Verletzung des Briefgeheimnisses

Durch das Briefgeheimnis sollen schriftliche Notizen und Inhalte geschützt werden. Wer sich darüber hinwegsetzt, kann sich nach § 202 StGB strafbar machen. Doch welche Postsendungen fallen unter das Briefgeheimnis? Dürfen Ehepartner ohne weiteres die Briefe des jeweils anderen öffnen? Und welche Handlungen sind letztlich strafbar? Antworten auf diese Fragen finden Sie im folgenden Beitrag.

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

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    Das sagt das Gesetz: § 202 StGB

    (1) Wer unbefugt

    1. einen verschlossenen Brief oder ein anderes verschlossenes Schriftstück, die nicht zu seiner Kenntnis bestimmt sind, öffnet oder
    2. sich vom Inhalt eines solchen Schriftstücks ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft,
    wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 206 mit Strafe bedroht ist.

    (2) Ebenso wird bestraft, wer sich unbefugt vom Inhalt eines Schriftstücks, das nicht zu seiner Kenntnis bestimmt und durch ein verschlossenes Behältnis gegen Kenntnisnahme besonders gesichert ist, Kenntnis verschafft, nachdem er dazu das Behältnis geöffnet hat.

    (3) Einem Schriftstück im Sinne der Absätze 1 und 2 steht eine Abbildung gleich.

Was ist die „Verletzung des Briefgeheimnisses“? 

Eine solche Tat liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich unbefugt Kenntnis von Schriftstücken nimmt. 

Wann ist die „Verletzung des Briefgeheimnisses“ strafbar? 

Der Straftatbestand schützt die Geheimsphäre von schriftlichen Äußerungen und Abbildungen gegen die Kenntnis Unberechtigter. 

Um sich nach § 202 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein. 

Tatobjekt: Schriftstück 

Die Tat kann nur im Hinblick auf verschlossene Briefe und verschlossenen Schriftstücke verübt werden.

Unter Schriftstücken werden sämtliche „Träger von Schriftzeichen mit gedanklichem Inhalt“ verstanden. Die Sprache spielt keine Rolle. Um Schriftstücke handelt es sich beispielsweise bei Notizen, Tagebüchern oder Entwürfen. Der letzte Absatz der Vorschrift stellt klar, dass Abbildungen (Fotos) den Schriftstücken gleichstehen. 

Die übersandten Briefe oder Schriftstücke müssen besonders verschlossen sein. Ausreichend ist bereits, wenn ersichtlich ist, dass eine Kenntnisnahme durch Dritte verhindert werden soll. 

Ein Schriftstück ist zum Beispiel verschlossen, wenn es sich in einem zugeklebten Umschlag befindet. Aus diesem Grund fallen Postkarten und Urlaubskarten nicht unter diesen Tatbestand. Auch beim Lesen „offener Briefe“ liegt keine Strafbarkeit vor. 

Eine Verletzung des Briefgeheimnisses liegt aber ebenfalls vor, wenn Schriftstücke eingesehen werden, die durch ein verschlossenes Behältnis geschützt sind. Bei dieser Begehungsweise muss sich der Täter Kenntnis vom Inhalt des Schreibens verschaffen. Verschlossen ist ein Behältnis, wenn sein Inhalt durch ein Schloss, eine andere technische Schließvorrichtung oder in sonstiger Weise gegen einen Zugriff besonders gesichert ist. Letzteres kann etwa durch ein Zunageln oder Verkleben gegeben sein. 

Briefgeheimnis bei WhatsApp, SMS & Co.?

Eine Strafbarkeit nach § 202 StGB, also wegen einer Verletzung des Briefgeheimnisses, kommt bei Nachrichten, die über WhatsApp, SMS, Messenger oder anderen Chat-Diensten versandt werden, nicht in Betracht.

Es fehlt an dem erforderlichen „Brief“ bzw. „verkörperten Schriftstück“. Elektronische Daten Unterfallen nicht § 202 StGB. Wer Nachrichten eines Anderen liest, kann sich aber wegen

strafbar machen.

Verletzung des Briefgeheimnisses

Briefgeheimnis unter Eheleuten

Eine Strafbarkeit nach § 202 StGB ist nicht gegeben, wenn das Öffnen eines Briefes mit Einwilligung des Empfängers bzw. Absenders geschieht.

Eine Einwilligung kann aber nicht allein aus dem Bestehen einer Ehe, eines Verlöbnisses, einer Partnerschaft oder einer tiefen Freundschaft angenommen werden.

Auch unter Ehegatten besteht grundsätzlich kein Recht, die an den Anderen gerichtete oder von diesem versandte Briefe zu öffnen.

Handelt es sich um eine intakte Ehe kann allerdings – je nach den Umständen des Einzelfalls – von einer (mutmaßlichen) Einwilligung ausgegangen werden; etwa beim Öffnen von Briefen im Rahmen alltäglicher Angelegenheiten. Dies kann aber nicht ohne Weiteres bei Briefen angenommen werden, die erkennbar nur an seine Person gerichtet sind.

Tathandlung: Unbefugte Kenntnisnahme

Tathandlung nach Absatz 1 Nr. 1 ist das Öffnen des Schriftstücks, wobei der Täter auf irgendeine Weise das durch den Verschluss geschaffene Hindernis so weit beseitigt, dass er vom Inhalt Kenntnis nehmen könnte. Ob tatsächlich Kenntnis vom Inhalt genommen wird, ist ohne Bedeutung.

Nach Nr. 2 steht es ebenso unter Strafe, wenn sich der Täter Kenntnis über ein verschlossenes Schriftstück mithilfe technischer Hilfsmittel verschafft, ohne dass das Schriftstück geöffnet wird – z.B. infolge einer Durchleuchtung. Das bloße Halten eines Briefes gegen Licht reicht indessen nicht aus.

Vorsatz 

Der Täter muss die Verletzung des Briefgeheimnisses vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz). 

Versuch  

Der Versuch ist mangels gesetzlicher Verankerung nicht strafbar. 

Strafantrag 

Bei der Verletzung des Briefgeheimnisses handelt es sich um ein sogenanntes relatives Antragsdelikt, vgl. § 205 Abs. 1 S. 1 StGB. Das bedeutet, dass ein Antrag des Geschädigten bzw. des gesetzlichen Vertreters erfolgen muss oder die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) setzt sich über das Fehlen eines Antrages hinweg, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.  

Strafe

Die Verletzung des Briefgeheimnisses wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet. Die konkrete Strafe ist von den individuellen Umständen des Einzelfalls abhängig.

Häufige Fragen

  • Ist das Öffnen strafbar, auch wenn ich den Brief nicht gelesen oder nicht verstanden habe?

    Kurz gesagt: Ja! Um sich strafbar zu machen genügt es, wenn der Brief geöffnet wird und die Kenntnisnahme vom Inhalt theoretisch möglich ist.

    Eine Strafbarkeit erfolgt selbst dann, wenn der Brief in einer fremden Sprache verfasst ist.

  • Kann das Betrachten eines Briefes, ohne ihn zu öffnen, auch schon eine Strafbarkeit begründen?

    Kurz gesagt: Es ist möglich! Wird das Schriftstück nicht geöffnet, kann auch schon die Kenntnisnahme eines Teils des Inhalts wie das Datum, der Betreff oder der Absender genügen.

  • Dürfen Eltern die Post ihrer Kinder lesen?

    Das Erziehungs- und Sorgerecht der Eltern (vgl. §§ 1626, 1631 Abs. 1 BGB) umfasst auch die Befugnis Post, Tagebücher o.Ä. einzusehen. Diese Befugnis gilt jedoch nur bis zu einem bestimmten Alter. Dieses Alter wird, je nach Entwicklungsstand, bei 12 bis 14 Jahren angenommen.

    Eine generelle Unzulässigkeit kann sich jedoch im Einzelfall ergeben, wie etwa der Postverkehr zwischen dem Kind und dessen getrennt lebenden Elternteil.

  • Darf mein Arbeitgeber meine Mails lesen?

    Grundsätzlich darf der Arbeitgeber keine privaten Mails auf dem Firmenrechner (mit-)lesen. Allerdings wird wohl die private Emailnutzung (durch den Arbeitsvertrag) verboten sein. Eine Kontrolle des Verbots kann dann möglich sein.

  • Dürfen Ehepartner bzw. Verwandte Briefe öffnen?

    Grundsätzlich dürfen Ehepartner und Verwandte nicht ohne Einverständnis des Adressaten Briefe öffnen. Bei einer intakten Ehe kann wohl von einem (mutmaßlichen) Einverständnis des Ehegatten ausgegangen werden.

  • Darf ich einen an mich gerichteten Brief veröffentlichen?

    Kurz gesagt: Es kommt darauf an! In der Regel dürfen Briefe oder andere private Aufzeichnungen, insofern der Verfasser noch lebt, nicht ohne Einverständnis des Verfassers veröffentlicht werden. Hier kommt es jedoch immer auf die Einzelfallbetrachtung an.

  • Darf die Post Briefe und Pakete öffnen?

    Unter bestimmten Umständen, die sich nach dem Postgesetz (PostG) richten, darf die Post Briefe und Pakete öffnen. Hierfür legt § 39 Abs. 4 bzw. 4a PostG die Maßstäbe fest.

    Danach darf ein Brief beispielsweise geöffnet werden, wenn:

    ein beschädigter Inhalt gesichert werden muss
    der Absender oder Empfänger bei Unzustellbarkeit ermittelt werden muss
    körperliche Gefahren drohen
    Straftaten gem. § 39 Abs. 4a PostG wahrscheinlich sind (z.B.: Anti-Doping-Gesetz, Waffengesetz oder das Sprengstoffgesetz) – Eine Wahrscheinlichkeit kann dabei angenommen werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen:
    wenn z.B. das Paket seltsam riecht
    wenn z.B. sich der Inhalt verdächtig anfühlt

  • Kann die Polizei Briefe abfangen?

    Tatsächlich ist es möglich, dass die Polizei Briefe abfängt. Das darf sie jedoch nur unter strengen Voraussetzungen und mit entsprechender Anordnung durch einen Richter oder die Staatsanwaltschaft. Für die Postbeschlagnahme hinsichtlich Beschuldigte gilt §§ 99, 100 StPO.

  • Mache ich mich strafbar, wenn ein Brief falsch zugestellt wurde und ich diesen aber geöffnet und gelesen habe?

    Derjenige, der einen falsch zugestellten Brief öffnet und liest, macht sich nur dann nicht strafbar, wenn er nicht vorsätzlich gehandelt hat – ihm also nicht bewusst war, dass er den Brief als Unberechtigter gelesen hat.

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