Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen

Im Zeitalter von Smartphones, Webcams, Dashcams, Spycams und Co. kann praktisch alles und zu jeder Zeit aufgenommen und zeitgleich mit dem Rest der Welt geteilt werden. Aufnahmen mancher Lebensbereiche will man dabei lieber nicht in Händen Dritter wissen. Sollten diese unerlaubt aufgenommen und den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen, können diese Bilder strafbar sein.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 10.12.2024

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Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen ist eine Straftat, die in der heutigen digitalen Welt zunehmend an Bedeutung gewinnt. Moderne Technologien ermöglichen es, jederzeit und überall Fotos oder Videos zu erstellen, was den Schutz der Privatsphäre auf neue Weise herausfordert. In Deutschland regelt § 201a des Strafgesetzbuches (StGB) diesen Bereich, indem er sowohl das unbefugte Herstellen als auch die Verbreitung solcher Aufnahmen unter Strafe stellt.

Dieser Artikel bietet eine detaillierte Analyse der Rechtslage, typische Szenarien, mögliche Strafen und Verteidigungsstrategien für Beschuldigte.


Einleitung: Was ist eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen?

Eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs liegt vor, wenn eine Person vorsätzlich ohne Zustimmung einer anderen Person Bildaufnahmen anfertigt oder verbreitet, die in die Intimsphäre oder Privatsphäre der betroffenen Person eingreifen. Der Straftatbestand zielt darauf ab, die Würde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Menschen zu schützen, insbesondere in Bereichen, die als besonders privat oder schützenswert gelten, wie beispielsweise Wohnungen oder Toiletten.

Die Zunahme von Smartphones und sozialen Medien hat das Risiko solcher Verletzungen erheblich erhöht, da Bilder heute in Sekundenschnelle verbreitet und von Millionen Menschen gesehen werden können.


Rechtsgrundlage: § 201a StGB im Detail

Gesetzestext und Anwendungsbereich

§ 201a StGB schützt den höchstpersönlichen Lebensbereich vor unbefugten Aufnahmen und deren Verbreitung. Der Gesetzgeber hat diesen Paragraphen eingeführt, um die Lücken im Schutz des Persönlichkeitsrechts zu schließen, die durch den technischen Fortschritt entstanden sind.

Was fällt unter den höchstpersönlichen Lebensbereich?

Im Gegensatz zum allgemeinen privaten Lebensbereich umfasst der höchstpersönliche Lebensbereich besonders sensible Aspekte des Lebens wie Sexualität, Krankheit, Tod oder hilflose Zustände. So wird etwa eine Person auf der Toilette, in der Dusche oder in einer medizinischen Behandlung eindeutig geschützt. Bildaufnahmen alltäglicher Aktivitäten wie Kochen oder Lesen fallen hingegen nicht ohne Weiteres unter diesen Schutzbereich.


Tatbestandsmerkmale: Wann liegt eine Verletzung vor?

Damit eine Strafbarkeit nach § 201a StGB vorliegt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Unbefugtheit der Aufnahme: Die betroffene Person hat der Aufnahme nicht zugestimmt.
  • Höchstsensibler Lebensbereich: Die Aufnahme betrifft intime, private oder hilflose Situationen.
  • Zurschaustellung der Hilflosigkeit: Aufnahmen, die eine hilflose Person in einer entwürdigenden Weise darstellen, sind besonders strafbar.

Auch Aufnahmen, die nicht den Körper der Person selbst, sondern deren persönliche Gegenstände (z. B. Tagebücher oder vertrauliche Briefe) betreffen, können unter den Schutzbereich fallen.


Räumlicher Schutzbereich

§ 201a StGB schützt Menschen in bestimmten Räumlichkeiten und Situationen:

  • Wohnungen und Privaträume: Hierunter fallen auch Hotelzimmer, Gästezimmer oder sogar Zellen in Haftanstalten.
  • Besonders geschützte Räume: Dazu zählen Toiletten, Umkleidekabinen, Behandlungsräume und vergleichbare Orte.
  • Teilweise öffentliche Bereiche: Ein umzäunter Garten kann ebenfalls geschützt sein, wenn er eindeutig als privater Rückzugsort erkennbar ist.

Entscheidend ist, dass die betroffene Person darauf vertrauen darf, in diesem Bereich vor Einblicken geschützt zu sein.


Strafbare Handlungen nach § 201a StGB

Herstellen von Aufnahmen
Strafbar ist nicht nur die eigentliche Aufnahme, sondern auch die Übertragung solcher Inhalte, etwa durch Livestreams. Eine Aufnahme gilt als „hergestellt“, wenn sie auf einem Datenträger gespeichert wird.

Zurschaustellen der Hilflosigkeit
Explizit unter Strafe gestellt ist das Anfertigen und Verbreiten von Aufnahmen, die die Hilflosigkeit einer Person besonders zur Schau stellen. Hierzu zählen Bilder von bewusstlosen, betrunkenen oder verletzten Personen, die in erniedrigender Weise dargestellt werden.

Verbreitung entwürdigender Aufnahmen
Absatz 2 des § 201a StGB richtet sich insbesondere gegen Cybermobbing. Die Veröffentlichung peinlicher oder entwürdigender Bilder ist strafbar, wenn sie das Ansehen der betroffenen Person in der öffentlichen Wahrnehmung erheblich beeinträchtigt.

Herstellen von Nacktaufnahmen Minderjähriger
Ein besonders sensibler Bereich ist die Herstellung und Weitergabe von Nacktbildern Minderjähriger. § 201a Abs. 3 StGB stellt dies unter Strafe, wenn die Handlungen mit einem kommerziellen Hintergrund erfolgen. In Fällen pornografischer Inhalte können zudem §§ 184b und 184c StGB einschlägig sein.


Einwilligung als Rechtfertigungsgrund

Eine Einwilligung der betroffenen Person schließt die Strafbarkeit aus. Dies gilt jedoch nur, wenn die betroffene Person urteilsfähig ist und die Einwilligung freiwillig erteilt wurde. Bei Kindern ist eine solche Zustimmung regelmäßig nicht gegeben.

Besonders kompliziert wird die Rechtslage bei sogenannten „Rachepornos“. Hierbei wurden die Aufnahmen ursprünglich mit Einwilligung angefertigt, jedoch später ohne Zustimmung verbreitet. § 201a StGB sieht vor, dass eine nachträgliche Weitergabe auch dann strafbar ist, wenn die ursprüngliche Aufnahme befugt war.


Strafen und Konsequenzen

Strafmaß
Die Straftat wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet. Maßgeblich für das Strafmaß sind die Schwere der Tat, der Grad der Verletzung des Persönlichkeitsrechts und mögliche Vorstrafen des Beschuldigten.

Eintrag ins Führungszeugnis
Eine Verurteilung kann zu einem Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis führen, was insbesondere bei beruflichen Bewerbungen nachteilig sein kann.

Zivilrechtliche Konsequenzen
Zusätzlich zu den strafrechtlichen Folgen können zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden. Dazu gehören Schadensersatz und Schmerzensgeldforderungen, insbesondere bei psychischen Belastungen der Opfer.


Verteidigungsstrategien für Beschuldigte

Ein Beschuldigter sollte die Vorwürfe ernst nehmen und von seinem Schweigerecht Gebrauch machen. Unbedachte Aussagen können später im Verfahren gegen ihn verwendet werden. Ein spezialisierter Strafverteidiger kann die Beweislage prüfen und Verfahrensfehler identifizieren.

Mögliche Verteidigungsansätze:

  • Anfechtung der Beweise (z. B. unzulässige Ermittlungsmethoden).
  • Nachweis, dass die Aufnahme nicht den höchstpersönlichen Lebensbereich betraf.
  • Argumentation, dass eine Einwilligung vorlag oder keine Verbreitung stattfand.


Fazit: Prävention und Verteidigung

Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen ist ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre, der erhebliche straf- und zivilrechtliche Konsequenzen haben kann. Für Beschuldigte ist es essenziell, frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen und ihre Verteidigung strategisch aufzubauen.

Im digitalen Zeitalter ist es wichtig, die Persönlichkeitsrechte anderer zu respektieren und vorsichtig mit Bild- und Videoaufnahmen umzugehen.


Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Was schützt § 201a StGB?
Er schützt den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person vor unbefugten Bildaufnahmen und deren Verbreitung.

Ist das Fotografieren in öffentlichen Räumen strafbar?
Nur, wenn die Aufnahme eine Person in einem geschützten Bereich oder hilflosen Zustand zeigt.

Können Minderjährige einwilligen?
Nur, wenn sie die notwendige Urteilsfähigkeit besitzen. Bei Kindern wird diese in der Regel verneint.

Welche Strafen drohen?
Die Strafen reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren.

Ist der Versuch strafbar?
Nein, ein bloßer Versuch ist nicht strafbar.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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