Zwangsheirat

Zwangsheirat, ein tief verwurzeltes soziales Phänomen, wirft ein bedrückendes Licht auf die Missachtung individueller Freiheiten und Menschenrechte. Bei einer Zwangsheirat wird eine Person gegen ihren Willen und oft unter Druck oder Gewalt in Ehen gezwungen. Das kann zu schwerwiegenden physischen, emotionalen und sozialen Konsequenzen führen. Gleichzeitig stellt die Zwangsheirat im deutschen Recht einen Straftatbestand nach…

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

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    Das sagt das Gesetz: § 237 StGB

    (1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

    (2) Ebenso wird bestraft, wer zur Begehung einer Tat nach Absatz 1 den Menschen durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren.

    (3) Der Versuch ist strafbar.

    (4) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Was ist eine „Zwangsheirat“?

Eine Zwangsheirat liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich einen anderen Menschen nötigt eine Ehe zu schließen (Absatz 1) oder eine andere Person durch bestimmte Handlungen im Vorfeld außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verschleppt (Absatz 2).

Wann ist eine „Zwangsheirat“ strafbar?

Der Straftatbestand schützt die sog. „Eheschließungsfreiheit“ – also die freie Wahl hinsichtlich des Ehepartners, des Zeitpunkts der Heirat sowie die grundsätzliche Entscheidung, ob man überhaupt eine Ehe schließen möchte. Die sexuelle Selbstbestimmung wird hingegen nicht von dem Schutzbereich der Norm umfasst.

Um sich nach § 237 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.

Täter

Der Täter kann jedermann sein. Die Täter zeigen oft enge Verbindungen zur Familie des Opfers auf, wie beispielsweise die Eltern, Geschwister oder Großeltern. Es kann aber auch vorkommen, dass der potenzielle zukünftige Ehepartner, Schwiegereltern oder andere Verwandte und Bekannte die Rolle des Täters einnehmen.

Tatsubjekt

Grundsätzlich kann jeder Opfer einer Zwangsheirat werden. Meist handelt es sich um Minderjährige, insbesondere Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren. Es wurden jedoch auch Fälle von viel jüngeren Opfern ab zehn Jahren bekannt. Aber auch männliche Jugendliche und junge Männer können von Zwangsheiraten betroffen sein.

Zwangsheirat

Tathandlung: Nötigen bzw. Verschleppen

Die Zwangsheirat kann durch zwei verschiedene Handlungsweisen des Täters herbeigeführt werden:

Nach § 237 Abs. 1 StGB macht sich der Täter strafbar, wenn er das Opfer zur Eingehung einer Ehe nötigt. Eine solche Nötigung liegt dann vor, wenn das Opfer gegen dessen Willen zur Eheschließung veranlasst (gezwungen) wird.

Nach § 237 Abs. 2 StGB macht sich der Täter strafbar, wenn er das Opfer zur Zwangsheirat verschleppt. Das ist dann der Fall, wenn der Täter das Opfer in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches der deutschen Rechtsordnung verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren. Dies müsste dann zur konkreten Gefahr einer erzwungenen Eheschließung führen. Eine tatsächlich im Ausland geschlossene Ehe ist jedoch nicht erforderlich. Das Gebiet muss sich außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland befinden, sodass das deutsche Strafgesetzbuch keine Anwendung findet.

Ein Verbringen wird nur dann angenommen, wenn eine tatsächliche Übernahme der Kontrolle über das Opfer erfolgt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn physische Gewalt angewendet wird, um eine Ortsveränderung zu erzwingen. Auch kann eine Krankheit, Erschöpfung, Alkoholisierung oder Drogeneinfluss des Opfers hierfür ausgenutzt werden. Es genügt jedoch nicht, das Opfer lediglich psychisch zu beeinflussen.

Veranlassen erfasst hingegen insbesondere die Manipulation der psychischen Verfassung des Opfers durch den Einsatz von Täuschungsmethoden. Wie beispielsweise das Vortäuschen von falschen Informationen, um die Person dazu zu bringen, sich in ein bestimmtes Gebiet zu begeben.

Ein Abhalten des Entfernens liegt vor, wenn das Opfer daran gehindert wird, die Gefahrenzone außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu verlassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Opfer eigenständig in die Gefahrenzone gegangen ist oder ob es dorthin verschleppt wurde.

Tatmittel: Gewalt bzw. Drohung bzw. List

Die Nötigung zur Eingehung der Ehe (Absatz 1) bzw. Verschleppung zur Zwangsehe (Absatz 2) des Opfers durch den Täter müsste mittels Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder darüber hinaus im Falle des Absatz 2 durch List erfolgt sein.

Nach § 237 Abs. 1 StGB müsste der Täter das Opfer zur Eingehung einer Ehe genötigt haben. Das Nötigen – also das Aufzwingen eines Verhaltens gegen den Willen des Opfers – müsste mittels Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel erfolgt sein.

Unter Gewalt versteht man jede physische Einwirkung auf den Körper des Opfers, sodass die Willensbildung des Opfers ganz ausgeschlossen wird oder sich das Opfer dem Willen des Täters unterwirft. Ziel ist es, den durch das Opfer zu erwartenden oder geleisteten Widerstand zu überwinden. Dabei muss sich die Einwirkung auf den Körper des Opfers, zum Beispiel durch Tritte bzw. Schläge, Betäubung oder Fesselungen auswirken. Diese Gewalteinwirkung muss jedoch nicht erheblich sein. Es reicht aus, wenn mehr physische Energie eingesetzt wird als eigentlich erforderlich ist.

Gewalt liegt somit beispielsweise bei der Abgabe von Schreckschüssen, dem Einsperren in einem Raum, dem Fesseln des Opfers oder dem Beibringen betäubender Mittel vor.

Die Nötigung kann jedoch auch unter der Anwendung von Drohungen mit einem empfindlichen Übel erfolgen. Unter einer Drohung versteht man das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende (Täter) Einfluss zu haben vorgibt.

Bei der Drohung handelt es sich also um den Zwang durch psychische Einwirkungen, wie das Vorhalten einer Waffe. Erforderlich ist dabei, dass der Täter bei dem Opfer die Furcht vor dem bevorstehenden Übel erzeugt, wenn es nicht die vom Täter gewollte Forderung durchführt. Die Drohung kann dabei ausdrücklich, durch schlüssige Handlungen oder in versteckter Form erfolgen. Das bloße Ausnutzen von Angst ist nicht ausreichend.

Vorausgesetzt wird immer, dass der Eintritt des Übels vom Willen des Täters abhängig erscheint. Ob der Täter die Verwirklichung tatsächlich realisieren will oder es überhaupt ernst meint, ist irrelevant. Ausreichend ist, dass das Opfer glaubt, dass der Täter zur Umsetzung des Übels bereit ist. Auch die Drohung muss nicht unbedingt gegen den Genötigten selbst erfolgen. Sie kann auch gegen einen Dritten (Bedrohten) gerichtet sein. Eine Nähebeziehung zwischen dem Genötigten und dem Bedrohten wird ebenfalls nicht gefordert. Es kann somit beispielsweise mit Entlassung, Gewaltanwendung, Strafanzeige, öffentliche Bekanntmachung, Boykott, Selbsttötung oder Hungerstreik gedroht werden.

Nach § 237 Abs. 2 StGB müsste der Täter das Opfer zur Zwangsheirat verschleppt haben. Das müsste mittels Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List erfolgt sein.

Der Begriff List bezieht sich dabei auf Handlungen, bei denen der Täter darauf abzielt, seine Ziele durch geschicktes Verschleiern der wahren Absicht oder der zur Erreichung dieser Absicht genutzten Methoden zu erreichen.

Zwangsheirat

Vorsatz

Der Täter muss die Zwangsheirat vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).

Rechtswidrigkeit: Verwerflichkeit nach § 237 Abs. 1 S. 2 StGB

Neben der Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen, muss die Tat nach § 237 Abs. 1 StGB – also die Nötigung zur Eingehung der Ehe – zusätzlich als „verwerflich“ anzusehen sein. Dies wird gesetzlich durch die sog. Verwerflichkeitsklausel des § 237 Abs. 1 S. 2 StGB verankert, welche besagt, dass „die Tat dann rechtswidrig ist, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist“. Verwerflichkeit liegt dann vor, wenn die Tat sittlich auf tiefster Stufe steht und folglich moralisch in besonderem Maße zu missbilligen ist. Diese Missbilligung kann sich aufgrund des Mittel, des Zwecks oder der Zweck-Mittel-Relation ergeben.

Das Mittel ist verwerflich, wenn dessen Einsatz selbst schon einen Straftatbestand, wie eine Körperverletzung (§ 223 StGB), eine Beleidigung (§ 185 StGB) oder eine Bedrohung (§ 241 StGB), verwirklicht.

Der Zweck ist verwerflich, wenn der Täter vom Opfer eine strafbare Handlung oder ein Verhalten, auf das der Täter keinen Anspruch hat, verlangt.

Die Verwerflichkeit kann sich allerdings auch aus der Zweck-Mittel-Relation ergeben. Das liegt vor, wenn der Zweck und das Mittel für sich genommen nicht verwerflich sind, aber im Zusammenspiel als verwerflich anzusehen ist. Das liegt beispielsweise vor, wenn der Täter zur Durchsetzung eines Anspruchs mit einer Strafanzeige droht.

Versuch

Der Versuch ist nach § 237 Abs. 3 StGB strafbar. Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Rechtsgutverletzung bevorstehen. Zudem muss der Täter mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben.

Strafantrag

Bei der Zwangsheirat handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.

Strafe

Die Zwangsheirat nach § 237 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Eine Geldstrafe ist daher nicht möglich.

In minder schweren Fällen – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

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