Schwere Körperverletzung

Das Opfer erleidet durch die Körperverletzung erhebliche dauerhafte oder langfristige Folgen? Dann kann eine schwere Körperverletzung vorliegen. Welche Voraussetzungen bestehen müssen und welcher Strafrahmen droht, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Was ist schwere Körperverletzung?

Juristische Definition nach § 226 StGB

Schwere Körperverletzung ist ein Qualifikationstatbestand zur einfachen Körperverletzung (§ 223 StGB) und richtet sich nach den langfristigen, schwerwiegenden Folgen, die durch die Tat verursacht werden. Laut § 226 Abs. 1 StGB liegt eine schwere Körperverletzung vor, wenn:

  1. Eine dauerhafte Beeinträchtigung von Sinnes- oder Körperfunktionen (z. B. Verlust von Sehen, Hören, Sprechen) eintritt.
  2. Ein wichtiges Körperglied verloren geht oder dauerhaft unbrauchbar wird.
  3. Eine dauerhafte Entstellung, Siechtum, Lähmung oder eine geistige Krankheit verursacht wird.

Dabei ist entscheidend, dass die Folgen erheblich und irreversibel sind. Es ist nicht erforderlich, dass der Täter die schwere Folge absichtlich herbeiführt – es genügt, dass er die Körperverletzung vorsätzlich begeht und die schweren Folgen zumindest fahrlässig eintreten.

Ziel des Straftatbestands

Der Gesetzgeber möchte mit diesem Straftatbestand die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen schützen. Eine Verletzung, die das Leben und die Selbstständigkeit des Opfers nachhaltig beeinträchtigt, wird besonders streng geahndet, da die Folgen für die Betroffenen oft verheerend sind.

Unterschied zwischen einfacher, schwerer und gefährlicher Körperverletzung

Einfache Körperverletzung (§ 223 StGB)

Die einfache Körperverletzung umfasst jede körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung, unabhängig von der Schwere der Folgen. Ein blauer Fleck, eine Schnittwunde oder eine vorübergehende Schädigung der Gesundheit fallen darunter.

Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB)

Die schwere Körperverletzung hebt sich durch die gravierenden, dauerhaften Folgen von der einfachen Körperverletzung ab. Ein Verlust der Sehkraft, eine Querschnittslähmung oder eine dauerhafte Entstellung erfüllen diesen Straftatbestand.

Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB)

Im Unterschied zur schweren Körperverletzung liegt der Fokus bei der gefährlichen Körperverletzung auf der Tatbegehung, z. B. durch gefährliche Werkzeuge, Waffen, Gift oder lebensgefährdende Handlungen. Dabei müssen die Folgen der Tat nicht schwer sein – der Einsatz der gefährlichen Mittel allein genügt.
Beispiel:

  • Eine Schlägerei mit bloßen Fäusten, die zu einer dauerhaften Lähmung führt, wäre eine schwere Körperverletzung.
  • Der Einsatz eines Messers, das „nur“ eine Schnittwunde hinterlässt, gilt als gefährliche Körperverletzung.

In Einzelfällen können beide Tatbestände kombiniert werden, wenn gefährliche Mittel zu schweren Folgen führen.


Schwere Tatfolgen nach § 226 StGB

Verlust von Sinnes- oder Körperfunktionen

Der Verlust von Sinnesfunktionen oder die dauerhafte Einschränkung körperlicher Fähigkeiten gehört zu den gravierendsten Folgen:

  • Sehvermögen: Verlust eines oder beider Augen, etwa durch einen Schlag, der eine Netzhautablösung verursacht. Eine erhebliche Einschränkung (unter 10 % Sehkraft) gilt ebenfalls als Verlust.
  • Hörvermögen: Ein Schlag gegen den Kopf oder Verletzungen des Innenohrs können zum Verlust des Gehörs oder der Fähigkeit, Sprache zu verstehen, führen.
  • Sprechvermögen: Schädigungen des Kehlkopfs oder Sprachzentrums können dazu führen, dass das Opfer dauerhaft nicht mehr sprechen kann.
  • Fortpflanzungsfähigkeit: Verletzungen im Genitalbereich oder hormonelle Störungen durch Gewalteinwirkungen können Unfruchtbarkeit verursachen.

Diese Schäden betreffen nicht nur die körperliche, sondern auch die soziale und berufliche Existenz des Opfers.

Verlust eines wichtigen Körperglieds

Ein wichtiges Körperglied ist jeder durch Gelenke verbundene Teil des Körpers, dessen Verlust die Funktionsfähigkeit des Körpers erheblich beeinträchtigt:

  • Arme und Beine: Der Verlust eines Arms oder Beins hat gravierende Folgen für die Mobilität und Selbstständigkeit.
  • Finger und Hände: Der Verlust eines Daumens oder mehrerer Finger kann die berufliche Existenz eines Handwerkers oder Pianisten zerstören.
  • Dauerhafte Gebrauchsunfähigkeit: Auch ohne Amputation kann eine schwere Schädigung, die die Nutzung eines Körperteils dauerhaft einschränkt, den Tatbestand erfüllen.

Der Verlust eines Körperglieds geht häufig mit psychischen Folgen wie Depressionen oder sozialer Isolation einher.

Dauerhafte Entstellung

Die Entstellung betrifft das äußere Erscheinungsbild und hat oft tiefgreifende psychische Folgen:

  • Narben: Sichtbare Narben im Gesicht oder an anderen exponierten Körperstellen gelten als entstellend, insbesondere wenn sie großflächig oder asymmetrisch sind.
  • Verlust von sichtbaren Körperteilen: Der Verlust eines halben Ohrs oder der Nase ist ebenfalls eine erhebliche Entstellung.
  • Deformationen: Verletzungen, die zu bleibenden Verkrümmungen oder Verwachsungen führen, können ebenfalls als Entstellung gewertet werden.

Siechtum

Siechtum bezeichnet chronische Zustände, die das gesamte Leben des Opfers beeinträchtigen:

  • Infektionen: Eine HIV-Infektion infolge eines Angriffs stellt ein Siechtum dar, da sie das Opfer lebenslang belastet.
  • Organversagen: Verletzungen, die zu dauerhaften Schäden an Organen führen, wie chronisches Nierenversagen, gelten ebenfalls als Siechtum.

Betroffene sind oft auf ständige medizinische Betreuung angewiesen, was ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigt.

Lähmung

Eine Lähmung beschreibt den Verlust der Bewegungsfähigkeit eines Körperteils, z. B. durch eine Verletzung des Rückenmarks oder der Nervenbahnen:

  • Querschnittslähmung: Diese schwerwiegende Folge ist oft das Ergebnis massiver Gewalteinwirkungen auf den Rücken.
  • Teillähmung: Auch die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit eines Arms oder Beins erfüllt den Tatbestand.

Die Lähmung führt nicht nur zu körperlichen Einschränkungen, sondern oft auch zu einem Verlust der Selbstständigkeit.

Geistige Krankheiten

Geistige Krankheiten umfassen psychische und neurologische Störungen, die durch die Tat verursacht wurden:

  • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung können Betroffene unter Flashbacks, Angststörungen oder Schlaflosigkeit leiden.
  • Depressionen: Dauerhafte Entstellungen oder der Verlust von Sinnesfunktionen führen oft zu schweren Depressionen.
  • Kognitive Einschränkungen: Schädigungen des Gehirns, etwa durch Schläge auf den Kopf, können zu Demenz oder Lernschwierigkeiten führen.

Psychische Erkrankungen sind oft schwer nachzuweisen, beeinträchtigen das Leben der Betroffenen jedoch massiv.


Strafen für schwere Körperverletzung

Strafrahmen

Die schwere Körperverletzung wird mit einer Freiheitsstrafe von 1 bis 10 Jahren geahndet. In minder schweren Fällen beträgt die Freiheitsstrafe 6 Monate bis 5 Jahre.

Einfluss mildernder Umstände

Das Strafmaß hängt von den Umständen der Tat ab:

  • Handelte der Täter aus Notwehr oder im Affekt?
  • Gab es eine Entschuldigung oder Wiedergutmachung?
  • Waren die langfristigen Folgen unvermeidbar?

Mildernde Umstände können das Strafmaß deutlich reduzieren.


Verteidigungsstrategien bei schwerer Körperverletzung

Ein erfahrener Strafverteidiger prüft, ob die Tat alle Merkmale der schweren Körperverletzung erfüllt. Häufige Ansätze:

  • Anfechtung der Dauerhaftigkeit: Wenn medizinische Maßnahmen die Folgen beheben können, liegt keine „dauerhafte“ Schädigung vor.
  • Kausalitätsprüfung: Es muss nachgewiesen werden, dass die Tat direkt zu den schweren Folgen geführt hat.
  • Absicht oder Fahrlässigkeit: War die Schädigung beabsichtigt oder ein unvorhergesehener Unfall?

FAQs zur schweren Körperverletzung

1. Wann ist eine Verletzung „schwer“?
Wenn sie zu dauerhaften Schäden wie Blindheit, Lähmungen oder Narben führt.2. Was sind Beispiele für eine dauerhafte Entstellung?
Sichtbare Narben im Gesicht, Verlust von sichtbaren Körperteilen (z. B. ein halbes Ohr) oder Verkrümmungen.3. Wie hoch ist die Strafe?
Das Strafmaß liegt zwischen 1 und 10 Jahren Freiheitsstrafe. Minder schwere Fälle werden mit 6 Monaten bis 5 Jahren geahndet.4. Kann schwere Körperverletzung fahrlässig begangen werden?
Ja, etwa bei Verkehrsunfällen oder medizinischen Behandlungsfehlern.

5. Wie lange dauert die Verjährung?
Die Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre.