Menschenhandel

Der Menschenhandel ist eine schwerwiegende Form der Ausbeutung und daher nach § 232 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Diese moderne Form der Sklaverei beinhaltet die Ausbeutung von Menschen, um sie zur Prostitution, Arbeit oder andere Formen der Versklavung zu zwingen. Welche Voraussetzungen für diesen Straftatbestand erfüllt sein müssen und welche Strafe droht, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Aktualisiert

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Über den AutorTommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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Was ist der „Menschenhandel“? 

Menschenhandel liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich eine Situation des Opfers ausnutzt, um dieses später auszubeuten. 

Wann ist der „Menschenhandel“ strafbar? 

Der Straftatbestand schützt die persönliche Freiheit insbesondere im Hinblick auf die Ausbeutung der Sexualität oder der Arbeitskraft des Opfers. Darüber hinaus schützt die Strafnorm Personen zwischen 18 und 21 Jahren vor Ausbeutung, ohne auf eine Ausnutzung einer Zwangslage abzustellen. Hier kommt es im Gegensatz zu § 105 JGG auch nicht auf eine Reifeverzögerung an, die sonst bei Heranwachsenden Voraussetzung ist. 

Um sich nach § 232 Abs. 1 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein. 

Tatsituation: Ausnutzen einer Zwangslage bzw. der auslandspezifischen Hilflosigkeit bzw. des Alters 

Während der Ausübung der Tathandlung muss eine besondere, vom Gesetz vorgeschriebene Situation bestehen. 

Ausnutzen einer Zwangslage 

Der Täter müsste eine persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage des Opfers ausgenutzt haben. Eine Zwangslage liegt vor, wenn bedrängende Umstände derart gewichtig vorliegen, dass sie mit einer wesentlichen Einschränkung der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten einhergehen. Darunter wird sowohl die wirtschaftliche Not als auch eine persönliche Bedrängnis (Geld- oder Sachbedürfnis) erfasst.  

Irrelevant ist, ob der Täter die Zwangslage erschaffen hat oder eine bereits vorliegende Zwangslage lediglich ausnutzt. Genauso unerheblich ist es, ob die Zwangslage existenzbedrohlich ist oder vermeidbar wäre.  

Auslandsspezifische Hilflosigkeit 

Der Täter könnte auch die Hilflosigkeit des Opfers, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, ausnutzen. Diese auslandsspezifische Hilflosigkeit stellt einen Unterfall der Zwangslage vor. Sie liegt vor, wenn sich Personen, die sich aufgrund des Aufenthalts in einem fremden Land in einer hilflosen Lage befinden. Hilflosigkeit liegt vor, wenn das Opfer in der konkreten Lage nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht oder nur erheblich eingeschränkt imstande ist, das Ansinnen der entsprechenden ausbeuterischen Betätigung aus eigener Kraft zurückzuweisen. Der Auslandsbezug liegt vor, wenn die Schwierigkeiten konkret daran anknüpfen, dass das Opfer sich in einem fremden Land aufhält. Dabei wird nicht auf die Staatsangehörigkeit abgestellt, sondern auf die “faktische Fremdheit”. 

Altersbedingte Ausnutzung 

Bei Jugendlichen und Heranwachsenden kommt es nicht auf das Ausnutzen einer Zwangslage an. Es reicht aus, dass der Täter Personen unter 21 Jahren ausnutzt. 

Ausnutzen 

Der Täter müsste eine der drei oben genannten Situationen des Opfers ausnutzen. Das ist dann der Fall, wenn der Täter die Situation für sich und seine Ziele bzw. Vorteile verwendet.

Menschenhandel  

Tathandlung 

Der Täter kann den Straftatbestand durch verschiedene Handlungsweisen verwirklichen. Der Täter muss das Opfer anwerben, befördern, weitergeben, beherbergen oder aufnehmen. 

Anwerben 

Zunächst stellt der § 232 StGB das Anwerben unter Strafe. Hierfür muss das Opfer mit dem Täter (ausdrücklich oder stillschweigend) eine Vereinbarung mit einer Verpflichtung zu einer Tätigkeit treffen. Dagegen schließt eine spätere Nichtaufnahme der Tätigkeit das Anwerben nicht aus. Genauso ist es unschädlich, wenn das Opfer den Ausbeutungszweck erkennt und daher nicht getäuscht wird. 

Befördern 

Eine Beförderung liegt vor, wenn das Opfer an einen anderen Ort gebracht wird. Es muss also ein nicht notwendig freiwilliger Ortswechsel stattfinden. Dieser Ortswechsel muss durch den Täter geschehen, die ledigliche Organisation des Transportes reicht mithin nicht aus.  

Weitergeben 

Das Weitergeben setzt voraus, dass irgendeine Art der Übergabe oder “Übertragung” einer Person stattfindet. Durch diese Übergabe muss der Täter seine gewonnene Kontrolle über das Opfer an den Empfänger übertragen. Der Ort muss dabei nicht zwingend verändert werden. Auch eine Gegenleistung ist keine Voraussetzung. 

Beherbergen 

Beherbergen bedeutet dem Opfer eine mindestens vorübergehende Unterkunft bereit zu stellen. Die Art der Unterkunft ist dabei unerheblich; es kann genauso gut ein Wohnwagen wie auch eine Wohnung sein.  

Aufnehmen 

Aufnehmen bedeutet das Opfer an einem Zwischen- bzw. Zielort in Empfang zu nehmen und dadurch die Kontrolle über das Opfer auszuüben. 

Ziele der Tat 

Der Täter muss die Tat begehen, um das Opfer auszubeuten (§ 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB), in Sklaverei oder ähnlichen Verhältnissen zu halten (§ 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) oder um dessen Organ rechtswidrig zu entnehmen (§ 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB). 

Nach § 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB beutet der Täter das Opfer aus, wenn er dieses zu seinem eigenen Vorteil ausnutzt. Das Ausnutzen muss sich dabei auf Prostitution bzw. sexuelle Handlungen, eine Beschäftigung, eine Bettelei oder eine strafbare Handlung beziehen. 

Die Beschäftigung muss dabei zu ungünstigen Arbeitsbedingungen erfolgen. Das ist dann der Fall, wenn die Arbeitsbedingungen in einem krassen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitsnehmer stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Beschäftigung ausüben.  

Bettelei ist das Sammeln von Almosen ohne Gegenleistung zum Lebensunterhalt.  

Eine strafbare Handlung ist eine Handlung, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. Die tatsächliche Strafbarkeit der ausgebeuteten Person ist dabei unerheblich – auch wenn sie strafunmündig oder schuldunfähig ist. Die Begehung einer Ordnungswidrigkeit ist dagegen nicht ausreichend. 

Nach § 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB muss der Täter die Tat begehen, um das Opfer in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, zu halten. 

Hierbei geht es darum, dass die Opfer in einem Zwangsverhältnis „gehalten werden”. Sklaverei wird definiert als ein Verhältnis kompletter sozialer Unterwerfung, wobei der Unterworfene als Eigentum des „Herren” gelten soll.  Die Leibeigenschaft liegt vor, wenn das Opfer von seinem „Herren” persönlich, wirtschaftlich und rechtlich abhängig ist. Die Schuldknechtschaft bezeichnet eine Situation in der ein Schuldner als Sicherheit für eine Schuld seine persönlichen Dienstleistungen oder diejenigen einer seiner Kontrolle unterstehenden Person verpfändet. 

Nach § 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB muss der Täter die Tat begehen, um dem Opfer rechtswidrig ein Organ rechtswidrig zu entnehmen. 

Eine rechtswidrige Organentnahme liegt vor, wenn das Opfer gegen seinen Willen als „menschliches Ersatzteillager“ missbraucht wird. 

Vorsatz 

Der Täter muss den Menschenhandel vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).  

Menschenhandel

Versuch 

Der Versuch ist nach in den Fällen des § 232 StGB Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 StGB strafbar (vgl. § 236 Abs. 4 StGB). Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Rechtsgutverletzung bevorstehen. Zudem muss der Täter mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben. 

Strafantrag 

Beim Menschenhandel handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich. 

Strafe  

Der Menschenhandel nach § 232 Abs. 1 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Eine Geldstrafe ist daher nicht möglich. 

Eine Strafschärfung erfolgt hingegen nach § 232 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 StGB. Dabei muss der Täter eines der in diesen Absätzen genannten „Regelbeispiele“ neben der „einfachen“ Tat verwirklichen. Es kann dann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren verhängt werden, wobei eine Geldstrafe nicht möglich ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Täter Gewalt oder Drohungen anwendet. 

Unter Gewalt versteht man jede physische Einwirkung auf den Körper des Opfers, sodass die Willensbildung des Opfers ganz ausgeschlossen wird oder sich das Opfer dem Willen des Täters unterwirft. Unter einer Drohung versteht man hingegen das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende (Täter) Einfluss zu haben vorgibt. 

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