Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger

Die „Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger“ ist gem. § 180 StGB strafbar. Doch auf was bezieht sich dieser Paragraf? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um sich dieses Delikts schuldig zu machen? Und welche Strafen können drohen? Antworten auf diese Fragen finden Sie im folgenden Beitrag.

Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger

Die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger ist ein hochsensibler Bereich des deutschen Sexualstrafrechts. § 180 StGB schützt die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen und stellt bestimmte Formen der Einflussnahme unter Strafe. Doch was genau bedeutet „Förderung“ in diesem Kontext? Wann beginnt die Strafbarkeit – und wann endet sie? Und vor allem: Welche Handlungsspielräume haben Beschuldigte?

Dieser Beitrag liefert einen tiefgehenden Einblick in die Rechtslage, erläutert die Unterschiede zwischen den Tatvarianten, analysiert typische Fallkonstellationen und zeigt praxisnahe Verteidigungsstrategien auf – aus der Sicht des Strafverteidigers.


Rechtsgrundlage: § 180 StGB im Überblick

§ 180 StGB stellt zwei unterschiedliche Handlungsweisen unter Strafe:

  • Abs. 1: Die Vermittlung oder Gewährung von Gelegenheiten zu sexuellen Handlungen Minderjähriger unter 16 Jahren.
  • Abs. 2: Das Bestimmen oder Vermitteln von entgeltlichen sexuellen Handlungen von Jugendlichen unter 18 Jahren.

Ziel ist der Schutz der freien und ungestörten sexuellen Entwicklung Minderjähriger. Das Gesetz greift daher bereits dann ein, wenn Dritte gezielt dazu beitragen, dass es zu sexuellen Handlungen kommt – unabhängig davon, ob diese tatsächlich stattfinden.


Tatobjekt: Wer zählt als Minderjähriger?

Maßgeblich ist das Alter des betroffenen Jugendlichen oder Kindes:

  • Unter 16 Jahre: Bei der Variante des § 180 Abs. 1 StGB.
  • Unter 18 Jahre: Bei entgeltlichen sexuellen Handlungen nach § 180 Abs. 2 StGB.

Wichtig: Die Altersgrenzen sind starr. Auch wenn ein Jugendlicher reif oder einvernehmlich handelt, ändert das nichts an der Strafbarkeit.


Tatvarianten im Detail

1. Vermittlung oder Gewährung von Gelegenheiten (§ 180 Abs. 1 StGB)

Der Täter macht sich strafbar, wenn er einem Kind oder Jugendlichen unter 16 Jahren gezielt Gelegenheit zu sexuellen Handlungen schafft – etwa durch:

  • Bereitstellung von Räumen (z. B. Übernachtungserlaubnis bei deutlich älterem Partner),
  • Organisation von Treffen mit sexuellem Bezug,
  • Duldung sexueller Kontakte im eigenen Haushalt trotz Kenntnis der Minderjährigkeit.

Entscheidend ist, dass der Täter die sexuelle Handlung nicht nur kennt, sondern bewusst fördert.

2. Bestimmen oder Vermitteln entgeltlicher sexueller Handlungen (§ 180 Abs. 2 StGB)

Hier wird ein Jugendlicher unter 18 Jahren dazu gebracht, gegen Entgelt sexuelle Handlungen vorzunehmen oder zu dulden. Die Tat kann auch durch Dritte vermittelt werden.

Beispiele:

  • Der Täter überredet einen 17-Jährigen, gegen Geld intime Bilder zu versenden.
  • Eine Dritte Person vermittelt gegen Provision den Kontakt zwischen Jugendlichem und Kunde.

Entgeltlich bedeutet nicht nur Geld – auch Sachleistungen, Geschenke oder Vergünstigungen können ausreichen.

Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger

Vorsatz: Subjektive Seite des Tatbestandes

§ 180 StGB ist ein Vorsatzdelikt. Der Täter muss:

  • das Alter des Opfers kennen oder zumindest billigend in Kauf nehmen,
  • wissen oder wollen, dass er durch sein Verhalten sexuelle Handlungen fördert.

Es genügt Eventualvorsatz – also die bewusste Inkaufnahme der tatbestandsmäßigen Folgen. Fahrlässigkeit reicht dagegen nicht aus.


Versuch: Wann ist bereits eine Vorbereitung strafbar?

Der Versuch ist bei § 180 Abs. 2 (entgeltliche Kontakte) ausdrücklich strafbar (§ 180 Abs. 3 StGB). Strafbarkeit besteht also bereits dann, wenn:

  • der Täter beginnt, einen Jugendlichen zu „werben“,
  • Kontaktaufnahmen zum Zwecke der Vermittlung erfolgen,
  • erste Vorbereitungen zur Durchführung getroffen werden.

Nicht strafbar ist hingegen der Versuch nach § 180 Abs. 1 StGB – hier bleibt nur die vollendete Tat relevant.


Offizialdelikt: Keine Strafanzeige notwendig

Die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger ist ein Offizialdelikt. Das bedeutet: Die Strafverfolgungsbehörden müssen bereits bei einem Anfangsverdacht von Amts wegen ermitteln – ein Strafantrag durch das Opfer oder Erziehungsberechtigte ist nicht erforderlich.

Das macht die Vorschrift besonders brisant, da schon Hinweise von Dritten – etwa aus dem sozialen Umfeld – ein Ermittlungsverfahren auslösen können.


Strafen und Strafzumessung

Die Strafandrohung unterscheidet sich je nach Tatvariante:

Bei der Strafzumessung spielen u. a. folgende Kriterien eine Rolle:

  • Das Alter und die Schutzbedürftigkeit des Opfers,
  • Art, Dauer und Intensität der sexuellen Handlung,
  • Grad der Einflussnahme des Täters,
  • Beziehung zwischen Täter und Opfer,
  • Schuldeinsicht und Vorstrafen.

In gravierenden Fällen – etwa bei wiederholter Förderung oder organisierter Vermittlung – kann auch eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt werden.


Digitale Förderung: Strafbarkeit im Internetzeitalter

Mit dem Einzug der Digitalisierung hat auch die Förderung sexueller Handlungen neue Formen angenommen. Strafbare Konstellationen können u. a. sein:

  • Vermittlung von Jugendlichen über Messenger, Foren oder Dating-Apps,
  • Aufbau von Plattformen für entgeltliche Camshows,
  • Ermutigung zu „Nacktdeals“ gegen Geschenke in Social Media.

Selbst wenn kein physischer Kontakt erfolgt, kann das gezielte „Pushen“ oder Anstacheln zur Entgelt-Handlung bereits strafbar sein.


Besondere Fallgruppen: Eltern, Lehrer, Betreuer

Personen mit Erziehungsverantwortung (Eltern, Lehrer, Sozialpädagogen) können sich nach § 180 StGB strafbar machen, wenn sie ihre Aufsichtspflichten grob verletzen.

Beispiel: Ein Lehrer duldet sexuelle Kontakte eines 15-jährigen Schülers mit einem erwachsenen Dritten – obwohl er die Umstände kennt. Hier entfällt das sogenannte Erziehungsprivileg, da das Verhalten nicht mehr vertretbar ist.


Ermittlungsverfahren: Ablauf und Verhaltenstipps

Wird man eines Verstoßes gegen § 180 StGB verdächtigt, läuft das Verfahren typischerweise folgendermaßen ab:

  1. Einleitung durch Anzeige (z. B. durch Schule, Jugendamt, Dritte),
  2. Ermittlungen durch Polizei (Vernehmungen, ggf. Hausdurchsuchung),
  3. Vorladung als Beschuldigter,
  4. Akteneinsicht durch den Verteidiger,
  5. Abschluss durch Einstellung oder Anklage.

Wichtig: Schweigen ist Ihr gutes Recht! Beschuldigte sollten keine Aussagen gegenüber Polizei oder Jugendamt machen, bevor sie mit einem Strafverteidiger gesprochen haben.


Verteidigungsansätze aus anwaltlicher Sicht

Ein erfahrener Strafverteidiger prüft die Erfolgsaussichten einer Verteidigung genau. Mögliche Argumentationslinien:

  • Kein Vorsatz: Fehlende Kenntnis vom Alter oder von der Wirkung der Handlung.
  • Keine Tathandlung: Die Gelegenheit wurde nicht bewusst verschafft.
  • Erziehungsprivileg: Handeln im Rahmen elterlicher Freiheit.
  • Unzureichende Beweise: Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen ohne belastbare Indizien.

Ziel ist häufig, das Verfahren frühzeitig zur Einstellung zu bringen – etwa gegen Auflagen nach § 153a StPO.

Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger

Wichtige Urteile und Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat § 180 StGB in verschiedenen Punkten konkretisiert:

  • BGH: Keine Strafbarkeit ohne Förderwillen – Bloßes Duldungsverhalten reicht nicht aus.
  • OLG Hamm: Vermittlung über das Internet genügt – auch digitale Handlungen können strafbar sein.
  • KG Berlin: Elternprivileg entfällt bei gezielter Ermöglichung – z. B. bei Übernachtung in sexuellen Beziehungen unter 16.

Diese Urteile zeigen: Die Abgrenzung ist oft schwierig und stark vom Einzelfall abhängig.


Verjährung, Eintragung im Führungszeugnis und Folgeprobleme

  • Verjährung: 5 Jahre bei Abs. 1, 10 Jahre bei Abs. 2.
  • Führungszeugnis: Eine Verurteilung erscheint regelmäßig – mit empfindlichen Folgen z. B. für Beruf, Ehrenamt, Reisen ins Ausland.
  • Nebenfolgen: Berufsverbot, Entlassung aus dem öffentlichen Dienst, Verlust des Sorgerechts.

Die Vermeidung eines Eintrags ist daher ein zentrales Ziel jeder Verteidigung.


Fazit: Differenzierte Beurteilung ist unerlässlich

Die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger ist ein komplexer und weitreichender Straftatbestand. Was als elterliche Toleranz beginnt, kann strafrechtlich als bewusste Förderung gewertet werden. Was als Online-Gefälligkeit erscheint, kann schnell zum Ermittlungsverfahren führen.

Deshalb gilt: Bei jedem Anfangsverdacht frühzeitig anwaltlichen Rat einholen – um gezielt, kompetent und rechtssicher zu reagieren.


FAQ: Häufige Fragen zu § 180 StGB

Was ist „Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger“ genau?
Darunter versteht man das gezielte Verschaffen oder Vermitteln von Gelegenheiten, bei denen Minderjährige sexuelle Handlungen vornehmen – mit oder ohne Entgelt.

Welche Strafen drohen bei einer Verurteilung?
Bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe (Abs. 1) oder bis zu 5 Jahre (Abs. 2) – jeweils auch Geldstrafe möglich.

Ist der Versuch strafbar?
Ja, aber nur bei entgeltlichen Handlungen (§ 180 Abs. 2 StGB). Hier reicht bereits das Ansetzen zur Tat.

Müssen Eltern mit einer Anzeige rechnen, wenn sie Übernachtungen erlauben?
Ja, wenn dadurch gezielt sexuelle Kontakte ermöglicht werden – insbesondere bei unter 16-Jährigen.

Wie kann ich mich verteidigen?
Durch die Anfechtung des Vorsatzes, des Alterswissens oder durch Berufung auf das Erziehungsprivileg. Professionelle Verteidigung ist dabei entscheidend.