Sexueller Missbrauch von Kindern

Wenn an oder mit einem Kind sexuelle Handlungen ausgeübt werden, handelt es sich um eine Straftat, genauer gesagt um den „sexuellen Missbrauch von Kindern“ gem. § 176 Strafgesetzbuch (StGB). Welche Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen, welche Alterskonstellationen in Betracht kommen, und welche Strafen drohen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 10.12.2024

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Sexueller Missbrauch von Kindern ist eine der schwerwiegendsten Straftaten im deutschen Recht. Neben den juristischen Folgen sind die persönlichen, sozialen und beruflichen Auswirkungen für Beschuldigte oft enorm. In diesem Artikel beleuchten wir detailliert alle relevanten Aspekte: von der Definition und den strafrechtlichen Grundlagen über typische Fallkonstellationen bis hin zu Verteidigungsstrategien und praktischen Empfehlungen für Betroffene.


Was ist der „sexuelle Missbrauch von Kindern“?

 

Sexueller Missbrauch von Kindern ist in § 176 StGB geregelt. Diese Vorschrift schützt Kinder unter 14 Jahren vor jeglicher sexuellen Ausbeutung. Die Strafbarkeit setzt keine körperliche Gewalt voraus – entscheidend ist allein, ob sexuelle Handlungen mit oder vor einem Kind vorgenommen werden oder ob ein Kind dazu gebracht wird, solche Handlungen auszuführen.

 

Tatobjekt: Kinder

 

Kinder im Sinne des § 176 StGB sind alle Personen unter 14 Jahren. Dabei ist das tatsächliche Alter entscheidend, nicht die geistige Reife oder das Erscheinungsbild.

Für Personen ab 14 Jahren gelten andere Vorschriften, wie:

  • § 182 StGB: Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
  • § 177 StGB: Sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung

 

Tathandlung: Sexuelle Handlungen

 

Sexuelle Handlungen sind alle körperlichen Berührungen mit eindeutigem sexuellen Bezug. Maßgeblich ist die Sicht eines unbeteiligten Dritten. Beispiele:

  • Berührung intimer Körperbereiche wie Brust, Geschlechtsorgane oder Po.
  • Masturbation vor einem Kind.
  • Aufforderung des Kindes, sexuelle Handlungen an sich selbst oder an anderen vorzunehmen.
  • Zeigen pornografischer Inhalte, z. B. über Videos oder Fotos.

Auch nicht-körperliche Einwirkungen, etwa durch Kommunikationstechnologie (Chats, Nachrichten, Videos), können als sexuelle Handlungen gewertet werden.

 

Absolute Altersgrenze

 

Die Altersgrenze von 14 Jahren ist absolut. Selbst wenn der Täter minderjährig ist oder die Handlung einvernehmlich erfolgte, bleibt sie strafbar.

 

Sonderregelungen bei Tätern unter 18 Jahren

 

Bei minderjährigen Tätern (14–17 Jahre) wird Jugendstrafrecht angewandt. Das Ziel ist hier nicht Bestrafung, sondern Erziehung.

 


Wann ist der „sexuelle Missbrauch von Kindern“ strafbar?

 

Damit eine Strafbarkeit nach § 176 StGB vorliegt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Tatobjekt: Das Opfer ist unter 14 Jahre alt.
  2. Tathandlung: Es wurden sexuelle Handlungen vorgenommen oder das Kind wurde dazu bestimmt, solche Handlungen auszuführen.
  3. Vorsatz: Der Täter handelte vorsätzlich, d. h., er wusste um das Alter des Kindes und nahm die Handlung bewusst in Kauf.

 

Versuch

 

Auch der Versuch des sexuellen Missbrauchs ist strafbar. Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter unmittelbar zur Tat ansetzt, z. B. das Kind kontaktiert oder auffordert, sexuelle Handlungen vorzunehmen.

 

Offizialdelikt

 

Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein Offizialdelikt. Das bedeutet, die Strafverfolgung erfolgt von Amts wegen, sobald die Behörden Kenntnis von der Tat erlangen. Ein Strafantrag des Opfers oder dessen Vertreter ist nicht erforderlich.

 

Strafen

 

Die Strafen für sexuellen Missbrauch sind abhängig von der Schwere der Tat:

  • Normale Fälle (§ 176 StGB): Freiheitsstrafe von 1 bis 10 Jahren.
  • Schwerer sexueller Missbrauch (§ 176a StGB): Freiheitsstrafe von mindestens 5 Jahren.
  • Besonders schwere Fälle: Bis zu 15 Jahre Haft und Sicherungsverwahrung.

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern

 

Definition

 

Schwerer sexueller Missbrauch wird in § 176a StGB geregelt. Er liegt vor, wenn:

  • Gewalt angewendet wird,
  • das Kind besonders schwer misshandelt wird,
  • oder das Kind in einer hilflosen Lage ausgenutzt wird.

 

Beispiele für schweren sexuellen Missbrauch

 

  • Sexuelle Handlungen unter Einsatz körperlicher Gewalt.
  • Wiederholter Missbrauch durch Personen in einer Vertrauensstellung (z. B. Lehrer, Betreuer).
  • Systematischer Missbrauch, etwa in Familien oder durch kriminelle Netzwerke.

 

Strafmaß

 

Die Mindeststrafe beträgt fünf Jahre Freiheitsstrafe. In besonders schweren Fällen kann eine Sicherungsverwahrung angeordnet werden, um die Gesellschaft vor weiteren Taten zu schützen.


Sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt

 

Sexueller Missbrauch kann auch ohne direkten körperlichen Kontakt stattfinden. Diese Fälle werden oft unterschätzt, sind jedoch ebenfalls strafbar.

 

Formen des Missbrauchs ohne Körperkontakt

 

  • Zeigen pornografischer Inhalte: z. B. Videos oder Bilder.
  • Sexuelle Anspielungen in Chats: Aufforderung zu sexuellen Handlungen oder das Beschreiben von Sexualpraktiken.
  • Nutzung von sozialen Medien: Kontaktaufnahme über Plattformen wie WhatsApp, Instagram oder Snapchat, um sexuelle Inhalte zu verbreiten.

 

Strafbarkeit

 

Auch hier drohen Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr. Die Beweisführung gestaltet sich oft schwierig, da digitale Spuren manipulierbar sein können.


Verjährung beim sexuellen Missbrauch von Kindern

 

Die Verjährungsfrist beginnt erst mit Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers. In schweren Fällen kann die Frist verlängert werden. Dies ermöglicht eine strafrechtliche Verfolgung auch nach Jahrzehnten.


Falsche Anschuldigungen: Ein Risiko für Beschuldigte

 

Gefahren durch falsche Vorwürfe

 

Falsche Anschuldigungen können für die Beschuldigten schwerwiegende Konsequenzen haben:

  • Soziale Isolation.
  • Verlust des Arbeitsplatzes.
  • Psychische Belastungen bis hin zu Depressionen.

 

Verteidigungsstrategien

 

Ein erfahrener Strafverteidiger wird:

  • Entlastende Beweise sichern,
  • die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen prüfen,
  • und Widersprüche in den Vorwürfen aufdecken.

Rolle eines Strafverteidigers bei Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs

 

Ein Strafverteidiger ist für Beschuldigte unverzichtbar. Die Verteidigung umfasst:

  • Akteneinsicht und Analyse der Beweislage.
  • Aufbau einer Strategie, um entlastende Fakten vor Gericht vorzubringen.
  • Verhandlung mit der Staatsanwaltschaft, z. B. über eine Einstellung des Verfahrens.

 


Beweismittel und ihre Bedeutung im Strafverfahren

 

Aussage gegen Aussage

 

In vielen Fällen gibt es keine objektiven Beweise, sondern nur widersprüchliche Aussagen. Die Glaubhaftigkeitsprüfung der Aussagen des Opfers ist daher zentral.

 

Digitale Beweismittel

 

Chats, Videos oder andere digitale Inhalte können sowohl belastend als auch entlastend wirken. Eine professionelle Analyse dieser Beweismittel ist unerlässlich.


Zusammenfassung und rechtliche Handlungsmöglichkeiten

 

Sexueller Missbrauch von Kindern ist eine hochkomplexe Thematik, die ein tiefes Verständnis der rechtlichen Grundlagen und eine strategische Verteidigung erfordert. Beschuldigte sollten sich unverzüglich an einen spezialisierten Strafverteidiger wenden, um ihre Rechte zu schützen.


FAQs

 

  1. Was ist sexueller Missbrauch von Kindern?
    Jede sexuelle Handlung an Kindern unter 14 Jahren, unabhängig von deren Einverständnis, ist strafbar.
  2. Ist sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt strafbar?
    Ja, auch digitale oder nicht-physische Handlungen wie sexuelle Inhalte in Chats sind strafbar.
  3. Welche Strafe droht bei schwerem sexuellen Missbrauch?
    Mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe.
  4. Wie wichtig ist ein Strafverteidiger?
    Ein erfahrener Strafverteidiger ist essenziell, um eine effektive Verteidigung sicherzustellen.
  5. Wann beginnt die Verjährung?
    Mit Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers.

 

Tabelle: Wann ist Sex mit Minderjährigen strafbar?

 

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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