Freiheitsberaubung

Hausarrest der eigenen Kinder? Heimunterbringung der älteren Generation? Das Ein- bzw. Ausschließen der Freundin oder des Freundes in bzw. aus der eigenen Wohnung? Eine Freiheitsentziehung eines Menschen kann viele Facetten haben und einige Probleme mit sich bringen. Welche Konflikte das Gesetz regelt, wann eine Freiheitsberaubung nach § 239 StGB beginnt, und welche Situationen umstritten sind,…

Aktualisiert

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Über den AutorTommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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Was ist „Freiheitsberaubung“?

Eine Freiheitsberaubung liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich eine andere Person gegen oder ohne dessen Willen seiner Freiheit beraubt. 

Wann ist eine „Freiheitsberaubung“ strafbar?

Eine Freiheitsberaubung liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich eine andere Person gegen oder ohne dessen Willen seiner Freiheit beraubt. 

Der Straftatbestand der Freiheitsberaubung schützt die körperliche Fortbewegungsfreiheit einer Person. Dabei wird speziell die Freiheit geschützt, den derzeitigen Aufenthaltsort zu verlassen und sich fortbewegen zu können. Nicht geschützt ist hingegen die Freiheit, einen bestimmten Ort aufzusuchen. Wird eine Person daran gehindert einen bestimmten Ort aufzusuchen oder auf andere Weise in seiner Willensfreiheit beschränkt, so kann der Täter wegen einer Nötigung gemäß § 240 StGB, nicht aber wegen einer Freiheitsberaubung nach § 239 StGB bestraft werden.

Der Straftatbestand der Freiheitsberaubung besteht aus dem Grundtatbestand nach § 239 Abs. 1 StGB. Darauf aufbauend kann der Täter die Qualifikation nach § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB verwirklichen oder einen Erfolg nach § 239 Abs. 3 Nr. 2 oder Abs. 4 StGB herbeiführen, die jeweils zu einem höheren Strafmaß führen können.

Tatobjekt: Mensch

Die Freiheitsberaubung kann nur an einem anderen Menschen verübt werden.

Dabei muss das Opfer zum Tatzeitpunkt die natürliche Fähigkeit besitzen, sich fortbewegen zu können. Dementsprechend können Kleinstkinder unter einem Jahr, Wachkomapatienten oder bewegungsunfähige Schwerstbehinderte keine Tatopfer sein, da sie ihre Ortsveränderung nicht selbstständig herbeiführen können. Ist das Tatopfer nur mit technischen Mitteln wie einer Brille oder einem Rollstuhl in der Lage, seinen Standort zu wechseln, so kann allein das Wegnehmen der Brille oder des Rollstuhls zu einer Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung führen.

Problematisch kann die Einordnung der Freiheitsberaubung von schlafenden und bewusstlosen Menschen sein. Dabei ist umstritten, ob das Opfer in der Lage sein muss, einen aktuellen bzw. hypothetischen oder zumindest einen potenziellen Fortbewegungswillen bilden zu können. Nach der überwiegend vertretenen Ansicht reicht die Bildung eines potenziellen Willens des Opfers aus. So kann jeder Opfer der Tat sein, der die Möglichkeit zur Ortsveränderung gehabt hätte, gleichwohl, ob er die Beeinträchtigung merkt oder ob er zum Tatzeitpunkt überhaupt eine Ortsveränderung möchte. Demnach können Schlafende und Bewusstlose schon während der Dauer dieses Zustandes Tatopfer sein. Eine Strafbarkeit wird nur dann ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit des Erwachens während des Einsperrens mit Sicherheit hätte ausgeschlossen werden können.

Tathandlung: „Einsperren“ bzw. „auf andere Weise“

Die Freiheitsberaubung kann durch viele verschiedene Handlungsweisen des Täters herbeigeführt werden. Das Gesetz kennt insbesondere die Freiheitsberaubung durch das Einsperren des Tatopfers.

Einsperren

Ein Einsperren liegt vor, wenn der Täter durch äußere Vorrichtungen das Opfer daran hindert, den Raum zu verlassen. Das kann beispielsweise das Verschließen des Raumes, der Wohnung oder des Kellers mittels Schlüssel bzw. Schloss oder das Barrikadieren der Tür mithilfe von Gegenständen sein. Auch das Einschließen in beweglichen Sachen, wie beispielsweise in ein Auto, kann eine strafbare Handlung darstellen. Ein Einsperren liegt wiederum nicht vor, wenn das Opfer gefahrlos den Raum verlassen kann, wenn auch nur über eine ungewollte Art oder Richtung. Allerdings gilt dies nicht über einen unzumutbaren Weg, wie das Springen aus dem siebten Stock eines Hochhauses. Das Aussperren eines Menschen ist dagegen nicht vom Straftatbestand erfasst.

Freiheitsberaubung

„Auf andere Weise“

Da es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, einen Menschen seiner Freiheit zu berauben, hat der Gesetzgeber den Gesetzeswortlaut sehr weit gefasst. Danach kann das Tatopfer auch „auf andere Weise“, als durch das Einsperren, der Freiheit beraubt werden. Hierunter wird jedes Tun oder Unterlassen verstanden, welches dazu führt, das Opfer am Verlassen seines Aufenthaltsortes zu hindern. Diese Verhinderung erreicht der Täter meist durch Gewalt, Drohung oder List. Insbesondere durch Betäuben, Fesseln, Festhalten oder Einkesseln des Opfers. Auch unüberwindbare psychische Hindernisse wie freilaufende, bissige Hunde vor dem Ausgang sind mögliche Tathandlungen. Das bloße Erschweren des Verlassens reicht hingegen nicht aus.

Dauer der Freiheitsberaubung

Unabhängig davon, welche Handlung der Täter wählt, muss die Freiheitsberaubung eine gewisse Zeit (mind. ca. 45 Sekunden) andauern. Es wird jedoch nicht gefordert, dass das Opfer und der Täter in getrennten Räumlichkeiten verbleiben müssen. Eine Strafbarkeit wird also nicht ausgeschlossen, wenn sich der Täter zusammen mit dem Opfer einschließt.

Vorsatz

Der Täter muss die Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB  vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, wenn der Täter die Freiheitsberaubung billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz). Sein Vorsatz muss sich ebenso auf die Qualifikation nach § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB, also das Andauern der Freiheitsentziehung von mehr als einer Woche, beziehen.

Handelt der Täter jedoch nur fahrlässig, also lässt er „nur“ die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht, so liegt keine Freiheitsberaubung vor, da das Gesetz eine solche fahrlässige Tat nicht unter Strafe stellt.

Wie bereits oben dargestellt, muss der Täter bei den Erfolgsqualifikationen nach § 239 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 StGB hinsichtlich des jeweiligen Erfolgs, also der schwereren Gesundheitsschädigung oder dem Tod des Opfers, diese zumindest fahrlässig herbeigeführt haben (§ 18 StGB).

Versuch

Auch der Versuch einer Freiheitsberaubung steht gem. § 239 Abs. 2 StGB unter Strafe. Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die freie Fortbewegung des Opfers erschwert haben und mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich, gehandelt haben.

Sobald es jedoch dem Opfer, wenn auch nur vorübergehend, unmöglich gemacht wird, seinen Aufenthaltsort nach seinem Belieben zu verlassen, so ist der Straftatbestand nach § 239 Abs. 1 StGB vollendet. Eine Versuchsstrafbarkeit ist damit überschritten.

Strafantrag

Bei der Freiheitsberaubung handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.

Strafe

Die „einfache“ Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB wird mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet.

Eine Strafschärfung erfolgt in § 239 Abs. 3 und Abs. 4 StGB. Hiernach wird die Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 3 StGB mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Nach § 239 Abs. 4 StGB wird die Freiheitsberaubung mit Todesfolge nicht unter vier Jahren bestraft.

Eine Strafmilderung erfolgt hingegen bei minder schweren Fällen der Absätze drei und vier nach § 239 Abs. 5 StGB. Hiernach beträgt bei einer Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 3 StGB die Freiheitsstrafe sechs Monate bis zu fünf Jahren und bei einer Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 4 StGB die Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren.

Qualifikation nach § 239 Abs. 3 und Abs. 4 StGB

Das Gesetz sieht in Absatz 3 und 4 Strafschärfungen vor, wenn die Freiheitsberaubung lange andauert, eine schwere Gesundheitsschädigung oder gar der Tod des Opfers verursacht wird.

Längere Freiheitsberaubung

Die Freiheitsstrafe des Täters erhöht sich auf mindestens ein Jahr, wenn er das Opfer gegen oder ohne dessen Willen vorsätzlich seiner Freiheit länger als eine Woche durch Einsperren oder auf sonstige Weise beraubt. Der Täter muss also die oben genannten Voraussetzungen des § 239 Abs. 1 StGB sowie den Umstand vorsätzlich erfüllen und das Opfer mehr als sieben Tage seiner Freiheit entziehen.

Schwere Gesundheitsschädigung

Die Freiheitsstrafe des Täters erhöht sich ebenfalls auf mindestens ein Jahr, wenn er das Opfer gegen oder ohne dessen Willen vorsätzlich seiner Freiheit durch Einsperren oder auf sonstige Weise beraubt und dadurch eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers hervorruft. Die Einstufung der Verletzungen des Opfers als eine schwere Gesundheitsschädigung orientiert sich an der schweren Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 StGB. Danach stellen der dauerhafte Verlust der Seh-, Hör-, Sprech- oder Fortpflanzungsfähigkeit sowie die dauerhafte Gebrauchsunfähigkeit wichtiger Körperglieder wie Arme oder Beine eine solche schwere Gesundheitsschädigung dar. Auch das dauernde äußerliche Entstellen des Opfers oder das Hervorrufen von geistigen bzw. körperlichen Behinderungen sind mit umfasst.

Zu beachten ist, dass der Täter die schwere Folge in Form der schweren Gesundheitsschädigung nicht vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen des Tatbestands, verwirklicht haben muss. Für eine Strafbarkeit nach § 239 Abs. 3 Nr. 2 StGB ist ausreichend, wenn der Täter die schwere Gesundheitsschädigung zumindest fahrlässig herbeigeführt hat (§ 18 StGB). Das hat er, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Verursachung des Todes des Opfers

Bei einer Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 4 StGB erhöht sich ebenfalls die Freiheitsstrafe des Täters, wenn er das Opfer gegen oder ohne dessen Willen vorsätzlich seiner Freiheit durch Einsperren oder auf sonstige Weise beraubt und dadurch den Tod des Opfers herbeiführt. Auch hier ist ausreichend, dass der Täter den Tod des Opfers zumindest fahrlässig, also durch Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, herbeiführt (§ 18 StGB).

Beispiele aus der Praxis

Freiheitsberaubung bei Kindern durch Hausarrest

Die Erziehung von Kindern, insbesondere pubertierenden Jugendlichen, kann zeitweise schwierig sein. Eltern greifen gerne auf altbewährte Methoden wie das Auferlegen von Hausarrest als Strafe zurück. Unter Hausarrest versteht man das Verbot, die elterliche Wohnung oder das Haus zu verlassen.

Grundsätzlich haben Eltern aufgrund des verfassungsrechtlich verankerten Rechts der freien Erziehung nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG (Grundgesetz) sowie der zivilrechtlichen Konkretisierung in §§ 1626, 1631 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ein elterliches Erziehungsrecht, welches die Personensorge ihrer Kinder erfasst. Dabei umfasst die Personensorge gem. § 1631 Abs. 1 BGB insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Hausarrest ist also grundsätzlich nicht verboten, solange es dem Zweck der elterlichen Erziehung und folglich der Personensorge dient.

Allerdings sind Eltern in ihrem Erziehungsrecht eingeschränkt. Die Kinder haben nach § 1631 Abs. 2 BGB das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Sie dürfen nicht körperlich bestraft, seelisch verletzt oder anderen entwürdigenden Maßnahmen unterzogen werden. Sie sollen trotz Bestrafung mit Respekt behandelt und keiner Verletzung ihres kindlichen Selbstbewusstseins sowie Achtungsgefühls unterzogen werden.

Es ist daher beispielsweise strafbar, sein Kind tage- oder wochenlang einzusperren sowie Essen oder den Schulbesuch zu verwehren. Kurze Hausarrestzeiten sind jedoch grundsätzlich zulässig. Letztendlich hängt es immer von den Umständen des Einzelfalls ab.

Freiheitsberaubung

Freiheitsberaubung in der Pflege

Ein Aufenthalt in einem Krankenhaus oder in einer Pflegeeinrichtung (Pflegeheim) kann durch bestimmte Behandlungsmethoden Fragen der Freiheitsberaubung aufwerfen. Vor allem die medikamentöse Sedierung, das mechanische Fixieren mittels Bettgitter, Bauchgurt sowie Hand- und Fußfesseln, das Versperren von Türen oder das Wegnehmen von Hilfsmittel wie Rollatoren und Rollstühlen können unter Umständen eine strafbare Freiheitsberaubung darstellen.

Hat der Patient oder der Ermächtigte zu der Maßnahme (vorher) zugestimmt oder liegt eine medizinische Notwendigkeit des Eingriffs vor, so entfällt eine Strafbarkeit. Liegt eine gegenwärtige Gefahr für den Patienten oder für eine andere Person (zum Beispiel für einen Pfleger durch Angriff des Patienten) vor, so kann eine solche Maßnahme auch ohne Einwilligung wegen Notstands nach § 34 StGB gerechtfertigt und damit straflos sein. Auch hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls, vor allem dem Zustand des Patienten, die Intensität des Eingriffs und die medizinische Notwendigkeit an.

Freiheitsberaubung im Amt

Grundsätzlich erfolgt eine Freiheitsberaubung durch Amtsträger wie Polizisten oder Richter, wenn das Tatopfer beispielsweise (vorläufig) festgenommen oder verhaftet wird. Allerdings ist dies für die Amtsträger nicht strafbar, sofern die Handlung dem Gesetz entspricht, also rechtmäßig erfolgt. Das kann sich insbesondere aus der Strafprozessordnung ergeben.

Aufsehen erregte in diesem Zusammenhang der Fall eines Proberichters, der einen Angeklagten zur Demonstration seiner möglichen Zukunft – ohne Haftbefehl und ohne rechtliche Grundlage – für eine kurze Zeit in eine Gefängniszelle sperrte.

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