltende Vorschriften oder Standards (z. B. Verkehrsregeln).
  • Subjektive Fahrlässigkeit: Der Täter hätte nach seinen persönlichen Fähigkeiten erkennen können, dass sein Verhalten gefährlich ist.

Beispiel: Wer mit unangepasster Geschwindigkeit auf glatter Straße fährt, handelt fahrlässig, wenn er dabei einen Unfall verursacht.

3. Kausalität

Die Verletzung muss durch die fahrlässige Handlung verursacht worden sein. Es genügt, wenn die Handlung wesentlich zur Schädigung beiträgt.

4. Kein Vorsatz

Fehlt der Vorsatz, liegt keine vorsätzliche Körperverletzung vor. Dennoch wird ein sorgfaltspflichtwidriges Verhalten als strafwürdig angesehen.

5. Versuch

Ein Versuch der fahrlässigen Körperverletzung ist nicht strafbar, da das Gesetz hierfür keine Grundlage bietet.

6. Strafantrag

Die fahrlässige Körperverletzung ist ein relatives Antragsdelikt. Der Geschädigte muss einen Strafantrag stellen, es sei denn, die Staatsanwaltschaft sieht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.

Beispiele aus der Praxis

Fahrlässige Körperverletzung bei Verkehrsunfällen

Verkehrsunfälle sind die häufigste Ursache für fahrlässige Körperverletzungen. Häufige Konstellationen sind:

  • Überhöhte Geschwindigkeit
  • Rotlichtverstöße
  • Unachtsames Abbiegen oder Überholen
  • Anfahren von Fußgängern oder Radfahrern

Die Verletzungen können von Prellungen bis hin zu lebensgefährlichen Schäden reichen. Neben der strafrechtlichen Verantwortung drohen zivilrechtliche Forderungen wie Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Fahrlässige Körperverletzung durch Hundebiss

Ein nicht angeleinter Hund, der jemanden verletzt, kann seinen Halter in Bedrängnis bringen. Für eine strafrechtliche Verantwortung müssen dem Halter eine Sorgfaltspflichtverletzung und eine Vorhersehbarkeit des Hundeverhaltens nachgewiesen werden.

Medizinische Behandlungsfehler

Fahrlässige Körperverletzung kann auch im medizinischen Bereich durch fehlerhafte Diagnosen, Behandlungen oder Unterlassungen entstehen. Dabei spielt die Einhaltung medizinischer Standards eine zentrale Rolle.

Weitere Beispiele

  • Unzureichende Sicherung auf Baustellen
  • Falsche Handhabung von Maschinen
  • Missachtung von Sicherheitsvorschriften in der Pflege

Rechtliche Einordnung von Fahrlässigkeit

Einfache Fahrlässigkeit vs. grobe Fahrlässigkeit

  • Einfache Fahrlässigkeit: Leichte Unachtsamkeit, z. B. eine kurze Ablenkung beim Autofahren.
  • Grobe Fahrlässigkeit: Besonders schwere Pflichtverletzungen, z. B. das Überfahren einer roten Ampel trotz klarer Sichtverhältnisse.

Abgrenzung zur vorsätzlichen Körperverletzung

Die Grenze zwischen Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz kann in der Praxis schwierig zu ziehen sein. Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter die Möglichkeit der Verletzung erkennt und dennoch handelt.

Strafen für fahrlässige Körperverletzung

Der gesetzliche Strafrahmen reicht von einer Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Faktoren, die bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, sind:

  • Schwere der Verletzung
  • Persönliche Umstände des Täters
  • Verhalten nach der Tat (z. B. Entschuldigung, Schadenswiedergutmachung)

Sonderfälle: Fahrverbot und Führerscheinentzug

Bei fahrlässigen Körperverletzungen im Straßenverkehr können zusätzliche Maßnahmen wie Fahrverbot oder Entzug der Fahrerlaubnis drohen.

Schmerzensgeld bei fahrlässiger Körperverletzung

Neben der strafrechtlichen Verfolgung können Geschädigte zivilrechtlich Schmerzensgeld verlangen. Die Höhe richtet sich nach:

  • Schwere der Verletzungen
  • Dauer und Intensität der Behandlung
  • Dauerhafter Beeinträchtigung

Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, dass die Beträge stark variieren können.

Fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen

Eine fahrlässige Körperverletzung kann auch durch Unterlassen entstehen, wenn jemand eine Handlung unterlässt, die zur Vermeidung des Schadens erforderlich gewesen wäre. Beispiele:

  • Unterlassene Erste Hilfe
  • Keine Sicherung gefährlicher Baustellen

Verjährung von Ansprüchen

Die strafrechtliche Verfolgung verjährt in der Regel nach drei Jahren. Im zivilrechtlichen Bereich gelten ebenfalls Fristen, die je nach Fall unterschiedlich sein können.

Häufige Irrtümer

Gibt es fahrlässige gefährliche oder schwere Körperverletzung?

Nein, die Begriffe „gefährliche“und „schwere Körperverletzung“ setzen Vorsatz voraus. Fahrlässigkeit schließt diese Qualifikationen aus.

Was ist eine fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge?

Der Begriff existiert nicht, da bei Todesfällen entweder fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) oder Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) vorliegt.

Fazit: Wie sollten sich Beschuldigte verhalten?

Ein Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung kann gravierende Folgen haben. Beschuldigte sollten frühzeitig einen erfahrenen Strafverteidiger hinzuziehen. Eine präzise Analyse der Beweislage und eine fundierte Verteidigungsstrategie sind entscheidend. Oft können Vorwürfe entkräftet oder Verfahren eingestellt werden.

FAQs zu fahrlässiger Körperverletzung

1. Was unterscheidet einfache von grober Fahrlässigkeit?
Einfache Fahrlässigkeit ist eine leichte Nachlässigkeit, während grobe Fahrlässigkeit eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt.

2. Kann eine fahrlässige Körperverletzung im Führungszeugnis stehen?
Ja, insbesondere bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe oder höheren Geldstrafe.

3. Wie hoch ist die Strafe bei einem Hundebiss?
Die Strafe hängt vom Einzelfall ab und kann eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe umfassen, zusätzlich zu zivilrechtlichen Ansprüchen.

4. Kann ein Verfahren eingestellt werden?
Ja, insbesondere bei Geringfügigkeit oder durch Wiedergutmachung.

5. Ist eine fahrlässige Körperverletzung ein Antragsdelikt?
Ja, es handelt sich um ein relatives Antragsdelikt. Ein Strafantrag des Opfers ist in der Regel notwendig.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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