BAföG-Betrug
Vergessen den neuen Nebenjob im BAföG-Antrag anzugeben oder das kürzlich erhaltene Erbe? Aufgepasst, wenn es sich hierbei nachweisbar um ein bewusstes Verschweigen handelt, kann der Strafbestand des Betrugs gem. § 263 Strafgesetzbuch (StGB) verwirklicht sein. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und welche Strafen drohen können, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Die Beantragung von BAföG ist für viele Studierende ein komplexer und undurchsichtiger Prozess. Zwischen den verschiedenen Formularen, Nachweisen und Bescheiden ist es leicht, den Überblick zu verlieren. Doch Fehler oder unvollständige Angaben – insbesondere solche mit finanziellen Vorteilen – können strafrechtlich relevant werden. In solchen Fällen sprechen wir vom sogenannten BAföG-Betrug.
Rechtlich betrachtet handelt es sich dabei um eine Form des Betrugs nach § 263 StGB. Wer gegenüber dem Amt für Ausbildungsförderung falsche oder unvollständige Angaben macht und dadurch Leistungen erhält, auf die kein Anspruch besteht, macht sich strafbar. Ob fahrlässig, aus Unwissenheit oder mit Vorsatz – die Folgen können drastisch sein.
Häufige Konstellationen beim BAföG-Betrug
Die Strafverfolgung sieht besonders häufig folgende Täuschungssituationen:
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Verschweigen eines Neben- oder Minijobs
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Nichtangabe von Kapitalerträgen, z. B. Zinsen, Dividenden, Kryptowährungen
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Falschangaben zur Wohnsituation (z. B. auswärtige Wohnung vs. elterlicher Haushalt)
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Verheimlichte Vermögenswerte wie Autos, Sparbücher, Lebensversicherungen
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Nichtmeldung von Erbschaften, Schenkungen oder Unterhaltszahlungen
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Weiterbezug von Leistungen trotz veränderter Einkommens- oder Vermögenslage
Nebenjob oder Minijob nicht angegeben
Ein klassischer Fall des BAföG-Betrugs liegt vor, wenn Studierende einen Nebenjob verschweigen, um den Anspruch auf Fördermittel nicht zu gefährden. Dabei gilt: Jedes Einkommen ist anzugeben – auch Tätigkeiten, die vermeintlich „unter der Hand“ bezahlt werden oder bei denen keine Steuerbescheinigung vorliegt.
Warum die Angabe so wichtig ist
Das BAföG-Amt kalkuliert auf Basis des anrechenbaren Einkommens. Wird dieses verschwiegen, liegt eine Täuschungshandlung vor – insbesondere, wenn sie bewusst erfolgt.
Wie Behörden das Einkommen aufdecken
Dank automatisierter Datenabgleiche (§ 41 Abs. 4 BAföG) mit dem Bundeszentralamt für Steuern, dem Finanzamt oder der Sozialversicherung werden viele Falschangaben erkannt. Auch Meldungen zur Krankenversicherung, Rentenbeiträgen oder Arbeitgeberdaten können auffliegen.
Falsche Angaben zur Wohnsituation
Ein weiterer typischer Fall: Die Angabe, auswärts zu wohnen, um höhere Leistungen zu erhalten – obwohl man tatsächlich bei den Eltern wohnt. Das BAföG unterscheidet bei der Bedarfsermittlung klar zwischen „auswärtiger Unterbringung“ und „Wohnsitz bei den Eltern“. Unrichtige Angaben hierzu können Betrug begründen.
Worauf das Amt achtet
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Mietvertrag oder Untermietvertrag
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tatsächlicher Wohnsitz (Haupt- oder Nebenwohnung)
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Abgleich mit Einwohnermeldedaten
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Strom- und Nebenkostenabrechnungen
Freibeträge und Vermögen
Studierende dürfen ein bestimmtes Vermögen behalten (Freibetrag), ohne dass dies auf das BAföG angerechnet wird. Aktuell liegt dieser bei 15.000 € (unter 30 Jahren). Alles, was darüber hinausgeht, muss angegeben werden.
Typische Fehler
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Verschweigen eines Sparkontos im Ausland
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Nutzung eines Autos, das formal den Eltern gehört
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erhaltene Schenkungen oder Barzuwendungen von Verwandten
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Kryptowährungen ohne Offenlegung
Entscheidend ist nicht nur die formelle Inhaberschaft, sondern die tatsächliche wirtschaftliche Verfügung über das Vermögen.
Ordnungswidrigkeit oder Straftat?
Nicht jede Falschangabe ist gleich eine Straftat. Juristisch wird unterschieden zwischen:
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Ordnungswidrigkeit (§ 58 BAföG): z. B. verspätete oder fehlende Mitteilungen ohne Täuschungsabsicht; Sanktion: Geldbuße bis 2.500 €
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Straftat (Betrug, § 263 StGB): vorsätzliche falsche Angaben mit der Absicht, unrechtmäßig Leistungen zu erhalten; Sanktion: Geldstrafe bis Freiheitsstrafe
Der Vorsatz ist entscheidend
Wurde die Angabe bewusst falsch gemacht oder war sie ein Versehen? Strafbarkeit setzt immer vorsätzliches Handelnvoraus – auch in Form des sogenannten Eventualvorsatzes („Ich nehme es billigend in Kauf“).
Strafrahmen und rechtliche Folgen
Die Höhe der Strafe hängt von vielen Faktoren ab:
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Höhe des Schadens (z. B. 1.500 € oder 15.000 €?)
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Zeitraum der Täuschung (einmaliger Antrag vs. wiederholte Folgeanträge)
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Verhalten im Verfahren (Schweigepflicht oder Kooperation?)
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Rückzahlung der Leistungen
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Vorstrafen oder erstmaliger Verstoß
Freiheitsstrafe droht bei gewerbsmäßigem Betrug
Wer über einen längeren Zeitraum BAföG mit falschen Angaben erschleicht – etwa durch systematische Wiederholung – handelt gewerbsmäßig (§ 263 Abs. 3 StGB). Dann drohen:
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mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe, maximal zehn Jahre
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keine Geldstrafe mehr möglich
Gerade Studierende mit vielen aufeinanderfolgenden Folgeanträgen sind hier gefährdet.
Das Ermittlungsverfahren
In der Regel beginnt alles mit einem Hinweis: Datenabgleich, anonymer Tipp, interne Prüfung des Amts. Die Folge:
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Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
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Vorladung durch Polizei oder Staatsanwaltschaft
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Anhörungsbogen mit Verdacht auf BAföG-Betrug
Ihre Rechte als Beschuldigter
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Schweigen ist Ihr gutes Recht – keine Pflicht zur Aussage
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Akteneinsicht nur über Ihren Strafverteidiger
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Keine Pflicht zur Selbstanzeige
Wer unüberlegt aussagt, belastet sich unter Umständen selbst – oft unwiderruflich.
Korrektur und Selbstanzeige
Viele Mandanten fragen: Soll ich eine Selbstanzeige erstatten? Die Antwort: Vorsicht! Im Gegensatz zur Steuerhinterziehung entfaltet eine Selbstanzeige beim BAföG-Betrug keine strafbefreiende Wirkung. Vielmehr ist sie häufig der Startpunkt intensiver Ermittlungen.
Besser: Verteidigungsstrategie mit Anwalt
Ein erfahrener Strafverteidiger prüft:
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Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung (§ 153 oder § 153a StPO)
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Argumentation mit fehlendem Vorsatz
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Schadenswiedergutmachung zur Strafmilderung
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Vermeidung eines Eintrags ins Führungszeugnis
Verteidigungsstrategien im Detail
Je früher ein Anwalt eingeschaltet wird, desto besser. Mögliche Verteidigungsansätze:
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Formfehler im Antrag: Unklare oder missverständliche Formulierungen können für den Beschuldigten sprechen.
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Kein Ursachenzusammenhang: Die bewilligte Leistung hätte auch bei korrekten Angaben Bestand gehabt.
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Fehlender Vorsatz: Die Angaben waren nicht bewusst falsch, sondern auf Unwissenheit oder Versehen zurückzuführen.
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Geringe Schuld: Bei Bagatellbeträgen ist eine Einstellung gegen Geldauflage denkbar.
Verjährung von BAföG-Betrug
Die strafrechtliche Verjährungsfrist beträgt:
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fünf Jahre bei einfachem Betrug (§ 78 StGB)
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zehn Jahre bei besonders schweren Fällen (gewerbsmäßiger Betrug)
Die Frist beginnt mit dem letzten Tatzeitpunkt und kann durch Ermittlungsmaßnahmen unterbrochen werden (§ 78c StGB).
Rückforderung durch das BAföG-Amt
Neben dem Strafverfahren droht auch eine Rückforderung der zu viel gezahlten Leistungen. Das Amt erlässt in der Regel einen Aufhebungsbescheid, gegen den Sie Widerspruch einlegen können.
Im Strafverfahren selbst kann das Gericht zusätzlich eine Einziehung des Vermögens anordnen (§ 73 StGB). Diese dient dazu, den finanziellen Vorteil des Täters wieder abzuschöpfen – zusätzlich zur Rückzahlung an das Amt.
Prävention: Fehler vermeiden, rechtssicher beantragen
BAföG ist eine wichtige Hilfe – aber kein Selbstbedienungsladen. Damit es nicht zu strafrechtlichen Problemen kommt, beachten Sie folgende Tipps:
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Seien Sie vollständig und transparent bei allen Angaben
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Geben Sie auch kleinere Einkünfte und Sparverträge an
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Melden Sie Änderungen zeitnah
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Bewahren Sie alle Belege und Nachweise gut auf
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Im Zweifel: anwaltliche Beratung einholen, bevor Sie den Antrag stellen
FAQs
1. Was passiert, wenn ich einen Nebenjob beim BAföG nicht angebe?
Das kann als vorsätzliche Täuschung gewertet werden. Es droht nicht nur die Rückzahlung, sondern auch ein Strafverfahren wegen Betrugs.
2. Ist eine Selbstanzeige bei BAföG-Betrug sinnvoll?
In der Regel nein. Im Gegensatz zur Steuerhinterziehung gibt es hier keine strafbefreiende Wirkung. Lassen Sie sich anwaltlich beraten, bevor Sie handeln.
3. Wie lange dauert ein Ermittlungsverfahren wegen BAföG-Betrugs?
Das ist unterschiedlich. Einige Verfahren werden innerhalb weniger Monate abgeschlossen, andere ziehen sich über Jahre – abhängig vom Umfang der Ermittlungen und der Gerichtsauslastung.
4. Wird BAföG-Betrug ins Führungszeugnis eingetragen?
Ja – insbesondere bei einer Verurteilung zu mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe. Das kann langfristig negative Folgen für Studium, Karriere und Berufszulassung haben.
5. Kann man einen Strafbefehl bei BAföG-Betrug abwenden?
Oft ja – wenn frühzeitig ein Anwalt eingeschaltet wird und eine Strategie mit Rückzahlung, Kooperationsbereitschaft und fehlendem Vorsatz glaubhaft gemacht wird.