Täter-Opfer-Ausgleich

Eine Entschuldigung oder eine entgegenkommende Geste können viel bewirken – auch im Strafrecht. Bei dem sog. „Täter-Opfer-Ausgleich“ nach § 46a Strafgesetzbuch (StGB) bzw. §§ 155a, 155b Strafprozessordnung (StPO) hat der Täter die Möglichkeit durch ernsthafte Widergutmachungen seine Strafe zu mildern. Was genau darunter zu verstehen ist und welche Rechtsfolgen konkret daraus ableitbar sind, erfahren Sie…

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Über den AutorTommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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Was ist ein „Täter-Opfer-Ausgleich“?

Das Gesetz räumt dem Täter in § 46a StGB die Chance ein, durch einen sog. Täter-Opfer-Ausgleich bzw. eine Schadenswiedergutmachung, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und Einsicht zu zeigen. Wesentliche Elemente sind dabei die Kommunikation und der Ausgleich des entstandenen Schadens. Der Täter kann sich beispielsweise entschuldigen, aussprechen, versöhnen oder ein Eingeständnis machen. Auch ein materieller Ausgleich wie Geschenke oder Dienstleistungen sind möglich. Gleichzeitig soll dem Opfer geholfen werden, Belastungen abzubauen und Vertrauen in die Rechtsordnung zu schaffen.

Welches Ziel hat der “Täter-Opfer-Ausgleich”?

Der Täter-Opfer-Ausgleich (kurz: TOA) bietet eine alternative Form der Konfliktlösung im Strafverfahren. Täter (Beschuldigter) und Opfer (Geschädigter) treffen aufeinander, um über die Tatfolgen zu sprechen, Verantwortung zu übernehmen und möglicherweise eine Wiedergutmachung zu vereinbaren. Der Täter erhält die Möglichkeit, sein Fehlverhalten zu erkennen, Buße zu tun und an seiner Resozialisierung zu arbeiten. Dem Opfer wird hingegen die Chance geboten, seine Perspektive darzulegen, Emotionen auszudrücken und Fragen zu stellen, um ein Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen (Opferschutz).

Durch dieses Verfahren können beide Seiten die emotionalen und psychologischen Auswirkungen der Straftat besser verarbeiten und so möglicherweise zu einer Aussöhnung gelangen. Der Täter-Opfer-Ausgleich erfolgt in einem strukturierten Rahmen und kann zur außergerichtlichen Beilegung beitragen, sodass Zeit und Ressourcen gespart und Gerichte entlastet werden.

Es ist zu beachten, dass der Täter-Opfer-Ausgleich nicht für alle Straftaten oder alle Personen geeignet ist. Es erfordert die Zustimmung beider Seiten und muss unter angemessener professioneller Aufsicht durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Interessen beider Parteien respektiert werden.

Welche Straftaten kommen in Betracht?

Nach der sächsischen Verwaltungsvorschrift über den Täter-Opfer-Ausgleich (kurz: VwV TOA) kommen für einen Täter-Opfer-Ausgleich nur leichte bis mittelschwere Straftaten in Betracht, insbesondere:

  • Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
  • Beleidigung (§§ 185 bis 189 StGB)
  • Körperverletzung (§§ 223, 224, 229 StGB)
  • Bedrohung (§ 241 StGB)
  • Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
  • Diebstahl (§ 242 StGB)
  • Unterschlagung (§ 246 StGB)
  • Betrug (§ 263 StGB)
  • Nötigung (§ 240 StGB)
  • Erpressung (§ 253 StGB)

Ein Täter-Opfer-Ausgleich kommt nicht bei schweren Straftaten oder Bagatellfällen in Frage.

Täter-Opfer-Ausgleich

Wie läuft der “Täter-Opfer-Ausgleich” ab?

Der genaue Ablauf eines Täter-Opfer-Ausgleichs (TOA) kann je nach Bundesland und den individuellen Umständen variieren. Dennoch gibt es einige allgemeine Schritte, die oft in einem solchen Verfahren vorkommen:

  1. Einleitung des Verfahrens: Grundsätzlich kann die Staatsanwaltschaft oder das Gericht den TOA einleiten. Ist nach dessen Prüfung ein TOA sinnvoll, wird die zuständige Schlichtungsstelle (i. d. R. der Soziale Dienst der jeweiligen Justiz) mit der Durchführung des Verfahrens beauftragt. Allerdings kann auch der Täter oder das Opfer ein solches Verfahren anregen.
  2. Kontakt und Information: Wird ein TOA für sinnvoll erachtet, werden die Beteiligten über ein solches mögliches Verfahren informiert. Es wird insbesondere erklärt, was der TOA ist, wie er abläuft und welche Ziele er verfolgt.
  3. Bereitschaftserklärung: Sowohl der Täter als auch das Opfer müssen ihre Bereitschaft zur Teilnahme am TOA erklären. Dies geschieht freiwillig und ohne Zwang.
  4. Vorbereitung und Vorgespräche: Wenn beide Parteien bereit sind, am TOA teilzunehmen, werden jeweils separate Vorgespräche geführt. In diesen Gesprächen werden ihre Bedenken, Erwartungen und Wünsche ermittelt, um den weiteren Verlauf des TOA besser zu planen.
  5. Ausgleichsgespräche: In den eigentlichen „TOA-Treffen“ kommen der Täter, das Opfer, ggf. Unterstützungspersonen sowie der Konfliktschlichter zusammen. Der geschulte Konfliktschlichter stellt dabei sicher, dass der Prozess fair und respektvoll abläuft. In diesen Treffen haben beide Parteien die Möglichkeit, ihre Perspektiven auszutauschen, Fragen zu stellen und möglicherweise eine Wiedergutmachung zu vereinbaren.
  6. Vereinbarung: Wenn Täter und Opfer zu einer Einigung gelangen, wird eine schriftliche Vereinbarung über die erzielten Ergebnisse getroffen. Dies könnte eine finanzielle Entschädigung, gemeinnützige Arbeit, eine Entschuldigung oder andere Formen der Wiedergutmachung umfassen.
  7. Umsetzung: Die vereinbarte Wiedergutmachung wird umgesetzt. Dies könnte bedeuten, dass der Täter die vereinbarten Maßnahmen durchführt oder die Entschädigung zahlt.
  8. Abschluss: Nach der Umsetzung der Vereinbarung kann der TOA als abgeschlossen betrachtet werden.
  9. Einstellung des Strafverfahrens: Ist der TOA erfolgreich abgeschlossen, wird das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht in der Regel ohne weitere Auflagen eingestellt oder es wird zumindest die Strafe gemildert.

Welche Vorteile hat der “Täter-Opfer-Ausgleich”?

Der Täter-Opfer-Ausgleich kann dem Opfer die Gelegenheit bieten, direkt mit dem Täter in Kontakt zu treten und so Fragen, Unsicherheiten und Gefühle zu klären. Das Opfer hat die Chance, aus seiner Perspektive über die erlittene Tat zu berichten und die emotionale Belastung zu verarbeiten. Weiterhin bietet das Verfahren die Möglichkeit der direkten Wiedergutmachung, sei es durch Entschädigung, eine Entschuldigung des Täters oder andere vereinbarte Maßnahmen, die dazu beitragen können, das Erlebte besser zu verarbeiten und abzuschließen.

Für den Täter bietet der Täter-Opfer-Ausgleich eine Chance zur Reflexion und Verantwortungsübernahme. Er wird direkt mit den Konsequenzen seines Handelns konfrontiert und kann die Bedeutung und den Einfluss seiner Tat auf das Opfer besser verstehen. Dies kann zu einer tieferen Reue führen und den Weg für eine ehrliche Entschuldigung ebnen. Darüber hinaus kann das Verfahren dem Täter eine Möglichkeit bieten, einen Beitrag zur Wiedergutmachung zu leisten und somit aktiv an seiner Resozialisierung zu arbeiten.

Der Täter-Opfer-Ausgleich bietet allgemein eine alternative Form der Konfliktlösung, die über das herkömmliche strafrechtliche Verfahren hinausgeht. Er fokussiert sich auf die Kommunikation und Aussöhnung zwischen den Beteiligten, was oft zu nachhaltigeren Lösungen führen kann. Die Entlastung des Gerichtssystems ist ein weiterer bedeutender Vorteil, da durch den Täter-Opfer-Ausgleich Gerichtsverfahren verkürzt oder sogar vermieden werden können. Dies spart vor allem Zeit und Ressourcen.

Welche Nachteile hat der “Täter-Opfer-Ausgleich”?

Obwohl der Täter-Opfer-Ausgleich viele Vorteile aufweist, gibt es auch einige Nachteile und Bedenken im Zusammenhang mit diesem Verfahren.

Das Verfahren setzt eine gleichberechtigte Kommunikation zwischen Täter und Opfer voraus, was oft nicht gewährleistet ist. Das Opfer könnte sich bedrängt fühlen, was zu einer erneuten Traumatisierung beitragen kann. Es besteht die Gefahr, dass der Täter das Verfahren als Gelegenheit nutzt, das Opfer zu manipulieren oder zu bedrohen, um günstigere Bedingungen zu erlangen oder eine mildere Strafe zu erreichen.

Ein zu starker Fokus auf eine Versöhnung kann die strafrechtlichen Konsequenzen minimieren und Gefühle der Ungerechtigkeit bei dem Opfer hervorrufen. Das Verfahren benötigt darüber hinaus eine qualifizierte Begleitung. Bei fehlender Expertise könnten die Interessen der Beteiligten möglicherweise nicht angemessen geschützt werden. Skepsis oder Weigerung der Beteiligten könnten außerdem die Umsetzung erschweren.

Die getroffenen außergerichtliche Wiedergutmachungsvereinbarungen können darüber hinaus zur fehlenden Rechtssicherheit beitragen – insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit.

Aufgrund der genannten Vor- und Nachteile ist eine sorgfältige Abwägung sowie die Einbindung qualifizierter Fachleute notwendig, um sicherzustellen, dass der Prozess fair und für alle Beteiligten akzeptabel abläuft.

Gibt es den “Täter-Opfer-Ausgleich” auch im Jugendstrafrecht?

Kurz gesagt: Ja! Der Täter-Opfer-Ausgleich wird auch im Jugendstrafrecht angewendet. Das Verfahren ist im Jugendgerichtsgesetz (JGG) verankert. Das Jugendstrafrecht verfolgt das Ziel der Resozialisierung und Erziehung von jugendlichen Straftätern, anstatt sie allein mit Strafen zu konfrontieren. Der Täter-Opfer-Ausgleich passt gut zu diesen Prinzipien, da er eine alternative Form der Konfliktlösung und Wiedergutmachung bietet.

Das Verfahren, die Rahmenbedingungen und die Ziele ähneln denen für Erwachsene. Letzteres gleicht sich insbesondere in der Förderung von Verantwortungsbewusstsein, Aussöhnung und Wiedergutmachung. Der Täter-Opfer-Ausgleich basiert im Jugendstrafrecht eher auf erzieherischen Aspekten und ist stärker darauf ausgerichtet, die jungen Täter dazu zu bewegen, ihre Taten zu reflektieren, Verantwortung zu übernehmen und möglicherweise ihr Verhalten zu ändern.

Täter-Opfer-Ausgleich

Was kostet der “Täter-Opfer-Ausgleich”?

Der Täter-Opfer-Ausgleich ist für die Beteiligten – also den Täter und das Opfer – kostenlos.

Was ist eine „Schadenswiedergutmachung“?

Unter einer Schadenswiedergutmachung wird ein Ausgleich des eingetretenen Schadens insbesondere durch Herausgabe einer Sache oder durch die Zahlung von Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld verstanden. Gab es bei der begangenen Straftat kein konkretes Opfer, so kann mittels symbolischer Handlungen eine Wiedergutmachung erfolgen. Dies kann zum Beispiel durch die Zahlungen oder Leistungen an gemeinnützige Einrichtungen erfolgen.

Rechtsfolgen

Bei einem erfolgten Täter-Opfer-Ausgleich bzw. einer Schadenswiedergutmachung kann das Gericht die Strafe mildern (§ 49 Abs. 1 StGB) oder davon absehen. Von einer Strafe kann allerdings nur abgesehen werden, wenn eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist.

Darüber hinaus kann sich ein solcher Täter-Opfer-Ausgleich positiv auf die Strafaussetzung zur Bewährung auswirken.

Beispiele aus der Praxis

  • Aussprache / Entschuldigung / Versöhnung
  • Schmerzensgeld / Entschädigung zahlen
  • Zahlungen / Leistungen an gemeinnützige Organisationen
  • Geschenke
  • Dienstleistungen

Häufige Fragen

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