Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht

Eltern und Erziehungsberechtigte haben nicht nur besondere Rechte hinsichtlich ihres Kindes, sondern auch Pflichten. Wenn sie diese verletzen, machen sie sich gem. § 171 StGB strafbar. Wann eine solche Verletzung vorliegt, welche Handlungen strafbar sein können, und welche Strafen drohen, erfahren Sie im folgenden Beitrag. 

Aktualisiert

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Über den AutorTommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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Was ist eine „Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht“? 

Eine solche Verletzung liegt vor, wenn der Täter eine bestehende Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer minderjährigen Person vorsätzlich verletzt und hierdurch das Opfer gefährdet – insbesondere in Form von schwerwiegenden Folgen physischer oder psychischer Art.  

Wann ist eine „Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht“ strafbar? 

Der Straftatbestand schützt die physische und psychische Entwicklung des minderjährigen Opfers.  

Um sich nach § 171 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein. 

Tatobjekt: Unter 16-jährige 

Das Opfer darf das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. 

Fürsorge- und Erziehungspflicht 

Der Täter muss eine Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber dem (minderjährigen) Opfer haben. Diese Pflicht kann sich aus Gesetz, Vertrag, behördlicher Anordnung oder freiwilliger Übernahme ergeben. 

Unter der Fürsorgepflicht wird eine Schutzpflicht verstanden, die die gesunde Entwicklung des Kindes gewährleisten soll. Die Erziehungspflicht beinhaltet die Anleitung des Kindes in seiner körperlichen und seelischen Entwicklung. Eine solche Pflicht muss entweder gesetzlich oder vertraglich geschuldet werden. Die Fürsorgepflicht und die Erziehungspflicht gehen oftmals ineinander über. 

Verpflichtet können sein: 

  • Eltern und der sorgeberechtigte Elternteil 
  • Vormund 
  • Ergänzungspfleger 
  • Pflegeeltern 
  • Stiefeltern 
  • Mitarbeiter von Kinderheimen 

Tathandlung: Pflichtverletzung 

Der Täter müsste diese Pflicht verletzt haben. Um eine ausufernde Sanktionierung zu verhindern, hat der Gesetzgeber festgelegt, dass es sich um eine gröbliche Verletzung der übertragenen Pflichten handeln muss. 

Eine gröbliche Verletzung liegt dabei in der Regel erst bei wiederholten oder dauerhaften und als solchen offenkundigen Verstößen vor. Eine einmalige Pflichtverletzung kann aber bereits bei besonders schwerwiegenden Verstößen ausreichend sein. 

Die Frage, ob eine Pflichtverletzung schon gröblich ist, und damit die Grenze zur Strafbarkeit überschreitet, ist immer von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig. Hier bieten sich für eine Verteidigung vielerlei Möglichkeiten und Chancen. 

Konkrete Gefährdung 

Durch die gröbliche Pflichtverletzung müsste eine konkrete Gefährdung des Opfers im Hinblick auf dessen körperliche und psychische Entwicklung eingetreten sein.  

Im Einzelnen sind das: 

  • Gefahr der erheblichen Schädigung der körperlichen Entwicklung 
  • Gefahr der erheblichen Schädigung der psychischen Entwicklung 
  • Gefahr eines kriminellen Lebenswandels 
  • Gefahr des Nachgehens der Prostitution 

Eine Gefährdung der körperlichen Entwicklung kann bei Fällen gegeben sein, in denen schlechte hygienische Bedingungen, Mängel am Gesundheitszustand, Mängel an der Bekleidung des Kindes oder Mängel hinsichtlich der Wohnverhältnisse vorliegen. 

Eine Gefährdung der psychischen Entwicklung liegt vor, wenn befürchtet werden muss, dass der Ablauf des normalen Reifungsprozesses gestört wird und die Ausbildung der Persönlichkeit daher in die falsche Richtung verläuft. 

Die Gefahr, einen kriminellen Lebenswandel zu führen, bedeutet, bei dem Kind oder Jugendlichen durch die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, einen Hang zur Begehung nicht nur unerheblicher Straftaten hervorzurufen. Dies kann der Fall sein, wenn sich die betroffene Person häufig in Diebesbanden aufhält. 

Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht

Vorsatz 

Der Täter muss die Verletzung seiner Pflichten vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz). 

Versuch 

Der Versuch ist mangels gesetzlicher Verankerung nicht strafbar. 

Strafantrag 

Bei der Verletzung von Fürsorge- und Erziehungspflichten handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich. 

Beispiele aus der Praxis 

Eine strafbare gröbliche Verletzung der Fürsorgepflicht wurde zum Beispiel in folgenden Fällen angenommen: 

  • Verabreichung von Alkohol im Übermaß an ein Kind 
  • Aussetzen eines Kindes in einer verwahrlosten Umgebung während einer Kneipentour 
  • Wiederholt sexuelle Handlungen vor einem Fünfjährigen 
  • Dauerhafte Überanstrengung eines Kindes durch Leistungssport 
  • Dauerhafte mangelhafte hygienische Zustände 
  • Das Kind wird unversorgt zu Hause eingesperrt und allein gelassen 
  • Vorführungen von pornografischen oder gewaltverherrlichenden Filmen 
  • Anhalten zum Betteln 
  • Verbot, in die Schule zu gehen 
  • Schlechte Vorbildfunktion 
  • Mitnehmen des Kindes zu lauten Konzerten oder Veranstaltungen 
  • Veröffentlichen von entwürdigenden Fotos und Filmen des Kindes im Internet 
  • Mitnahme des Kindes bei Einreise in aktuelle Kriegsgebiete 

Strafe

Die strafbare Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet.

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