Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen

Im Zeitalter von Smartphones, Webcams, Dashcams, Spycams und Co. kann praktisch alles und zu jeder Zeit aufgenommen und zeitgleich mit dem Rest der Welt geteilt werden. Aufnahmen mancher Lebensbereiche will man dabei lieber nicht in Händen Dritter wissen. Sollten diese unerlaubt aufgenommen und den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen, können diese Bilder nach § 201a Strafgesetzbuch (StGB)…

Aktualisiert

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Über den AutorTommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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Was ist eine „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“? 

Eine solche Tat liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich gegen oder ohne den Willen des Opfers dessen höchstpersönlichen Lebensbereich durch Bildaufnahmen verletzt. 

Wann ist eine „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ strafbar? 

Der Straftatbestand schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht, insbesondere die Intim- und Sexualsphäre des Opfers. 

Der § 201a Abs. 1 StGB behandelt Aufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereichs. In Abgrenzung zu einem „einfach-persönlichen Lebensbereich“ umfasst dieses Merkmal nicht gleich alles aus dem Bereich der privaten Lebensführung. Bildaufnahmen einer Person bei der Ausführung „neutraler Handlungen“, wie lesen oder schlafen sind nicht per se dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen.

Zu dem Bereich privater Lebensführung, welcher sich dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuordnen lässt, gehört definitiv, aber nicht ausschließlich Sexualität, Krankheit und Tod. Die Aufnahme einer Person auf der Toilette lässt sich jedenfalls dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuordnen, die Aufnahme einer anderen Person bei der Zubereitung belegter Brötchen nicht ohne Weiteres. 

Der höchstpersönliche Lebensbereich kann aber nicht nur durch Aufnahmen der Person selbst tangiert werden, sondern umfasst auch die (höchstpersönliche) Gedanken- und Gefühlswelt. Daher können auch Aufnahmen von Tagebucheinträgen, vertraulichen Briefen, Gesundheitsunterlagen oder Aufnahmen von Nacktfotos darunterfallen. 

Um sich nach § 201a StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein. 

Räumlicher Schutzbereich 

Die ausdrücklich genannte Wohnung ist der Hafen der Privatsphäre. Geschützt ist man aber nicht nur in der eigenen Wohnung vor Aufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereichs. Vielmehr sind Gäste ebenso geschützt, wie Personen in Hotelzimmern oder Haftanstalten.

„Gegen Einblicke besonders geschützte Räume“ sind etwa Toiletten, egal ob sich diese in einer Wohnung, einem Club oder in Form eines „Dixies“ auf offener Straße befinden. Gleiches gilt für Umkleidekabinen und Behandlungszimmer. Letztlich kann auch ein Garten umfasst sein, der von einer Hecke umgeben ist. Es bedarf aber keines umschlossenen oder gar abgeschlossenen Raumes. 

Tathandlung 

Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen kann durch verschiedene Handlungsweisen des Täters herbeigeführt werden. 

Aufnahmen Hilfloser 

Explizit nennt § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB Aufnahmen, die die Hilflosigkeit einer Person zur Schau stellen. Dies betrifft beispielsweise das Ablichten von auf dem Boden liegenden oder orientierungslos betrunkenen Personen. Die Person muss sich erkennbar in einem Zustand der Hilflosigkeit befinden. Ferner muss diese Hilflosigkeit „zur Schau gestellt“ werden, das heißt die Hilflosigkeit muss durch den Bildinhalt besonders hervorgehoben werden. Wird eine Person am Rand eines Bildes allenfalls mit abgebildet, wird deren Hilflosigkeit wohl nicht zur Schau gestellt. Anderes ist bei einer direkten Aufnahme einer hilflosen Person anzunehmen. 

Herstellen von Aufnahmen  

Strafbar ist das Herstellen der genannten Aufnahmen beziehungsweise die Übertragung einer solchen. Eine Aufnahme ist hergestellt, wenn sie auf einem Bild- oder Datenträger gespeichert wird. Mit Übertragung ist die Echtzeitübertragung (z.B. über Webcam) gemeint. Auch das Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer Aufnahme nach den Nummern 4 und 5 ist strafbar. 

Dahingegen ist das Spannen oder Spähen durch das Schlüsselloch mit dem bloßen Auge nicht nach § 201a StGB strafbar ebenso wenig wie der Einsatz von Hilfsmitteln, wie Ferngläsern oder Nachtsichtgeräten. 

Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen

Aufnahmen, die dem Ansehen schaden 

Um vor allem dem sogenannten Cybermobbing zu begegnen, wird durch Absatz 2 das Zugänglichmachen von peinlichen und entwürdigenden Aufnahmen umfasst. Dabei muss die Bildaufnahme geeignet sein, das Ansehen der Person erheblich zu schädigen. Gemeint sind Aufnahmen mit dem Potential das Opfer verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. 

Nacktaufnahmen Minderjähriger 

Letztlich wird in Absatz drei noch das Herstellen oder Anbieten von Nacktbildern, um sie einer dritten Person zu verschaffen bzw. sich oder einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, unter Strafe gestellt. Freilich können bereits das Herstellen und die Weitergabe unter Absatz 1 fallen. Haben die Bilder pornographischen Charakter bzw. beinhalten diese eine sexuelle Handlung, sind ggf. § 184b StGB bei Kinderpornografischen Schriften und § 184c StGB bei Jugendpornografischen Schriften einschlägig. 

Maßgeblich ist die Entgeltlichkeit der genannten Handlungen. Durch dieses kommerzielle Merkmal unterfallen private Aufnahmen im Freundes- und Familienkreis dieser Vorschrift nicht ohne Weiteres. 

Einwilligung 

Eine Einwilligung der betroffenen Person schließt die Strafbarkeit aus. Selbst im Rahmen von Absatz 3 können Jugendliche in die Herstellung und Weitergabe der Bilder einwilligen, soweit diese die tatsächliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzen. Bei Kindern wird diese regelmäßig nicht vorhanden sein. 

Es kommt indes nicht selten im Rahmen von Zerwürfnissen vor (z.B. „Rachepornos“), dass in das Herstellen von Aufnahmen eingewilligt wurde, diese aber später weitergegeben werden (z.B. durch das Hochladen auf Internetseiten).

In § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB ist die unbefugte Weitergabe einer befugt hergestellten Aufnahme normiert. Zu beachten ist bei Aufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereichs ferner, dass eine zunächst erteilte Einwilligung, etwa zur Herstellung der Aufnahme, auch wieder widerrufen werden kann. 

Ein weiterer Rechtfertigungsgrund findet sich in § 201a Abs. 4 StGB. Hierfür müssen überwiegend berechtigte Interesse vorliegen, die sich aus der Kunst, der Wissenschaft, der Forschung, der Lehre und der Berichterstattung ergeben können.

Vorsatz 

Der Täter muss die Verletzung vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz). 

Versuch 

Der Versuch ist mangels gesetzlicher Verankerung nicht strafbar. 

Strafantrag 

Bei der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen handelt es sich um ein sogenanntes relatives Antragsdelikt, vgl. § 205 Abs. 1 StGB. Das bedeutet, dass ein Antrag des Geschädigten bzw. des gesetzlichen Vertreters erfolgen muss oder die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) setzt sich über das Fehlen eines Antrages hinweg, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.  

Strafe

Die Straftat wird mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet. Die konkrete Strafe im Einzelfall hängt von der Art der Tatbegehung, der Schwere und Intensität der Rechtsgutverletzung, aber auch vom Nachtatverhalten, also etwa einer Entschuldigung, einer Aussöhnung oder einer Schadenswiedergutmachung, ab.

Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Beschuldigte Ersttäter oder Wiederholungstäter ist, oder ob die Tat während laufender Bewährung begangen worden ist.

Unter Umständen kann auch eine Einstellung des Verfahrens erreicht werden. Diese hat den Vorteil, dass dann keine Eintragung im Führungszeugnis erfolgt.

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